Besonders Frauen lassen häufig lieber die Finger von Aktieninvestments, weil die Risiken ihnen unheimlich sind. Dabei muss das nicht sein, meint Anlageexpertin Caroline Bell von Vanguard. "Eine Geldanlage ist dazu da, das Leben komfortabler zu machen. Stress sollte sie nicht verursachen", sagt sie. Wie das geht? Erklärt sie uns im Interview.
Aktien sind nicht ohne Risiko. Wie du das aushältst? Indem du ein Investment wählst, das genau die richtige Portion Risiko für dich beinhaltet. Dazu musst du dich gut kennen und herausfinden, womit du dich wohlfühlst. Caroline Bell vom Finanzdienstleister Vanguard ist seit 30 Jahren Anlageberaterin. Sie möchte Frauen ermutigen, bei der Geldanlage selbstbewusster zu sein. Wir haben mit ihr darüber gesprochen, was sich aus ihrer Sicht ändern muss, damit Frauen sich an den Kapitalmarkt heranwagen und wie sie dabei vorgehen sollten.
Brauchen Frauen eine andere Form der Geldanlage?
Caroline Bell: Ich stolpere häufig über sogenannte "Pink Investments", aber halte sie letztendlich für unnötig. Frauen brauchen keine eigene Form der Geldanlage. Unterschiede gibt es eher dabei, wie Frauen und Männer investieren. Tatsächlich sind Frauen oft die besseren Anleger:innen. Das hat aber weniger mit Anlageprodukten als mit ihrem Verhalten zu tun. Wer Geduld hat, erzielt häufig bessere Renditen. Studien haben gezeigt, dass Frauen in der Regel geduldiger sind.
Caroline Bell ist Wealth Planning Specialist beim Finanzdienstleister Vanguard in Deutschland. Sie hat seit mehr als 30 Jahren Erfahrung als Anlageberaterin in Australien, Großbritannien und Deutschland. In Australien gründete sie ihre eigene Anlageberatungsfirma, dann eine weitere in in Deutschland. Ihr liegt besonders am Herzen, Frauen mehr finanzielles Selbstbewusstsein zu verleihen. Ihre Anstrengungen in Sachen finanzielle Bildung mit dem Ziel, die Finanz- und Anlageberatung einem größeren Publikum zugänglich zu machen, wurden in Australien mit Preisen ausgezeichnet.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich Frauen auch mehr Zeit nehmen, eine Anlagelösung wirklich zu verstehen, bevor sie investieren. Dadurch sind sie sicherer in ihrer Entscheidung. Das zahlt sich vor allem aus, wenn die Märkte fallen – und das passiert unweigerlich irgendwann. Frauen fällt es in dieser Situation deutlich leichter, bei ihrer Strategie zu bleiben. Das ist so viel besser, als sich auf Renditejagd zu begeben oder Trends hinterherzulaufen.
Welche Grundprinzipien sollten Anleger:innen beachten?
Es lohnt immer, sich im Klaren darüber zu sein, warum man Geld anlegt. Für manche mag das Ziel ein komfortabler Ruhestand sein, andere wollen ein Eigenheim kaufen, wieder andere für ihre Kinder vorsorgen. Ziele verändern sich zwar im Laufe des Lebens, aber solange man sich über das Warum klar ist, kann man bessere Entscheidungen zum Wie treffen.
Diese Fragen solltest du dir als Anlegerin stellen:
- Wie viel habe ich schon für mein Ziel angespart und wie viel brauche ich? Miss jedes Jahr deinen Fortschritt!
- Wann brauche ich das Geld für mein Ziel? Daraus kannst du ableiten, ob du langfristig oder eher kurz- bis mittelfristig investierst. Je nach Anlagehorizont kannst du ausloten, ob deine Geldanlage eher konservativ gestaltet sein sollte (etwa mit schwankungsarmen Anleihen) oder ob du genug Zeit hast, um Marktschwankungen auszusitzen und (etwa mit Aktien) etwas größere Risiken einzugehen.
Wie komme ich mit Risiken zurecht?
Bei der Geldanlage muss man sich selbst mindestens so gut kennen wie die Märkte. Dazu gehört es zu wissen, wie man mit Risiken umgeht. Frage dich deshalb: Wie fühlst du dich bei dem Gedanken, dass der Wert deines Portfolios schwanken kann, manchmal sogar deutlich?
Bei der Geldanlage muss man sich selbst mindestens so gut kennen wie die Märkte.
Finanzexpertin Caroline BellTweet
Für viele neue Anleger:innen ist es sinnvoll, mit einem eher konservativen Portfolio zu starten und den Anteil an meist stärker schwankenden Aktien dann langsam zu erhöhen. Denn am Aktienmarkt ist es wie bei den meisten Dingen im Leben: Je mehr Erfahrung du gesammelt hast, desto mehr steigt dein Selbstvertrauen. Du lernst, auch mit turbulenten Marktphasen umzugehen.Jede:r sollte nachts ruhig schlafen können. Eine Geldanlage ist dazu da, das Leben komfortabler zu machen oder Pläne zu verwirklichen. Stress sollte sie nicht verursachen. Schon gar nicht solltest du nachts aufwachen und besorgt über Schwankungen deines Portfolio grübeln.
Dazu gehört, immer realistisch zu bleiben. Mein eigener Vater ist ein gutes Beispiel: Er hielt sich für einen risikobereiten Anleger, obwohl ein Fragebogen ein eher konservatives Anlegerprofil gezeigt hatte. Als die Märkte einmal fielen, verfiel er in Panik und wollte alles verkaufen. Er hatte seine Einstellung zu Risiken nicht realistisch eingeschätzt. Das ist übrigens ein weiterer Punkt, in dem sich Frauen und Männer oft unterscheiden.Es gibt eine Reihe digitaler Angebote, die Anleger:innen dabei helfen, ihre Risikoneigung zu bestimmen.