Was muss sich ändern, damit Frauen ihre Finanzen in die Hand nehmen und sich der Gender Investment Gap schließt? Juliane Schmitz-Engels, Head of Communications für Deutschland und die Schweiz bei Mastercard, weiß, wo man ansetzen könnte.
Woran hakt es, dass Frauen beim Thema Finanzen längst nicht so engagiert sind wie Männer?
Juliane Schmitz-Engels: Viele Menschen fühlen sich mit dem Thema Finanzen nicht wohl. Damit sind Frauen nicht allein. Meistens liegt es daran, dass das notwendige Wissen fehlt. Viele Frauen kümmern sich auch zu wenig um das Thema Geld. So verwundert es auch nicht, dass in der aktuellen Womenomics-Studie von Mastercard lediglich 70 Prozent der Frauen angeben, dass sie sich finanziell unabhängig fühlen. Dazu trägt auch das Aufwachsen in überholten Rollenmodellen bei – denn in 56 Prozent der Familien kümmerte sich nach wie vor überwiegend der Vater um die Finanzen. Daher ist es wichtig, dass sich Mütter für finanzielle Unabhängigkeit starkmachen und das ihren Töchtern vorleben.
Daher ist es wichtig, dass sich Mütter für finanzielle Unabhängigkeit starkmachen und das ihren Töchtern vorleben.
Juliane Schmitz-Engels, MastercardTweet
Immer noch schieben viele Frauen Finanzfragen auf die lange Bank oder überlassen ihrem Partner die Verantwortung bei finanziellen Entscheidungen. Manche Frauen sehen auch keine Notwendigkeit für Finanzplanung, da sie über kein oder nur ein geringes Vermögen verfügen. Aber das Thema ist wichtig. Und finanzielle Unabhängigkeit ist ein lohnendes Ziel. Sein Leben bestreiten zu können, ohne von anderen Personen finanziell abhängig zu sein, sollte es wert sein. Finanzbildung ist gerade für Frauen immens wichtig, weil Frauen typischerweise die größeren Vorsorgelücken aufweisen. Sie arbeiten öfter in Berufen mit geringeren Lohnchancen, nach der Mutterschaft scheiden viele ganz aus dem Berufsleben aus oder steigen nur auf Teilzeitbasis wieder ein. Das kann dramatische Konsequenzen im Alter haben, insbesondere wenn sich die Lebensumstände von Frauen verändern. Daher sollten Frauen mehr Selbstvertrauen in die eigenen Fähigkeiten haben und ihre Berührungsängste beim Thema Finanzen überwinden. Häufig schätzen sie ihr Finanzwissen geringer ein, als es tatsächlich ist. Außerdem ist es oft auch nicht so kompliziert wie viele denken. Finanzen können sogar Spaß machen.
Auch am Aktienmarkt sind weniger Frauen als Männer aktiv. Fehlt es Frauen an Interesse, an Wissen oder an Mut?
Ich glaube, dass viele Frauen das Risiko scheuen und defensiver investieren als Männer. Dabei schneiden die Depots von Frauen bei der Rendite im Schnitt sogar erfolgreicher ab als die von Männern. Aber weil sie in erste Linie ihre Absicherung im Alter im Blick haben, tendieren sie eher dazu, Risiken beim Investieren zu vermeiden. Das Ergebnis ist oft, dass Frauen nur wenig Geld in Aktien anlegen, sich damit um Kapitalerträge bringen. Zugleich vergrößert sich der Gender Gap weiter.
87 Prozent der Frauen, die sich finanziell unabhängig fühlen, führen dies vor allem darauf zurück, dass sie ihr eigenes Geld verdienen, wie die Mastercard-Studie zeigt. Da hat sich in den letzten Jahren schon einiges für Frauen geändert: Sie sind besser ausgebildet als je zuvor und die Anzahl an Hochschulabsolventinnen übersteigt regelmäßig diejenige der männlichen Absolventen. Auch weibliches Unternehmertum ist auf dem Vormarsch. Folglich unterliegen die Vermögen von Frauen weltweit einem Wachstumstrend. Das hat auch die Wirtschaft für sich erkannt. Eine ganze Industrie bemüht sich um die Aufmerksamkeit der weiblichen Zielgruppe und will Frauen auf dem Weg in die finanzielle Unabhängigkeit begleiten. Darauf stellt sich auch die Finanzberatung ein und entwickelt spezielle Angebote nur für Frauen. Das führt hoffentlich dazu, dass endlich mehr Frauen ihre Finanzen selbst in die Hand nehmen und damit auch ihr finanzielle Lage und Absicherung im Alter verbessern.
Frauen investieren seltener am Kapitalmarkt (Gender Investment Gap), verdienen im Schnitt weniger (Gender Pay Gap) und sind häufiger von Altersarmut betroffen (Gender Pension Gap). Das hat sich verfestigt. Wie konnte es dazu kommen?
Mittlerweile sind zwar drei von vier Frauen in Deutschland berufstätig, aber fast die Hälfte arbeitet in Teilzeit. Gründe dafür sind in vielen Fällen die Betreuung von Kindern oder von Familienangehörigen sowie andere familiäre Verpflichtungen. Noch immer verdienen Frauen im Schnitt 18 Prozent weniger als Männer. Das liegt auch daran, dass Frauen oft schlechter bezahlte Jobs ausüben und sie seltener Führungspositionen erreichen. Aber auch wenn sie bei gleicher Qualifikation den gleichen Job machen wie ein Mann, verdienen sie durchschnittlich sechs Prozent weniger.
Damit sind Frauen besonders von Altersarmut bedroht, denn daraus folgt die geschlechtsspezifische Rentenlücke. Viele in Teilzeit beschäftigte Frauen wissen zwar, dass sie von ihrer Rente später nicht werden leben können. Zugleich scheuen das Thema, weil es zu beängstigend und deprimierend wirkt. Um nicht in die Altersarmut zu rutschen, sparen laut Mastercard-Studie immerhin 41 Prozent der Frauen fleißig. 14 Prozent beginnen damit sogar schon beim ersten Gehalt. Gleichzeitig geben 16 Prozent an, dass sie überhaupt nicht in der Lage sind, von ihrem Einkommen etwas zu sparen und acht Prozent haben erst gar kein monatliches Einkommen, wovon sie etwas zur Seite legen könnten. Da Frauen meistens weniger Geld für den Vermögensaufbau zur Verfügung haben, ist es umso wichtiger, dieses Geld smart anzulegen, auch in eine private Altersvorsorge, damit sie langfristig ihre finanziellen Ziele erreichen. Das geht auch schon mit kleinen Beträgen. Sie müssen sich nur trauen.
Was muss geschehen, damit sich der Gender Investment Gap schließt? Wo sollte finanzielle Bildung ansetzen? Was sollten oder könnten Frauen lernen?
Es ist an der Zeit, dass Frauen auch beim Thema Finanzen selbstbewusster werden. Laut unserr Womenomics-Studie fühlt sich nur jede vierte Frau gut informiert, wenn es um Finanzen geht. Dabei ist das Wissen entscheidend, um die eigenen Finanzen selbst in die Hand zu nehmen, um ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben zu führen. Da wollen wir schon früh ansetzen. Mastercard setzt sich dafür ein, dass Finanzbildung auch in der Schule stärker thematisiert wird, damit auch Mädchen Lust auf Finanzen bekommen und Finanzbildung nicht nur eine Frage des Elternhauses bleibt. Denn Gewohnheiten, die den späteren Umgang mit Geld prägen, entwickelt man schon sehr früh.
Zudem muss mehr für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf getan werden. Bei Mastercard fördern wir das mit unserer Unternehmenskultur. Wir bieten nicht nur Müttern, sondern auch Vätern 16 Wochen voll bezahlte Elternzeit und ermuntern Väter auch aktiv dazu, sich diese Zeit zu nehmen. Außerdem verdienen Frauen bei Mastercard weltweit das Gleiche wie ihre männlichen Kollegen.
Von der Gesellschaft würde ich mir wünschen, dass wir aufhören, in Schubladen zu denken und Frauen einzureden, sie könnten dies oder jenes nicht – eben auch beim Thema Finanzen. Das fängt schon in der Sozialisierung von Kindern in der Familie und in der Schule an. Jede:r sollte die Möglichkeit haben, sich die Grundlagen für den richtigen Umgang mit Geld anzueignen, unabhängig vom Geschlecht. Damit Frauen nicht immer beruflich zurückstecken und die finanziellen Folgen tragen müssen, braucht es zudem mehr Gleichberechtigung, vor allem in der Care-Arbeit.
Mehr Themen: