Die Rückkehr in den Job nach der Elternzeit: Das ist für Mütter nach wie vor nicht einfach. Mit welchen Problemen sie zu kämpfen haben, darüber schreibt Marija Latkovic.
Wenn wir uns um nur eine Sache kümmern dürften, dann um diese: Kinderkriegen darf kein berufliches Risiko sein. Autorin Marija Latkovic hat sich durch ein System recherchiert, das für Rückkehrerinnen zwar immer neue Initiativen gebiert, aber immer noch nicht von der Idee abrückt, dass eine gute Mutter am Arbeitsplatz eine ist, deren Muttersein man nicht merkt. Ihr Report zeigt, welche Branchen es Müttern richtig schwer machen, welche neuen Wege Frauen wirklich in den Job zurückhelfen (und sie voranbringen!) und warum Goldman Sachs 2008 einen smarten Plan hatte.
Muttersein ist ein Glück, aber auch berufliches Risiko
Es wird kompliziert. Das ahnt man schon vor der Schwangerschaft, weil man es oft genug erlebt hat bei Freundinnen, Kolleginnen, womöglich auch bei sich selbst. Natürlich freut man sich trotzdem unendlich auf das Kind. Und dennoch, diese Zahlen bleiben im Kopf: dass 39 Prozent aller Mütter im Schnitt nur 20 Stunden pro Woche arbeiten, obwohl viele gern aufstocken würden.
Oder dass sich fast zwei Drittel der Frauen, die nach der Elternzeit an ihren Arbeitsplatz zurückkehren, diskriminiert fühlen: weniger verantwortungsvolle Aufgaben, schlechtere Aufstiegschancen, angekündigte Gehaltserhöhungen, die gestrichen werden. Ja, Muttersein ist ein Glück, aber eben auch ein berufliches Risiko. Doch vor diesem Thema Augen und Ohren zu verschließen ist so ziemlich das Letzte, was man tun sollte. Dafür ist es zu wichtig und die Lage zu unübersichtlich.
Mütter kehren heute schneller zurück - haben aber Probleme mit dem Wiedereinstieg
Gesellschaftspolitische Vorgaben vermischen sich mit ökonomischen Voraussetzungen und individuellen Bedürfnissen. Da ist der nachvollziehbare Wunsch, viel Zeit mit dem Nachwuchs zu verbringen. Da ist eine Arbeitswelt, die es Eltern nicht immer leicht macht. Und da sind mehr als 150 widersprüchliche Familienmaßnahmen, die Frauen suggerieren: "Du darfst selbst entscheiden, ob und wie du in den Beruf zurückkehrst", aber am Ende bloß ein paar mickrige Rentenpunkte für Erziehungs- und Pflegearbeit verteilen.
Aus Sorge um ihre finanzielle Sicherheit, aber auch weil sie ihren Job mögen, kehren Mütter heute schneller in die Berufswelt zurück als früher, 80 Prozent sogar zu ihrem alten Arbeitgeber, hat Daniela Grunow herausgefunden. Die Soziologieprofessorin Soziologieprofessorin erforscht an der Frankfurter Goethe-Universität die Prozesse gesellschaftlichen Wandels. Einer ihrer Schwerpunkte: Elternschaft und die dabei auftretenden Geschlechtsunterschiede. Dass die meisten Mütter formal dort anknüpfen, wo sie aufgehört haben, sei erst mal eine gute Nachricht, sagt die Wissenschaftlerin: "In der Folgezeit wechseln aber viele den Arbeitsplatz. Die Karrieren werden instabiler. Das weist darauf hin, dass es mit dem Wiedereinstieg Probleme gibt."
Wie familienfreundlich sind Unternehmen?
Führungskräfte wollen ihre Leute am liebsten Vollzeit im Büro sitzen haben. Deutschland hat die meisten Überstunden in der Eurozone bei zugleich marginaler Homeoffice-Quote. Wer sich trotzdem Zeit für die Familie nimmt – fast immer eher Mütter als Väter –, kann da nicht mithalten, gilt oft als unengagiert, nicht voll belastungsfähig. Wie übrigens eh gern angenommen wird, dass an Erfahrung und Kompetenzen verliert, wer in Elternzeit geht. Zu maximal anderthalb Jahren raten daher die meisten Personaler. Danach sollte man wieder zurück in den Job, aber nicht in Teilzeit.
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Die erfolgreiche Rückkehr in den Job ist oft Glückssache
Man kann die Vorstellung, auch Eltern sollten die üblichen 45 Jahre voll durcharbeiten, zu Recht absurd finden. Nur hat sie gerade für Frauen, die es anders halten, im Fall einer Trennung reale Konsequenzen. Das Armutsrisiko alleinerziehender Mütter und Frauen im Alter ist hoch – man könnte jetzt auch noch die Zahlen dazu nennen, aber es würde einem nur noch schlechtere Laune machen. Und die hat man sowieso oft genug, wenn es um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf geht, weil stets das Gefühl bleibt: Die erfolgreiche Rückkehr in den Beruf ist meist Glückssache.
Die einen haben neben dem Kitaplatz einen Partner, der sie unterstützt, Vorgesetzte, die sie zurückhaben wollen, und Großeltern in der Nähe. Andere wären froh, wenn nur eine dieser Bedingungen erfüllt wäre. Kommt dann noch die falsche Branche hinzu, ist so gut wie sicher, dass es schwierig wird. In der Verwaltung, im Bildungswesen sowie in Gesundheits- und Sozialberufen stehen die Chancen deutlich besser, hat das Wissenschaftszentrum Berlin in Befragungen mit Müttern und Vätern festgestellt. Besonders familienunfreundlich seien dagegen Handel, Gastgewerbe und Verkehr.
Angebote für Rückkehrer
Dass es aber auch dort anders geht, zeigt zum Beispiel die Otto GmbH. Ungefähr 300 Frauen und Männer kehren bei dem Hamburger Handelskonzern jährlich aus der Elternzeit zurück, zwei Drittel davon sind Mütter. Für sie, aber eben auch für die Väter – das ist den Personalverantwortlichen wichtig –, hat man die Initiative "Eltern in Bestleistung" gegründet. Ein Kontakthalteprogramm während der Elternzeit gehört genauso dazu wie ein Gruppencoaching nach der Rückkehr in den Job: Dort lernt man zum Beispiel, sich von inneren Treibern und Blockaden zu befreien, dieses ganze "Du musst …", "Du darfst nicht …", "Du sollst …". Vertiefende Einzelcoachings, Eltern-Kind-Arbeitsplätze, ein Betreuungszuschuss für jedes Kind, ein Mentoringprogramm, bei dem sich Eltern untereinander austauschen, flexible Arbeitszeiten, Homeoffice: Man tue, was man könne, "trotzdem bleibt es eine Herausforderung für beide Seiten", sagt Ulrike Sophia Andraschak, Projektleiterin Diversity und Talent Management.
"Braucht ein Kind intensivere Betreuung? Gibt es andere Kinder in der Familie? Wie sieht die berufliche Situation des Partners aus? Ist jemand alleinerziehend? Man muss immer abklären, was im Einzelfall passt." Die eine Vorstellung von Vereinbarkeit gibt es nicht in einer Zeit, in der sich Lebensmodelle immer weiter ausdifferenzieren. Und dann sei da noch die rechtliche Situation, ergänzt die Personalerin. Ein Argument, das man von Arbeitgebern oft hört. Mütter, die beispielsweise zwei Jahre Elternzeit einreichen und dann doch nach anderthalb Jahren zurückkehren wollen – das erlebt Ulrike Sophia Andraschak öfter. Sie hat dafür Verständnis, "aber das Unternehmen hat eben auch eine Verantwortung für die Elternzeitvertretung. Also muss man schauen: Wer nimmt jetzt welchen Weg?"
Wiedereinstieg scheitert oft an banaler Bürokratie
Die Freiheit, die Frauen bräuchten, um den Wiedereinstieg für ihr Leben passend zu gestalten, scheitert letztlich oft an banaler Bürokratie. Rein rechtlich ist in Deutschland vieles möglich, etwa mit wenigen Wochenstunden einzusteigen und Stück für Stück aufzustocken. „Die Verwaltung dahinter ist aber so sperrig, dass es für Betriebe nicht leicht ist, so flexibel zu sein, wie vor allem Frauen es bräuchten“, bestätigt Forscherin Daniela Grunow. Während also immer mehr Frauen versuchen, in das noch viel zu starre Korsett hineinzupassen, verzichtet eine kleiner werdende Gruppe ganz oder länger auf die Erwerbstätigkeit. Fast ein Drittel der Mütter mit Kindern unter vier Jahren sind nicht erwerbstätig.
Je länger die berufliche Auszeit dauert, desto schwieriger wird die Rückkehr.
Marija Latkovic über die Rückkehr in den JobTweet
Je länger die berufliche Auszeit dauert, desto schwieriger wird die Rückkehr. Das bekommt aktuell nicht nur, aber vor allem die Babyboomer-Generation zu spüren, Frauen Ende 40, Anfang 50. Als sie ihre Kinder großzogen, war die Scheidungsrate niedrig, die Versorgerehe existierte noch, und man glaubte, sich in Ruhe um die Familie kümmern zu können. Ein Irrtum. Heute versuchen viele dieser Frauen wieder Fuß zu fassen in der Arbeitswelt – die einen, weil sie es wollen, die anderen, weil sie müssen.
Returnship - ein Programm für den Wiedereinstieg
Aber ihre Chancen stehen schlecht. Und ohne Returnship-Programme stünden sie noch schlechter. Viele dieser Programme richten sich schon an Frauen, die mehr als zwei oder drei Jahre aus dem Beruf raus sind. Das Wort Returnship leitet sich übrigens vom englischen internship ab, Praktikum also, was einiges über den Status von Wiedereinsteigerinnen verrät. Trotz jahrelanger Erfahrung arbeiten sie auf Probe, oft drei Monate, manchmal auch länger. Eine Übernahmegarantie gibt es nicht. Die Idee hatte die Investmentbank Goldman Sachs, die 2008 als erste Returnships anbot, die vor allem in den USA und Großbritannien verbreitet sind. Organisationen wie Path Forward und Women Returners unterstützen dort Frauen bei der Rückkehr in den Beruf, bieten Coachings an, vermitteln sie an kooperierende Unternehmen.
Die Erfolge sind nur auf den ersten Blick überschaubar.
Zwar haben bislang gerade mal 50 Frauen das Angebot von Path Forward in New York wahrgenommen, aber 90 Prozent davon arbeiten wieder, und Path Forward wurde erst 2016 gegründet. Das Londoner Pendant Women Returners startete 2012 und hat angeblich schon mehreren Hundert Wiedereinsteigerinnen geholfen, einen Job zu finden. Inzwischen interessieren sich Australien, Neuseeland, Hongkong und Japan für das Programm.
Returnship - Unterstützung von Rückkehrerinnen in GB und den USA
Die Londoner PR-Agentur Golin stellt, neben Women Returners, eine von 30 Returnship-Initiativen in Großbritannien. Seit 2014 unterstützt man hier Rückkehrer aus den Bereichen Medien, Marketing und Kommunikation. Neben einem Returnship im eigenen Haus vermittelt Golin mit einer Personalfirma Praktika für ehemalige Branchenprofis. "Wenn diese fähigen Frauen keinen Platz in der Arbeitswelt finden, ist das nicht nur für sie ein großer Verlust, sondern für die gesamte Wirtschaft", sagt Jane Fordham, Personalchefin bei Golin, die die Initiative von Anfang an begleitet hat. Zahlen, die die OECD ermittelt hat, geben ihr recht: Könnten Frauen im gleichen Maß bezahlte Arbeit leisten wie Männer, läge das Bruttoinlandsprodukt in allen Mitgliedsstaaten um zwölf Prozent höher, auch bei uns.
So gerne Jane Fordham über die Erfolge des Programms spricht – 89 Frauen in drei Jahren, von denen die meisten wieder arbeiten –, so ehrlich ist sie auch, wenn es um die Schwierigkeiten geht, das geringe Selbstbewusstsein vieler Frauen zum Beispiel, das in einem sechstägigen Coaching so weit wie möglich aufgebaut wird. Das weitaus größere Problem folge danach: "Arbeitgeber davon zu überzeugen, diesen tollen Frauen eine Chance zu geben, die nötige Zeit und eine angemessene Bezahlung."
Wiedereinsteigerinnen - das wird bei uns angeboten
Mangelndes Selbstbewusstsein und Vorbehalte auf Arbeitgeberseite – damit kämpfen auch bei uns viele Wiedereinsteigerinnen, ergab kürzlich eine Untersuchung im Auftrag des Bundesfamilienministeriums. Seit 2008 unterstützt die Initiative "Perspektive Wiedereinstieg" des Ministeriums und der Bundesagentur für Arbeit Frauen bei der Rückkehr aus einer längeren Elternzeit oder Erziehungspause. In Kooperation mit Partnern werden bundesweit Beratungen angeboten, kostenlose Fortbildungen, Workshops, aber auch Coachings und Seminare wie die "Summer School" für Gründerinnen oder das Projekt "Comeback – Perspektive Wiedereinstieg" aus Hamburg, wo die Familien mit eingebunden werden, weil eben auch Mann und Kinder mitmachen müssen, wenn Mama zurück in den Beruf will. Auch Jobvermittlung gehört zum Angebot.
In München etwa kooperiert die Frau und Beruf GmbH mit 500 Unternehmen und organisiert dreimonatige Praktika. Das "Netzwerk Wiedereinstieg" aus Darmstadt hilft stattdessen bei der Suche nach potenziellen Arbeitgebern. Langfristig haben Frauen, die diese Initiativen nutzen, eine bessere Chance, wieder zu arbeiten, als Frauen, die es im Alleingang versuchen, ergab die Studie. Aber passende Angebote zu finden benötigt Zeit, und nicht immer gibt es vor Ort eins, das man braucht oder sich wünscht. So wird aus der Rückkehr letztendlich auch schon mal ein Neustart, selbst wenn man eigentlich gern in seiner alten Branche geblieben wäre.
Vereinbarkeit hängt oft von Bedingungen ab, auf die man keinen Einfluss hat
Returnship-Initiativen wie in den USA und Großbritannien würden auch deutschen Frauen womöglich den Wiedereinstieg erleichtern, sagt Soziologin Daniela Grunow: "Noch wichtiger wären politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die gar nicht erst dazu führen, dass Frauen ihren Beruf über Jahre ganz aufgeben oder nur wenige Stunden arbeiten. Orientierungsphasen, wie Returnships sie vorsehen, sollte man in den Wiedereinstiegsprozess beim Arbeitgeber integrieren, was einzelne Betriebe schon tun.“ Dafür bräuchte es eine konsequente Familienpolitik, ein anderes Steuersystem und einen Bewusstseinswandel in der Wirtschaft – Dinge, die man selbst nicht in der Hand hat.
Natürlich können Frauen selbst ein paar Vorbereitungen für den Wiedereinstieg treffen: ihn planen und früh mit dem Partner besprechen, wie die Aufteilung zu Hause dann aussehen muss, Kontakt zum Arbeitgeber halten, eine längere Elternzeit zur Fortbildung nutzen. Aber am Ende steht man immer wieder an dem Punkt, an dem man erkennen muss: Vereinbarkeit, was auch immer das im Einzelfall bedeutet, ist nicht nur eine Frage des persönlichen Engagements, sondern hängt oft an Bedingungen, auf die man keinen Einfluss hat. Das macht das Ringen so mühsam und einen selbst manchmal unendlich mürbe, obwohl man schon vorher ahnte,
dass es kompliziert wird. Vielleicht auch gerade deshalb.