Femizid: Tagtäglich erleben Frauen in Partnerschaften Gewalt und werden sogar getötet. Femizid wird oft zu mild bestraft - dank patriarchaler Strukturen. Das muss sich ändern, wird nun gefordert.
Femizid: Mine O. wurde von ihrem Ehemann getötet
Drei Monate lang wurde die 26-jährige Mine O. aus Duisburg vermisst. Anfang Dezember 2019 fand man ihre Leiche in einem Waldstück. Den entscheidenden Hinweis auf die Fundstelle gab der Ehemann - er hatte sie nach einem Streit erwürgt, eine Woche in seinem Auto versteckt und dann im Wald vergraben.
Femizid: Tötungen von Frauen durch den (Ex-) Partner
Eine Partnerschaft einzugehen oder zu beenden ist für Frauen nicht immer ungefährlich, im schlimmsten Fall endet sie, wie für die 26-jährige Mine, mit dem Tod. Jeden dritten Tag wird in Deutschland eine Frau von ihrem Partner oder Ex-Partner getötet und damit Opfer eines Femizids. Nimmt man die Delikte hinzu, wo die Tötung nicht vollendet wird, dann sind es weit mehr.
Partnerschaftsgewalt: es sterben drei mal so viele Frauen wie Männer
2018 wurden in Deutschland laut Bundeskriminalamt 118 Frauen durch partnerschaftliche Gewalt getötet, bei weiteren 206 kam es zu einer versuchten Tötung, die nicht vollendet wurde. Zahlen, die schockieren, vor allem wenn man betrachtet, dass mehr als drei Viertel der Opfer von Partnerschaftsdelikten mit versuchter oder vollendeter Tötung Frauen sind. Erst seit 2015 werden überhaupt Statistiken zu Partnerschaftsgewalt erfasst.
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Gesetzgebung bestraft Partnerschaftstötungen milder als andere
Problematisch ist, dass solche Partnerschaftstötungen häufig milder bestraft werden als andere Morde - wie auch im Fall von Mine O. Der Vorwurf an den Ehemann lautete Totschlag, weil er seine Tat offenbar nicht geplant hatte. "Trennungstötungen werden oft nicht als Mord eingestuft, also als Tat aus niedrigen Beweggründen, sondern als Totschlag", sagte Leonie Steinl, Vorsitzende der Strafrechtskommission des Deutschen Juristinnenbundes, der Süddeutschen Zeitung.
Partnerschaftstötungen weisen auf die strukturelle Unterdrückung von Frauen hin
Ein weiteres Problem bei Partnerschaftstötungen ist, dass solche Delikte in den Medien oft als 'Familiendrama' oder 'Beziehungstat' dargestellt werden, was sie auf eine private Ebene hebt und damit als quasi irrelevant für die Öffentlichkeit einstuft. Dabei weisen diese Taten auf gesellschaftliche Missstände hin, sie zeigen, dass Frauen immer noch strukturell unterdrückt werden und patriarchale Besitzansprüche tief in unserer Gesellschaft verankert sind: "Es ist eine patriarchale Besitzkonstruktion, wenn davon ausgegangen wird, dass der Angeklagte sich dessen beraubt sieht, was er eigentlich nicht verlieren will", so Steinl in der SZ. "Wenn etwas geraubt wird, muss man es zunächst besessen haben."
Terre des Femmes fordert Anerkennung von Femizid
Für die Frauenrechtsorganisation 'Terre des Femmes' geht das deutsche Strafrecht nicht konsequent genug gegen Frauenmörder vor. Die Organisation fordert eine offizielle Anerkennung und Definition von 'Femizid', um der Unterdrückung von Frauen entgegen zu wirken, eine Datenerhebung und Forschung zum Thema, außerdem den "Femizid" als eigenen Straftatbestand.
Petition: Stoppt das Töten von Frauen #saveXX
Terre des Femmes unterstützt auch die Petition Stoppt das Töten von Frauen #saveXX von Prof. Dr. Kristina Wolff, die sich darin direkt an Christine Lambrecht, Bundesministerin für Jusitz und Verbraucherschutz, und Franziska Giffey, Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend wendet.
"Kümmern Sie sich darum, dass das Töten von Frauen endet!"
"Kümmern Sie sich endlich darum, dass das, mittlerweile fast tägliche, Töten von Frauen endet!", schreibt Prof. Dr. Kristina Wolff auf Change.org. Sie fordert einen umfassenden Schutz für Gefährdete, die Einführung des Straftatbestandes "Machistische Gewalt" und eine länderübergreifende Erfassung, Auswertung und Publikation der Daten sowie der daraus resultierenden Maßnahmen, bzw. Ergebnisse.
Rechtsprechung sollte konsequent nach Unrechtsgehalt bestrafen
Die Regierung ist von verschiedenen Seiten aufgefordert, tätig zu werden, um Frauen zu schützen und den 'Femizid' stärker in den Fokus zu bringen. Die Anerkennung der Definition 'Femizid' wird von der Bundesregierung bisher abgelehnt, obwohl sie im Oktober 2017 die Istanbul-Konvention ratifiziert hat, die das Ziel verfolgt, alles Mögliche dafür zu tun, Gewalt gegen Frauen zu verhindern und Betroffene zu schützen, außerdem eine konsequente Strafverfolgung der Täter*innen zu schaffen.
Ob es zu einer Strafverschärfung oder sogar zu einem eigenen Straftatbestand kommen könnte, bleibt also abzuwarten. Leonie Steinl vom Juristinnenbund sieht Femizid als eigenen Straftatbestand als nicht notwendig, ist jedoch der Meinung, dass Partnerschaftstötungen genau so hart wie andere Morde bestraft werden sollten.
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"Was wir brauchen, ist eine konsequente Rechtsprechung dahingehend, dass Trennungstötungen gemäß ihrem Unrechtsgehalt bestraft werden", sagte sie der SZ. "Deshalb fordern wir vom Deutschen Juristenbund zwar keinen eigenen Straftatbestand, im Zweifelsfall aber eine gesetzgeberische Intervention. Das Gesetz sollte gewährleisten, dass Trennungstötungen nicht milder bestraft werden, weil es sich um Taten in einer Partnerschaft handelt."
Tötungen verhindern: Aufklären und, wenn nötig, selbst eingreifen
Damit es gar nicht erst dazu kommt, dass Frauen von (Ex-) Partnern getötet werden, ist es wichtig, solidarisch zu sein, gegen Gewalt aufzuklären und wenn nötig, selbst einzugreifen. Niemand muss Gewalt ertragen und jeder einzelne kann etwas tun.
Was man tun kann, um Betroffenen zu helfen:
- Solidarisch reagieren und zuhören, wenn sich jemand anvertraut. Schuldzuweisung von Betroffenen nehmen: Jemand der Gewalt erlebt, ist nicht selbst Schuld daran!
- Ermutigen, Hilfe zu holen (z.B. Polizei rufen, eine Anzeige erstatten oder per Telefon/im Internet professionelle Hilfe holen) oder selbst Hilfe holen bzw. sich informieren.
- Über das Thema reden und nicht wegschauen oder schweigen, sondern immer wieder klar machen, dass Gewalt in einer Partnerschaft nicht akzeptiert werden sollte, niemals!
- Sich engagieren bei Organisationen, die sich für Frauen einsetzen, die Gewalt erleben.
- Petitionen unterstützen, wie z. B. die Petition Stoppt das Töten von Frauen #saveXX auf change.org.
Was Betroffene tun können:
- Sich trauen, Hilfe zu holen, auch wenn es schwer fällt. Zunächst hilft es vielleicht, sich einem anderen Menschen anzuvertrauen und sich Unterstützung zu holen.
- Geschlagen, gestoßen, verprügelt oder mit Waffen bedroht zu werden ist nicht normal und sollte nie akzeptiert werden! Menschen, die anderen Menschen so etwas antun bzw. androhen, machen sich strafbar und müssen angezeigt werden.
- Für Gewalt, die man erlebt, trägt man selbst keine Schuld. Schuld hat derjenige, der gewalttätig wird.
- Wenn es einmal passiert, wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit wieder passieren. Gerade wenn Kinder involviert sind, sollte man Hilfe holen und die Situation nicht hinnehmen.
- Das kann auch bedeuten, dass man denjenigen räumlich verlassen muss und entweder zu Verwandten/Freunden geht, denen man vertraut oder in einem Frauenhaus Schutz sucht.
Betroffene, die Gewalt erleben oder erlebt haben, können sich an das bundesweite Hilfetelefon wenden. Unter 08000 116 016 und per Online-Beratung auf www.hilfetelefon.de berät das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" rund um die Uhr - anonym und kostenfrei.