Leben heißt nun mal Veränderung. Und manchmal auch Abschied. Nach fünf Jahren ist dies die letzte Kolumne unserer Autorin Evelyn Holst. Zum Trost für uns alle hat sie ein scheußliches, altes Kuscheltier ausgepackt. Dankeschön!
Er heißt Schlumi oder sollte ich besser schreiben – sie? Sein/ihr Geschlecht ist schließlich nicht eindeutig, denn Schlumi ist eine von meiner Mutter zu meinem achten Geburtstag gestrickte Schlummerrolle. Er/Sie ist türkis und orange gestreift und hat inzwischen riesengroße Mottenlöcher, zigmal gestopft, inzwischen nicht mehr stopffähig. Er hatte mal zwei große Perlmuttaugen, eins ist weg und wurde nie ersetzt, das andere hängt. Ganz ehrlich – er ist hässlich wie die Nacht.
Aber als mein Mann kürzlich mit den Worten "Darf dieses Scheusal endlich auf den Gnadenhof?" auf Schlumi zeigte, war ich außer mir. "Ich hoffe, er hat dich nicht gehört", rief ich. Denn es wäre mir wie Tiermord vorgekommen, ihn in einer Mülltonne zwischen Küchenabfall und vollgeschnieften Tempos zu entsorgen. Kuscheltiermord. Ganz schlechtes Karma, schließlich war Schlumi meine erste große Liebe. Eine, die mich nie verraten hat. Er weiß alles von mir und behält alles für sich. Er hat sich tröstend um meinen Nacken gelegt, als ich ein schlechtes Zeugnis hatte oder meine zweite große Liebe, ein gewisser A., mit mir Schluss machte, weil "die Liebe in mir leider erloschen ist", wie er sich so nett ausdrückte. Er ringelt sich weich um meinen Nacken, wenn ich lese oder fernsehe, er widerspricht mir nicht, er findet mich nicht nervig, wie meine Umwelt gelegentlich, er ist einfach nur da. Etwas abgegriffener und muffiger als früher, aber das gilt für mich ja genauso.
Als meine Kinder klein oder krank waren, lag er als Allroundtröster in ihren Betten und steckte sich nie an, obwohl in ihn hineingeschnäuzt und gehustet wurde, dass die Bakterien und Viren einen Ochsen flachgelegt hätte. Lag vielleicht auch daran, dass ich ihn regelmäßig in die Waschmaschine steckte.
Es soll ja Menschen geben, die ihre Kuscheltiere auf dem Flohmarkt verscherbeln oder in eine Kiste sperren, aber denken diese Menschen gar nicht daran, dass auch Kuscheltiere eine Seele haben? Wer klug ist und sich zum Kind in sich bekennt, der nimmt sein Kuscheltier mit ins Erwachsenwerden. Stellt es ins Regal oder lässt es auf dem Schreibtisch seine Arbeit bewachen. Schlumi hat seinen Platz auf meinem Bett, mein Mann hat sich an unseren Dreier zähneknirschend gewöhnt.
Ich finde Kuscheltiere auch deshalb so unverzichtbar, weil sich ja alles im Leben verändert. Menschen, Orte, Berufe. Wir werden älter, ein bisschen klüger, oft zynischer und manchmal verzweifeln wir, weil wir denken, das Beste läge schon hinter uns. Wie gut, wenn wir dann ein Kuscheltier haben. Weil es immer noch ein bisschen nach Kindheit riecht und uns nie verlassen wird.
Aber ich werde es tun. Es hat mir viel Spaß gemacht mit Ihnen. Doch da man ja immer aufhören soll, wenn es am schönsten ist, wird dies meine letzte Kolumne sein. Es hätte schlimmer kommen können.
Evelyn Holst ist Expertin für Klartext. Und für Humor
(hat viel davon), Familie
(hat selbst eine) und Frauen
(ist ja eine). Ihr Lebensmotto:
Es gibt keinen Grund zum Jammern.
Es sei denn ...