Leslie Clio ist Musikerin, Weltenbummlerin und Millionärin – auf ihre ganze eigene Weise. Was sie bewegt und inspiriert, hat sie uns im Interview verraten.
Gucken statt Lesen? Hier seht ihr das gesamte InterVIEW im Video
EMOTION: Leslie, du hast ja gerade deinen neuen Song veröffentlicht, er heißt "Millionaire". Worum geht es da genau?
Leslie Clio: In der Essenz geht es in "Millionaire" darum, dass nur die Liebe zu anderen Menschen und nur die Liebe von anderen Menschen uns wirklich reich machen kann: "Your love makes me a millionaire". Im weitesten Sinne geht es darum, dass man Liebe verbreiten sollte, aufeinander achten sollte, Empathie… Denn das macht uns reich. Oder auch die Idee, dass eigentlich das, was wir brauchen, um reich zu sein, immer schon in uns ist. Eigentlich ist jede:r von uns reich.
Du verwendest ja auch auf Instagram den Hashtag #millionairemoments. Was verbirgt sich hinter diesen Momenten?
Es gibt ja dieses Sprichwort "Glück ist, wenn man es merkt" und eigentlich geht es genau darum, dass man den Reichtum in jedem Moment sieht und den Moment schätzt. Alles, was wir haben, ist das Jetzt. Ich sitze hier zum Beispiel auf einem Stuhl, der sich dreht, habe gerade einen Eistee getrunken, die Aussicht: herrlich. Die Sonne: ach! Ich glaube, ich bin reich.
Konntest du immer schon die Schönheit in den kleinen Dingen sehen oder musstest du das auch erst lernen?
Ich glaube, die konnte ich immer schon sehen. Ich bin zum Beispiel immer schon viel gereist, bin früh von zuhause raus, war schnell Weltenbummlerin, habe viel von der Welt gesehen. Und das habe ich immer, immer zu schätzen gewusst und nie das Gefühl gehabt, ich hätte nicht genug.
Du hast schon sehr viele Sachen gemacht, bist nicht nur Musikerin, sondern hast auch einen Onlineshop, machst Kinderlieder und hast mittlerweile dein eigenes Label gegründet. Wie kam es denn dazu?
Das klingt immer ein bisschen nach Projekt-ADHS – das ist es auch. 2018 habe ich ein Start-up für Handyketten gegründet, "Phonie", letztes Jahr habe ich ein Kinderalbum geschrieben, "Kid Clio", was jetzt dieses Jahr bei "Karrussell" herauskommt. Und dann eben mein eigenes Label "House of Clio". Ich habe lange überlegt: Wie macht man das, wie stellt man sich auf? Als Label nun selbst zu veröffentlichen, ist eigentlich ein logischer Schritt gewesen in die Richtung, unabhängig und selbstständig zu sein und einfach sein Ding zu machen als Frau. Da sind jetzt schon vier Songs erschienen, "Millionaire" auch, und das Album kommt wahrscheinlich Anfang nächsten Jahres.
Fällt Veränderung dir schwer oder hast du sie immer schon umarmt?
"The only constant we have is change" – man merkt es schon an den Jahreszeiten, es geht immer weiter, das Leben ist ein Kreislauf und das muss man einfach umarmen. Das sind die Dinge, die man überhaupt nicht in der Hand hat.
In deinem Team arbeitest du ja mit Frauen zusammen, ihr seid ein reines Frauenteam. War das eine bewusste Entscheidung?
Jein. In meiner Industrie ist Quote immer so ein Thema. In der Musiklandschaft auf der Business-Seite – nicht auf der künstlerischen – gibt es nicht viele Frauen. Und in meinem Team sind alles Frauen, die ich über die Jahre kennengelernt habe. Das ist ein tolles Team, das ich da zusammengestellt habe, auf das ich wahnsinnig stolz bin. Und ich weiß aus zehnjähriger Erfahrung, dass alles mit dem Team steht und fällt. Es war nicht unbedingt eine bewusste Entscheidung: Ich lasse jetzt keinen Mann rein. Wir haben übrigens einen Hahn im Korb! Aber es hat sich so ergeben und ich arbeite gern mit Frauen zusammen und glaube, dass Frauen Frauen empowern sollten und dass wir uns gegenseitig starkmachen sollten und das war jetzt gerade als Label Boss eine schöne Chance, das zu repräsentieren. Ich arbeite auch immer noch daran, das auch auf der Bühne umzusetzen. Ich habe eine Band aus Boys, die ich alle super gerne mag, aber bin schon seit Jahren auf der Suche nach guten Musikerinnen, die langsam, aber sicher aufkommen, und da freue ich mich, was so entsteht.
Ich glaube, dass Ideen im Universum herumkreisen und immer nur irgendwo andocken.
Leslie Clio im EMOTION-InterviewTweet
Woher bekommst du deine ganze kreative Energie, was inspiriert dich?
Achtung, das ist jetzt sehr spirituell: Ich glaube, dass Ideen im Universum herumkreisen und immer nur irgendwo andocken. Dass das eigentlich körperlose Energien sind und man sich als Künstler:in einfach offen macht und empfänglich, Sachen aus dem Universum greifen zu können. Das haben auch Leute wie Michael Jackson schon gesagt. Ich glaube, dass wir alle individuelle Energien sind, die auf die Welt kommen und hier eine Aufgabe haben, die wir uns gar nicht aussuchen. Ich habe als Kind schon gesungen und wusste, dass es das ist, was ich machen soll. Songs und Ideen sind mir immer nur zugeflogen. Ich habe nie gedacht, ich versuche das jetzt mal, sondern irgendwann habe ich mir ein Diktiergerät gekauft, weil ich nicht wusste, was ich mit den ganzen Ideen machen sollte. Und zehn Jahre, fast vier Alben und drei EPs später mache das immer noch, weil ich einfach weiß, dass das mein Calling ist, meine Aufgabe im Leben, und die nehme ich ernst und auf gar keinen Fall für selbstverständlich und bin sehr gesegnet. Viele Songwriter:innen oder Musiker:innen sagen ja auch immer, sie könnten sich gar nicht daran erinnern, den oder den Song mal geschrieben zu haben, und bei mir ist das ganz genauso. Ich kann dir nicht sagen, dass ich jemals den Song "I couldn’t care less" geschrieben habe zum Beispiel.
Ach was?
Ich weiß natürlich, dass ich das getextet habe, weil es auch Zeug:innen gibt, aber die besten Ideen schreiben sich selber. Man ist eigentlich nur ein Medium, durch das die Idee sich verwirklichen kann. Und wenn man sie nicht greift, dann fliegt sie woanders hin. Das hat man oft, man hat eine Idee jahrelang in seinen Notizen, macht aber nichts daraus, und irgendwann ploppt die Idee irgendwo anders auf und man denkt: Das wollte ich auch schon immer machen! Aber dann ist sie irgendwo anders hingegangen, weil man sie nicht reingelassen hat.
So ist es zum Beispiel auch mit meinem Kinderalbum "Kid Clio". Ich hatte immer mal Ideen, habe den Song "Anne Kaffeekanne" an einem Tag gemacht und der ist so weit gereist und deswegen habe ich mir gedacht: Vielleicht ist das ein Zeichen, dann versuche ich jetzt einfach mal, Deutsch für Kinder zu schreiben. Für das Album, das jetzt Ende des Jahres kommt, habe ich mich mit Kurt Stolle hingesetzt, einem jungen Songwriter und Produzenten, und das alles einfach geschrieben, und es ist so schnell aus uns herausgeflossen. Ich habe diesen Hahn aufgemacht, Kid Clio sollte in die Welt kommen und jetzt ist dieses Album da.
Hast du vorher schon mal auf Deutsch geschrieben oder war das das erste Mal?
Das war das erste Mal. Weil ich einfach gar nicht Deutsch musikalisch sozialisiert bin, also ich habe nie deutsche Musik gehört außer Heintje oder Marianne Rosenberg – und da hört es auch schon auf. Alles andere, was ich auf Deutsch feiere und liebe, ist Helge Schneider, und ich dachte immer, wenn ich Deutsch mache, dann wird das eher so Helge Schneider, es wird auf gar keinen Fall ernste Musik. Es war auf jeden Fall mein erstes Konzeptalbum. Ich habe gedacht, wenn ich was für Kinder schreibe, dann muss da Faulsein rein, Selbstbewusstsein, Rotzgöre, frech sein, Taschengeld...
Die wichtigen Themen…
… die mich früher so beschäftigt haben. Und da war ich dem inneren Kind irgendwie noch sehr nahe, es ist ja auch noch nicht soo lange her. Gefühlt schon ewig, aber dann doch nicht so lange.
Man hat ja nur ein Leben. Und deswegen finde ich diese stillen Phasen – die Ruhe zulassen und mal in sich reinhören, all die ganzen Geräusche von außen mal ausmachen – für mich persönlich sehr wichtig.
Leslie Clio im EMOTION-InterviewTweet
Das klingt alles sehr schnelllebig und fast ein bisschen wuselig, die Ideen sprudeln. Du hast zwischenzeitlich auf Hawaii gelebt, weil du die Stille finden wolltest. Hast du sie gefunden?
Ja, die Stille finden, mal wieder einen Perspektivwechsel oder sich rausnehmen, mal wieder von außen draufschauen auf sein Leben, sich gegebenenfalls rejustieren und gucken, was mache ich da eigentlich... Man hat ja nur ein Leben. Und deswegen finde ich diese stillen Phasen – die Ruhe zulassen und mal in sich reinhören, all die ganzen Geräusche von außen mal ausmachen – für mich persönlich, für diese Reinkarnation als Leslie Clio, sehr wichtig. Das mache ich immer wieder regelmäßig.
Was hast du in der Zeit über dich gelernt?
Ich habe gelernt, dass Karriere und Kreativität zwei verschiedene Dinge sind und dass das eine kommt und geht und unstetig ist und unlogisch, wie ein schlechter Freund. Manchmal kommt er vorbei, er sagt, er liebt einen ganz doll und man sei das Größte und er macht einen ganz wuschig und heiß und verspricht einem Sachen, und dann ist er wieder weg und kommt im absolut unlogischsten Moment wieder zurück, wenn man ihn überhaupt nicht erwartet. Das ist Karriere. Und die Kreativität ist so eine alte, warme, liebende Oma, die einen umarmt, die immer Kekse für einen hat. Und das ist auch die Erfahrung, die mir Hawaii gegeben hat. Ich hatte zwei Alben bei Universal gemacht, ich hab durchgezogen, durchgearbeitet, wirklich viel erlebt, und war in erster Linie ausgelaugt, wollte mal Urlaub haben. Was mache ich hier, ist das alles richtig, bin ich auf dem richtigen Weg? Wer bin ich denn noch, wenn ich Verkaufszahlen, Chartpositionierungen und alles wegnehme? Ich bin nicht nach Hawaii gegangen, um schnell ein Album zu schreiben, schnell Kreativität und Inspirationen zu bekommen, sondern um erst mal gar nichts zu machen. Ich habe gesagt, ich mache eine Sache am Tag, und das kann auch schon Kaffee kochen sein. Ich war alleine da und bin die ersten zwei Wochen nur durch Dschungel gelaufen. Aber da haben mich die Melodien und die Lieder ganz schnell wieder aufgesucht. Die Erkenntnis war: Das ist das, was in meinem Leben zählt. Alles andere ist Kommerzialität, das kommt und geht, aber das ist nicht meine Hauptmotivation. Das war das Wichtigste, was ich da lernen sollte, und das habe ich.
Das ist ein schönes Learning. Dann hoffen wir mal, dass die Oma dich noch oft umarmt und immer Kekse für dich hat.
Die Oma ist immer da, die Oma ist in einem drin. Das ist diese stille kleine Flamme, die nie schläft. Sie ist in dir drin, das bist du.
Schönes Bild. Und auch ein sehr schönes Schlusswort. Vielen, vielen Dank, Leslie, für das Gespräch. Und ganz viel Erfolg für dein kommendes Album und die Kinderlieder.
Danke schön.
Weiterlesen: