Wo Frauen in Deutschland für sich die größten Probleme sehen – und was Unternehmen und Politik tun sollten.
Es gibt etwa 150 unterschiedliche, teils gesetzlich verankerte Maßnahmen im Kontext von Familie und Arbeit – angefangen bei Rentenpunkten, Recht auf Teilzeit, Recht, wieder Vollzeit zu arbeiten, Elterngeld bis hin zu flexiblen Arbeitszeiten und Wahl des Arbeitsorts. Aber: Wo viele Maßnahmen sind, muss keine familien- und mütterfreundliche Kultur herrschen, können die Karriereziele von Frauen sabotiert und Familienwünsche unterdrückt werden. Das zeigen die Ergebnisse einer neuen Studie der Initiative 5050 by OMR und der Marktforschungsplattform Appinio. Befragt wurden 622 Teilnehmerinnen zwischen 20 und 45 Jahren aus unterschiedlichen Branchen mit Bürotätigkeiten. 45 Prozent der Befragten haben ein oder mehrere Kinder, 30 Prozent leiten ein Team, 78 Prozent ist ihre Karriere eher wichtig bis sehr wichtig.
Auf den ersten Blick: Es wird besser!
83 Prozent der befragten Frauen urteilten, dass ihre Arbeitgeber:innen etwas für die Gleichberechtigung tun, etwa flexible Arbeitszeiten oder Netzwerkmöglichkeiten anbieten.
Auf den zweiten Blick: Vereinbarkeit ist leider Glückssache!
44 Prozent der Befragten schrecken oder schreckten davor zurück, Karriere mit Kind zu machen. Wo sehen sie die größten Probleme? Isabelle Gardt, Geschäftsleiterin OMR und
Co-Gründerin von 5050, ordnet die Zahlen so ein:
"Die Studienergebnisse zeigen – für viele wohl wenig überraschend – dass den befragten Frauen in erster Linie die schwierige Vereinbarkeit (66%) und damit einhergehend eine mögliche Überlastung (56%) Sorge bereiten. Auch mangelnde Wiedereinstiegsmöglichkeiten wurden vielfach (41%) als Problem genannt. Und leider macht die Studie auch deutlich: Die Sorgen sind nicht unberechtigt." Dass Frauen immer noch "Kind oder Karriere" als Gegensatzpaar sehen, ist erschütternd, aber auch realistisch. Das aktuelle Manager-Barometer von Odgers Berndtson, einem Unternehmen für Executive Search, etwa bestätigt die Zahlen: Managerinnen sind häufiger alleinstehend und haben seltener Kinder als ihr Kollegen; Führungspositionen scheinen für Frauen mit Kindern schwerer erreichbar zu sein. Viele Frauen verschieben deshalb zumindest den Zeitpunkt, wann sie Kinder bekommen, weiter nach hinten: 44 Prozent der Frauen ohne Kinder, die aber noch Kinder bekommen möchten, und 36 Prozent der Mütter sagen in der Befragung, dass sie ihre Familienplanung für die Karriere verschoben haben.
Wer Kinder hat, erfährt häufiger Diskriminierung
Die Frauen, die sich für Kinder entscheiden, verlassen den planbaren Weg ihrer Karriere und im Ungewissen warten oft Ablehnung und Herabsetzung. Mehr als jede Dritte gibt an, sie hätte aufgrund ihrer Mutterschaft Diskriminierung erfahren; 37 Prozent sagten, ihnen sei der Wiedereinstieg nach der Elternzeit erschwert worden. Eine bittere Erfahrung für Frauen, ein bitteres Zeugnis für Unternehmen. Was müssten Unternehmen verbessern für Mütter? Isabelle Gardt: "Flexible Arbeitszeiten sind leider nicht ausreichend, wenn Unternehmen Vereinbarkeit ernsthaft sicherstellen möchten. Wer als Arbeitsgeber familienfreundlich sein und Benachteiligung aktiv entgegenwirken will, muss sich immer wieder fragen: Wird Familienfreundlichkeit aktiv (vor)gelebt? Ist das Thema strategisch verankert? Stellen wir sicher, dass der Wiedereinstieg auf gleichem Level reibungslos möglich ist? Ermöglichen wir Führung auch auf Distanz und in Teilzeit? Setzen wir auf Jobsharing? Wie sieht es mit Kinderbetreuung aus? Das sind nur ausgewählte Stellschrauben, die viele Unternehmen bislang allerdings noch nicht ausreichend bedienen."
Was kann die Politik jetzt tun?
Tatsächlich wird gerade die Umsetzung der EU-Richtlinie zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben im Bundestag diskutiert – ein Gesetzesfenster, um Diskriminierung abzubauen. Sandra Runge ist als Rechtsanwältin spezialisiert auf die Rechte von Eltern, in ihrem Buch "Glückwunsch zum Baby, Sie sind gefeuert" (eden Books, 18,95 €) schildert sie, wie drastisch die Diskriminierung ausfallen kann. Zu den Ergebnissen von 5050 und Appinio sagt sie: "Diese Studie stellt erneut unter Beweis: Eltern, vor allem Mütter, werden in der Arbeitswelt systematisch diskriminiert. Aus meiner langjährigen Praxis als Rechtsanwältin kann ich bestätigen, dass der gesetzliche Schutz vor Benachteiligungen unbedingt verbessert werden muss. Dazu zählt vor allem die Einführung eines neuen Diskriminierungsmerkmals Elternschaft/ Fürsorgeleistung in das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz."
Auch Isabelle Gardt findet es sinnvoll, Elternschaft als geschütztes Merkmal aufzunehmen. Was sie sich sonst noch wünscht: "Müssten beide Elternteile Pflichtmonate nehmen, würde die Wahrnehmung von Care-Arbeit und das Bewusstsein des Partners oder der Partnerin für die Arbeit, die täglich geleistet werden muss, steigen. Eine Freistellung des Partners oder der Partnerin für einen bestimmten Zeitraum nach der Geburt würde die Mutter zudem entlasten, da sie sich nicht um Bereiche wie den Haushalt kümmern müsste."
Hier kannst du dir die Studie runterladen.
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