Wie wird man kreativer? Buchautor und Rückwärtssprecher Bernhard Wolff ist überzeugt, dass sich Kreativität trainieren lässt. Sein neues Buch liefert gleich 157,5 praktische Tipps zur täglichen Inspiration und Ideenfindung.
EMOTION.DE: Wie kam der ungewöhnliche Titel Ihres neuen Buches "Titel bitte selbst ausdenken" zustande?
Bernhard Wolff: Ich habe natürlich selbst viele Brainstormings zum Buchtitel gemacht und so bei Titel Nummer siebzig in meiner Ideenliste habe ich gemerkt: Mensch, ich überlege mir hier so viel, das ist doch eigentlich genau das, was der Leser auch tun soll: Brainstormen und sich Dinge selbst ausdenken. Damit kann er doch eigentlich beim Buchtitel beginnen. Daher fand ich es schön, spielerisch und sehr einladend, das Buch "Titel bitte selbst ausdenken" zu nennen.
Ihr Buch enthält 157,5 erfolgreiche Ideenbeschleuniger. Warum ein halber Tipp?
Um neugierig zu machen. Die Erfahrung zeigt: Wenn ich glatte Zahlen wähle, wenn ich keine Reibung im Gehirn erzeuge, ist es langweilig. Die Tatsache, dass Sie mich danach fragen, ist exakt der Grund, warum es einen halben Tipp gibt.
Der erste Satz in der enthaltenen Buch-Bedienungsanleitung lautet: "Lesen Sie dieses Buch auf keinen Fall durch!" Warum nicht?
Ein Buch von vorne nach hinten durchzulesen dauert lange und man folgt einem vorgegebenen Pfad. Mir ist aber in dem Buch wichtig, dass ich schnell, vielseitig und überraschend bin und dadurch den Leser immer wieder inspiriere.
Deshalb ist das Buch nicht zum Durchlesen gedacht, sondern zum Reinblättern. Darum ist es in Häppchen – eine Seite, eine Illustration – aufgeteilt. Es soll sich lohnen, im Vorbeigehen oder unterwegs zwei, drei Minuten zu investieren, um die Kreativität zu trainieren.
Welche Grundvoraussetzungen muss der Leser für Ihr Buch mitbringen?
Er oder sie muss lesen können. Das ist schonmal keine schlechte Voraussetzung. Und es muss natürlich eine Bereitschaft da sein, Dinge im eigenen Leben zu verändern. Schließlich wird Kreativität nur gebraucht, wenn ich den Ist-Zustand verändern und einen besseren Zustand herstellen möchte. Darum geht es ja immer: dass ich Ideen benutze, um mein Leben angenehmer, erfolgreicher, abwechslungsreicher zu machen. Diese Neugierde muss da sein. Dann ist das Buch eine schnelle, unkomplizierte Unterstützung und Inspirationsquelle.
Haben Sie einen persönlichen Lieblings-Ideenbeschleuniger?
Ja, aber der gilt vielleicht wirklich nur für mich oder in besonderer Weise für mich. Der Ideenbeschleuniger heißt: der vernachlässigte Brandenburg-Faktor. Ich lebe ja in Berlin und Berlin ist laut und hektisch. Brandenburg-Faktor heißt für mich, aus Berlin raus zu gehen auf's Land, dahin, wo es ruhig ist und wo ich die Gedanken wandern lassen kann.
Im übertragenen Sinne bedeutet das, dass wir zu sehr im Alltagsstress gefangen sind. Manchmal kommen wir deshalb nicht auf Ideen, weil wir nicht loslassen, nicht einfach mal in einer ruhigen und entspannten Umgebung den Alltag ein bisschen hinter uns lassen können. Wenn man das macht, stellt man fest, dass das Gehirn in Ruhe anders arbeitet und Verbindungen zustande kriegt, die sonst gar nicht möglich wären.
Wie sieht für Sie das perfekte Umfeld für gute Ideen aus?
Da gibt es verschiedene Einflüsse. Am allerwichtigsten sind die Menschen um mich herum. Früher hat man gesagt: Gute Ideen entstehen im stillen Kämmerlein. Das glaube ich nicht! Meine These ist, dass wir auf gute Ideen kommen, wenn wir inspirierende, andere Menschen um uns herum haben, mit denen wir uns offen austauschen können.
Der zweite Faktor ist die räumliche Umgebung. Es ist gut, aus dem Alltag oder auch vom täglichen Arbeitsplatz einen Schritt zurückzugehen, einen anderen Ort aufzusuchen, einen Tapetenwechsel zu haben. Und da ist die Natur erwiesenermaßen besonders hilfreich. Also wir Menschen sind kreativer in der Natur. Wir sind außerdem tendenziell kreativer, wenn wir einen rötlich orangen Farbton um uns haben – Stichwort Sonnenuntergang – und wenn uns räumliche Weite umgibt. Noch dazu beweist eine Studie, dass Menschen kreativer sind, wenn eine leichte, angenehme Geräuschkulisse vorhanden ist statt totale Stille.
Wo haben Sie selbst die besten Ideen? Tatsächlich in Brandenburg oder doch woanders?
Ich habe die besten Ideen, wenn ich nach Brandenburg fahre, mich auf's Fahrrad setze und durch die Natur radele. Gute Ideen habe ich auch, wenn ich unterwegs bin. Wenn ich auf meinen Veranstaltungen als Trainer, Redner oder Moderator Menschen treffe, die mich inspirieren und mir ihre eigenen Geschichten erzählen. Da sammele ich auch für mich neue Ideen.
Und ich habe viele Ideen, wenn ich mit meiner kleinen Tochter zusammen spiele. Die ist neunzehn Monate alt und es ist phantastisch zu sehen, wie neugierig sie durch die Welt geht. Das hilft mir auch selbst, die Welt mit anderen Augen zu entdecken.
Sollten wir alle die Welt mehr durch Kinderaugen betrachten, um kreativer zu sein?
Eindeutig ja! Die Welt durch Kinderaugen zu sehen bedeutet, nicht immer sofort zu bewerten und zu analysieren. Das tun wir Erwachsene nämlich. Wir haben viele Bewertungsmuster im Hinterkopf. Daher neigen wir dazu, nur Dinge zu tun und zu denken, die wir für sinnvoll erachten. Kinder haben da einen viel spielerischen Ansatz: Sie sind neugierig und probieren aus. Wenn wir das als Erwachsene tun, sind wir schon auf dem richtigen Weg.
Was sind für Sie die drei größten Kreativitätskiller?
Der innere Schweinehund, die eigenen Gewohnheiten sind ein Kreativitätskiller. Ein zweiter Kreativitätskiller sind typische Floskeln in der Kommunikation, also wenn Leute sagen: "Mensch, da wird ja nie etwas draus", "Das ist eine bescheuerte Idee" oder "Das haben wir noch nie so gemacht". Solche Killerphrasen sollte man verhindern.
Und Stress ist erwiesenermaßen ein Kreativitätskiller. Wenn Menschen unter Dauerstress sind, wenn sie Ängste haben oder sich kontrolliert fühlen, dann denkt das Gehirn nicht frei und es ist viel schwerer, auf Ideen zu kommen.
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Rückwärtssprecher Bernhard WolffTweet
Sie sind auch als Rückwärtssprecher bekannt. Wozu lernt man sowas?
Das lernt man vor allen Dingen als Kind, ohne sich zu fragen, wozu man es lernt. Kinder – und das ist auch ein Geheimrezept für Kreativität – tun Dinge aus einer intrinsischen Motivation heraus, nur weil sie ihnen Freude bereiten.
Das war bei mir beim Rückwärtssprechen auch so. Als Kind habe ich aus Spaß alles umgedreht – ich fand das spannend und es klang lustig: Ich komme aus Stockelsdorf, rückwärts heißt das Frodslekcots. Das war reiner Spieltrieb.
Erst später habe ich entdeckt, dass ich diese Art zu sprechen auf der Bühne, in meinen Vorträgen über Kreativität als Überraschung und zur Unterhaltung einsetzen kann.
Wie würden Sie Ihr neues Buch rückwärts in einem Satz beschreiben?
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Bernhard Wolff ist als Experte für Kreativität und als "Der Rückwärtssprecher" auf Vortragsbühnen, im Fernsehen und im Radio unterwegs. Er ist Diplom-Wirtschaftspädagoge und Geschäftsführer der Think-Theatre GmbH.