Im Soßenbinder, Krautsalat und Cappucino, ja sogar in Wurst und Pizza – überall steckt Zucker drin. Wie du im Alltag auf Süßes verzichten kannst, um dich wieder fitter zu fühlen – das verrät uns Andrea Ballschuh, Autorin des Buches "Zucker is(s) nicht".
25 Gramm Zucker – das empfiehlt die Weltgesundheitsorganisation (WHO) für unseren Zuckerkonsum am Tag. Um sich das besser vorstellen zu können: 25 Gramm sind ungefähr acht Stück Würfelzucker.
Tatsächlich überschreiten wir diese Empfehlung um einiges bzw. um viele Stücke. Denn im Durchschnitt essen wir ungefähr 33 Stück Würfelzucker über den Tag verteilt. Das sind rund 100 Gramm und die passen in eine Kaffeetasse. Pro Kopf macht das im Jahr ungefähr 36 Kilogramm Zucker.
Doch auf Industriezucker zu verzichten, ist gar nicht so einfach. Denn er ist so ziemlich in jedem Lebensmittel enthalten, manchmal eben nur gut getarnt. Das haben auch diese beiden Frauen erfahren: Autorin Andrea Ballschuh hat mit Mentalcoach Fabienne Bill das Buch "Zucker is(s) nicht!" geschrieben. Beide haben eine 90-Tage-Challenge ohne Zucker hinter sich - wir haben sie gefragte, wie es ihnen dabei ging und welche Tipps sie für den Zuckerverzicht haben.
EMOTION.DE: Ich stelle es mir wahnsinnig schwer vor, so gut es geht zuckerfrei zu essen. Ist das wirklich so oder suche ich nach einem Vorwand, es nicht zu versuchen?
Andrea Ballschuh: Vor der Challenge dachte ich auch, es würde unglaublich schwer werden. Denn ich war wirklich zuckersüchtig. Aber Ich mache die 90-Tage-zuckerfrei-Challenge mit meiner Co-Autorin Fabienne Bill und vielen Mitstreitern unserer Facebookgruppe "Zucker is(s) nicht" nun schon zum 3. Mal und es ist leichter, als man denkt. Das hat mich selbst überrascht. Schon nach einer Woche ohne Zucker hat man keine Heißhungerattacken mehr, weil es keine Blutzuckerschwankungen mehr gibt.
Grob gesagt: Wenn man auf Fertigprodukte verzichtet, ist es leicht, Zucker aus dem Weg zu gehen.
90 Tage ohne Zucker – wie kamen Die dazu, sich dieser Challenge zu stellen?
Auslöser war die Diagnose meines Arztes: Fettleber – verursacht durch zu viel Zucker und Fruktose – und suboptimale Cholesterinwerte. Dann kam Fabienne Bill auf mich zu und forderte mich mit der 90-Tage-Challenge heraus. Sie hatte so eine Wut auf die die Industrie, die so viele Lebensmittel mit zu viel Zucker "verseucht", vor allem auch Kinderprodukte.
Sie verzichtete komplett auf jegliche Ersatzstoffe, ich süßte noch mit Reissirup und Erythrit. Fabienne dachte in den ersten zwei Wochen rund um die Uhr an Essen. Ich stürzte mich dagegen statt auf Schokolade auf (zuckerfreies) Knäckebrot mit Cashewmus.
Wie ging es Ihnen dabei?
In den ersten Tagen hatten wir beide Entzugserscheinungen wie Kopfschmerzen, Händezittern und Müdigkeit. Aber bald ging es uns deutlich besser. Wir hatten mehr Energie und endlich keine Heißhungerattacken mehr.
Wenn man auf Fertigprodukte verzichtet, ist es leicht, Zucker aus dem Weg zu gehen.
Andrea Ballschuh, AutorinTweet
Ihr Buch soll mir dabei helfen, mir selbst und meinen Entscheidungen wieder mehr zu trauen. Was hat das mit meinem Zuckerkonsum zu tun?
Wir alle entwickeln Routinen. Routinen helfen uns die Anzahl der Entscheidungen, die wir täglich treffen, zu reduzieren. Während Zähne putzen eine Routine ist, die wirklich Sinn macht, haben wir gerade rund um den Zucker Routinen entwickelt, die uns gar nicht gut tun. Der Abend auf dem Sofa ist nur 'gut' mit einer Tafel Schokolade. Oder am Morgen braucht es den Nougataufstrich, zum Start in den Tag.
Fabienne Bill hilft im Mind-Set-Up-Teil des Buches, sich seiner Routinen und Überzeugungen überhaupt mal wieder klar zu werden. Es geht darum, herauszufinden, was der wirkliche Impuls ist. Diesen zu hinterfragen, führt zwangsläufig dazu, dass wir uns bewusst anders entscheiden. Nach 90 Tagen ist es dann nicht mehr der Hieper, sondern Du entscheidest Dich für den Genuss und tust Dir somit etwas Gutes.
Du hast gelernt, Dich selbst wieder mehr zu spüren und Deinen Entscheidungen zu vertrauen.
Zu viel Zucker kann richtig gefährlich werden. Unser Herz kann beispielsweise geschädigt werden und er lässt sogar das Gehirn schrumpfen. Warum fällt uns der Verzicht trotz dieses Wissens so schwer?
Warum rauchen Raucher, obwohl sie wissen, dass sie davon Lungenkrebs bekommen können? Es ist eine Sucht, der sie sich ausgeliefert fühlen. Es entspannt sie und hilft ihnen bei Stress. Vermeintlich. So ist es auch mit Zucker. Er aktiviert im Gehirn die gleichen Suchtzentren wie Alkohol und Drogen. Durch den Konsum von Zucker steigt der Dopaminspiegel im Belohnungszentrum, es werden Glücksgefühle ausgelöst. Kurzfristig wirkt Zucker also beruhigend und entspannend. Deshalb essen viele etwas Süßes, wenn sie traurig sind oder Stress haben.
Gerade im Büro greifen wir ja schnell mal zu allen möglichen Zuckerfallen, um unseren Heißhunger nach Süßem zu stillen. Gibt es gesunde Alternativen zur verführerischen Snackbox?
Wer auf Zucker verzichtet, hat wegen des konstanten Blutzuckerspiegels auch keinen Heißhunger mehr und braucht keine süßen Snacks. Es ist sowieso gesünder, sich auf die drei Hauptmahlzeiten zu beschränken. So hat der Körper genug Zeit, das Essen zu verdauen und zu verwerten. Am gesündesten ist es daher, auf Snacks zu verzichten. Wenn es gar nicht anders geht, kann man Nüsse essen oder einen Naturjoghurt mit etwas Zimt oder Obst.
Kann ich im Alltag zuckerfrei essen, ohne riesen Aufwand zu betreiben und immer selbst kochen zu müssen?
In vielen Broten ist zwar Zucker, aber es gibt immer mehr Bäckereien, die Vollkornbrot ohne Zucker anbieten. Man kann Marmelade mit Xylith essen oder sich Haferflocken mit Milch aufkochen, mit Vanille und Zimt süßen und Obst dazu essen. Mittags in der Kantine verzichtet man auf die Soßen und mischt sich das Dressing selbst mit Essig und Öl. Genau das gleiche abends im Restaurant. Man sagt dem Kellner, dass man auf Zucker verzichtet und fragt, welche Gerichte in Frage kommen.
Mit solchen Angaben wie "zuckerarm, zuckerfrei, ohne Zuckerzusatz" macht es uns die Lebensmittelindustrie nicht gerade leicht. Kann ich denn in einem durchschnittlichen Supermarkt überhaupt zuckerreduziert einkaufen? Geht das?
Ich gehe fast ausschließlich im normalen Supermarkt einkaufen. Nur Reissirup und Erythrit kaufe ich woanders. Es gibt auch in normalen Supermärkten schon Senf ohne Zucker, Sojasauce ohne Zucker und auch Brot ohne Zucker.
Hand aufs Herz: Wird mir der Zucker fehlen, wenn ich Rezepte aus Ihrem Buch ausprobiere?
Wenn Sie das Mousse au Chocolat oder die Haselnusscreme aus unserem Buch mal probiert haben werden Sie nie wieder eins mit Zucker essen wollen – es ist so cremig und süß durch die Datteln. Es schmeckt sensationell, das hat mich selbst überrascht. Auch der Käsekuchen schmeckt mit Erythrit so gut, dass Sie nichts vermissen werden.
Hier findest Du drei zuckerfreie Rezepte wie zum Beispiel die Haselnusscreme aus dem Buch "Zucker is(s) nicht".
Was sind die fiesesten und wirklich überraschendsten Zuckerfallen?
Ich wusste vor der Challenge nicht, dass Zucker in Krautsalat, Heringssalat, Wurst, Pizza und in Cappuccino ohne Zuckerzusatz steckt. Auch dass er in Rotkohl, Rote Beete im Glas und in Soßenbindern enthalten ist, hat mich überrascht. Auch im meisten Brot steckt industrieller Zucker.
Ihre drei besten Argumente für eine 90-Tage-zuckerfrei-Challenge?
- Durch die Challenge kann man sich von seiner Zuckersucht befreien, ist nicht mehr Sklave seiner Sucht und hat endlich keine Heißhungerattacken mehr.
- Man bekommt mehr Energie, kann klarer denken, besserer Schlaf, hat keine Blähungen mehr, dafür ein schöneres Hautbild.
- Durch das neue Bewusstsein für Lebensmittel und erst den Verzicht, später die Reduzierung von Zucker, bleibt man gesünder. Die Infektanfälligkeit lässt nach, das Risiko, an Typ-2-Diabates, Schlaganfall und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu erkranken, wird deutlich reduziert.
Andrea Ballschuh (links) ist Moderatorin beim ZDF, hr-Fernsehen und mdr und im Radio bei SWR1 Rheinland-Pfalz. Sie ist Mutter einer Tochter. Um wieder Energie aufzutanken, geht sie nicht ins Fitnessstudio oder meditieren, sondern gärtnert.
Fabienne Bill (rechts) lebt ihre Berufung als Facilitator, Mental- & Team Coach. 14 Jahre Vertriebs- und Strategieentwicklung in einem internationalen Umfeld und diverse Coaching Aus- und Weiterbildungen sind die Basis für ihr gutes Gespür der Herausforderungen von Menschen, in- und außerhalb von Organisationen. Die Wahl-Mainzerin ist Mutter einer Tochter, liebt Kochen, Yoga und Tennis.