Feminismus mit Altersbeschränkung: Die "Female Empowerment"-Bubble der Instagram-Millennials hat nichts mit Gleichberechtigung zu tun, findet unsere Autorin Susanne Ackstaller – weil Frauen Ü50 darin nicht stattfinden.
Glaubt man Social Media, so haben die Millennials den Feminismus erfunden. "Female Empowerment" heißt das Stichwort, für das vor allem Frauen um die Dreißig gerne gefeiert werden, gelegentlich sogar mit einem Award. Dann stehen junge, schicke Gründerinnen auf der Bühne und werden dafür beklatscht, wie gut sie ihr Leben zwischen Lifestyle-Unternehmen (Interior, Beauty oder was mit Blumen), Kita und Yogamatte auf die Reihe bekommen. Man gratuliert sich gegenseitig zu einem großen Schritt der Frauenbewegung nach vorne und eilt dann zum schnellen Touch-up an die Beauty-Station. Stets instagrammable zu sein, das ist schließlich Teil des Geschäftsmodells.
Das dürfte auch der Grund sein, warum die Altersgruppe 50plus bei diesen Events so selten anzutreffen ist. Wie würden sich dickliche, graugesträhnte Frauen mit Falten, Hängebäckchen und – womöglich! – ungemachten Augenbrauen auch auf Fotos ausmachen? Meistens kann ich über dieses Verständnis von "Female Empowerment" mit seiner selbstverliebten "Wokeness" lachen.
Aber manchmal ist es für mich mit meinen 56 Jahren auch ein Schlag ins Gesicht: Warum wird plötzlich so getan, als wären Feminismus und Gleichberechtigung eine Erfindung der Nullerjahre? Wo bitte wird die Frauen-Generation der Sechziger- und Siebzigerjahre gewürdigt, die die Pille gesellschaftsfähig machte und für Abtreibung und Frauenrechte auf die Straße ging? Wo sind wir Boomer, die wir für eine bessere Kinderbetreuung gekämpft und mit unseren Männern um eine gerechtere Aufteilung von Kind und Karriere gestritten haben? Es ist den Frauen, die heute zwischen 50 und 80 sind, und ihrem Kampf um mehr Gleichberechtigung zu verdanken, dass sich Frauen im Jahr 2022 eben nicht mehr zwischen Familie und Beruf entscheiden müssen und Award-gekrönte Unternehmerinnen überhaupt einen Kita-Platz für ihre Kinder haben!
Für mich stellt diese Art von ostentativem, Zielgruppen-konformem "Female Empowerment" sogar das glatte Gegenteil dessen dar, was es sich auf die Fahne schreibt. Bestärken und Unterstützen von Geschlechtsgenossinnen? Wohl kaum! Eher Age Shaming in Reinkultur, indem jüngere Frauen die älteren geradezu konsequent unsichtbar machen (obwohl man sich ja gleichzeitig so sehr für Diversity stark macht). Sorry, aber perfider und rückwärts gewandter geht’s echt kaum.
Susanne Ackstaller (56) bloggt auf www.texterella.de und schreibt Bücher für die Zielgruppe 50plus. Die Sichtbarkeit von Frauen über 50 ist ihr ein besonderes Anliegen. Auf Instagram ist sie als @textelle unterwegs.
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