Führung als Machtspiel, in dem einer befiehlt und der andere blind zu folgen hat. Das geht auch anders.
"Ich Chef, du nix!" Tassen in diesem Design bevölkern die Schreibtische vieler Büros. Dieser lustige Spruch mit traurigem Beiklang bringt zum Ausdruck, wie Mitarbeiter Führungskräfte oft empfinden: übermächtig, bedrohlich und hart. Wer so seinen Chefstatus kompromisslos auslebt, verkennt, dass Macht und Führung zwar eng verzahnt sind. Dabei kann man Teams weitaus wirksamer, verträglicher und erfolgreicher führen. Denn wie man führt, hat entscheidenden Einfluss auf das Betriebsklima, den Leistungswillen und die Ergebnisse des Unternehmens.
Also doch lieber Kuschelkurs? Lieber nicht – denn ob Zuckerbrot oder Peitsche: Beides nutzt sich ab und führt am Ende zu Performanceschwund. Die Wahrheit liegt in einer klug ausbalancierten Mischung aus Sympathie und Respekt. Diese Balance ist nicht leicht zu handhaben, speziell für Frauen. Wie gelingt es, zugleich authentisch und wirkungsvoll, ohne vordergründig autoritär zu sein?
Eine Analyse der vier möglichen Statussituationen im Management zeigt, was funktioniert.
Der Status entscheidet
In der Auseinandersetzung mit wirkungsvoller Führung, ist man von den vielen Theorien und Schulen, die sich als Nonplusultra verkaufen, schnell überfordert. Frauen, die natürliche Autorität suchen, finden einen besonders frischen und tiefgehenden Ansatz im Improvisationstheater mit seinem eigenen Statusmodell.
Dieser Ansatz basiert auf dem Gedanken, dass jede menschliche Begegnung die Statusfrage aktiviert: Wer grüßt wen zuerst? Wie ist der Umgangston zwischen beiden, und welches sonstige Verhalten legen sie an den Tag? Hier kommen eine ganze Reihe verbaler und nonverbaler Signale ins Spiel, wie beispielsweise Blicke, Körperhaltung, Gestik und Mimik oder der sprachliche Ausdruck.
Wichtig zu wissen: In jeder Konstellation gibt es immer einen Stärkeren (im Hochstatus) und einen Schwächeren (Tiefstatus). Im Führungsalltag existieren statusbezogen noch zwei weitere Dimensionen, sodass das Modell insgesamt vier verschiedene Manager-Typen umfasst:
- Innerlich Tiefstatus, äußerlich Tiefstatus: eine Person, die Unterlegenheit demonstriert und Kontrolle abgibt. Sie strebt nach Sympathie um jeden Preis, ihr liegt wenig am Respekt der anderen – ein typisches Mobbing-Opfer.
- Innerlich Tiefstatus, äußerlich Hochstatus: zeigt nach außen bewusst Überlegenheit, ist jedoch im Inneren unsicher und wird angesichts einer Statusbedrohung nervös. Ein Verhalten, mit dem man weder Respekt noch Sympathie erreicht. Dieser Typus ist der heimlich belächelte Chef, den keiner so richtig ernst nimmt.
- Innerlich Hochstatus, äußerlich Hochstatus: bringt Überlegenheit zum Ausdruck und übernimmt Kontrolle. Hier gilt die Maxime: Gewinnen um jeden Preis. Sympathie ist nicht wichtig, Respekt besitzt hohen Stellenwert. Solche Personen werden vom Umfeld als Zumutung empfunden.
- Innerlich Hochstatus, äußerlich flexibler Status: Eine Führungskraft, die innerlich gefestigt und (selbst-)sicher ist; in der Lage, spielerisch mit Situationen umzugehen. Das Resultat zählt, nicht der Machtkampf. Dieser Chefin und diesem Chef gelingt das Kunststück, gleichzeitig sympathisch zu sein und natürlichen Respekt auszustrahlen. Dieser Zustand ist das Ziel.
Bei allem Respekt – wollen wir nicht doch lieber gemocht werden?
Der Faktor Respekt ist für erfolgreiche Führung von entscheidender Bedeutung – und demzufolge im Statusmodell zentral. Frauen, die sich Respekt verdienen, befinden sich im Hochstatus und erfüllen die Grundvoraussetzungen für eine Chefrolle. Viele jedoch empfinden es als unangenehm, sich Respekt zu verschaffen. Die Wurzeln hierfür liegen oft in der Kindheit. Wurden Mutter oder Vater als herrschsüchtig erlebt, kann dies bis weit ins Erwachsenalter angemessenes Auftreten inklusive der erforderlichen Durchsetzungsfähigkeit verhindern.
Derartige Erfahrungen verführen dazu, unbewusst um Sympathien zu buhlen und gemocht zu werden, was immer es kostet. Doch wer nimmt einen solchen "Leader" wirklich ernst? Wie bereits in der Typen-Übersicht angedeutet, weist das Improvisationstheater einen anderen, erfolgsträchtigeren Weg, beide Komponenten geschickt zu verbinden – respektiert zu sein und sympathisch rüberzukommen. Im Ergebnis einer so verstandenen Führung klappt die Zusammenarbeit besser, Leistung und Motivation steigen, das Team aus einem Guss wird kreativ beflügelt.
Chef werden lässt sich lernen
Natürlich lässt sich auch außerhalb des Impro-Theaters am bestmöglichen Status arbeiten. Mit seiner Unterstützung jedoch bekommen Führungskräfte spielerisch und ernsthaft zugleich einen besonders schnellen und tiefen Zugang zu ihren Motiven – und damit den Schlüssel für eine Verhaltensänderung in die Hand.
Wichtig: Die Hoch-Tief-Konstellationen sind nicht starr, sondern dynamisch – und jederzeit veränderbar. Entscheidend ist in allen Fällen, dass man nach der Methode "Erkenne dich selbst!" sein Verhalten ergebnisoffen hinterfragt. In den Statusspielen des Improvisationstheaters werden alle denkbaren Chefrollen ausgiebig getestet und durch neue Verhaltensstrategien ersetzt.
Menschen im Hochstatus kontrollieren unter anderem den Raum um sich herum. Sie stehen entspannt, offen und aufrecht, die Füße schulterbreit. Ihre Bewegungen sind flüssig, aber ohne Hast und entschlossen. Jede Bewegung strahlt Bedeutung aus. Der Blickkontakt wird gehalten, solange es nötig ist. Ein Niederschlagen der Augen wird vermieden. Die Stimme verfügt über ein volles Timbre, die Sprache ist sicher. Wer den Hochstatus spielt, reagiert nicht auf Zuruf. Er lässt warten, ohne den anderen zu missachten.
Den inneren Kompass ausrichten
All das und mehr kann und sollte man üben. Das Ziel dabei lautet aber nicht, sich einige geschickte Chef-Gesten anzutrainieren, um seine Mitarbeiter "mächtig" zu beeindrucken. Vielmehr steht im Fokus, etwas über sein eigenes Macht- und Statusverhalten und dessen Auswirkungen zu erfahren, um auf dieser Grundlage eine wesensgemäße innere Haltung zu der Macht zu entwickeln, die einem vom Unternehmen gegeben ist. Denn die Praxis beweist, dass nachhaltiger Erfolg nur dem zufällt, der seinen Status von innen heraus lebt.
Zusammengefasst: Wer die richtige Einstellung zur "Machtfrage" hat, kann auf effekthaschende Taschenspielertricks verzichten und handelt seinem Wesen entsprechend führt authentisch. Die innere Haltung ist wie ein Kompass, der den Chef in jederzeit klar auf Kurs hält und dem Team dauerhaft wertvolle Orientierung bietet. Eine solche Richtschnur ist unverzichtbar, um mehr zu sein als bloß ein gefürchteter Revierhirsch – nämlich eine vorbildliche Führungs-Kraft.
Vaya Wieser-Weber ist seit 2001 auf Persönlichkeitsentwicklung und Emotionskompetenz spezialisiert. Mit ihrem Unternehmen entwickelte sie eigene Trainingsprogramme zu emotional intelligenter Führung sowie Führungsprogramme zu den Themen Macht und Verhaltensflexibilität in Kooperation mit dem Improschauspieler, Autor und Moderator Ralf Schmitt.
Mehr Infos unter: www.vayawieser-weber.com