Lena Jüngst hat sich das Produkt der Stunde ausgedacht: Sie ist Chief Evangelist und Co-Gründerin von air up, dem duftbasierten Trinksystem, deren Flaschen gerade überall sind. Die Gründerin ist auch eine der Speakerinnen beim Female Future Festival am 27. Oktober in München. Wir verlosen Tickets dafür.
Sie haben neulich geschrieben: "Ich will kein Role-Model sein." Was meinten Sie damit?
Bei air up sind wir fest davon überzeugt, dass disruptives Denken und ein Hinterfragen des Status Quo zu neuen, verantwortungsbewussteren Lösungen führen. Think New – also Dinge komplett neu zu denken – ist hier das Stichwort. Und zwar nicht nur als Unternehmen, sondern auch auf individueller Ebene. Nicht alten Mustern folgen oder andere Leute nachahmen, sondern den eigenen Weg gehen. Und dabei gibt es keine Tabus. Alles kann und sollte in Frage gestellt werden, denn nur so sind positive Veränderungen möglich.
Lena Jüngst gibt ihre Erfahrungen gerne weiter. Sie ist am 27. Oktober eine der Speaker:innen beim Female Future Festival in München, einer Konferenzreihe für Frauen, die auch in Wien und Graz Station macht. Übrigens auch in München dabei: EMOTION-CEO Kasia Mol-Wolf und Astrid Zehbe, eine unserer finanzielle-Chefredakteurinnen. Das ganze Programm gibt's hier.
Du möchtest live dabei sein und 2 x 2 Tickets gewinnen?
Ich habe das Gefühl, dass man heute zu oft nach links und rechts sieht und sich mit anderen vergleicht, wenn man Entscheidungen für sich selbst trifft. Allerdings muss das, was sich für andere sich als gut und richtig herausgestellt hat, nicht zwangsweise auch das Richtige für einen selbst sein. Das kann nicht nur schnell zu Unzufriedenheit führen, sondern auch dazu, dass Rollenbilder häufig kopiert und nicht überdacht werden.
Das ist auch der Grund, wieso ich gesagt habe, dass ich kein Role Model sein will: Schließlich hat jede:r eine eigene Vision, hinterfragt andere Dinge und hat andere Ideen. Unterschiedliche Ideen und Denkweisen führen zu den besten Ergebnissen. Ich würde mir deshalb für die Leser:innen wünschen, dass sie ihre Energie in die Suche nach ihrem eigenen Weg investieren. Klar, Vorbilder können auf dem Weg inspirieren, sollen aber nicht dazu führen, dass fremder Personen Bedürfnisse nachjagt wird und man schlimmstenfalls die eigenen gar nicht mehr (er)kennt.
Sie werden auf dem Female Future Festival über "Dream it, wish it, do it – Wenn Gründer:innen-Ideen wahr werden" sprechen. Träumen, Wünschen, Handeln - was war für Sie am wichtigsten?
Für mich war persönlich immer das Träumen das Wichtigste und sicher auch der Schlüssel für unsere Gründung. Ich habe auch definitiv ein stärkeres Talent dafür, Visionen zu entwerfen als diese innerhalb kürzester Zeit umzusetzen. Aber da hat jede:r unterschiedliche Veranlagungen und jeder Punkt kann der Einstieg in den eigenen Traum sein – unabhängig davon, ob man da beim Traum selbst oder in der Umsetzung beginnt. Das ist letztendlich "wurst", denn alles kann zu einem sinnvollen Ergebnis führen.
In unserem Produktdesign-Studium hatten mein Co-Gründer Tim und ich erstmal die Idee, das Phänomen des retronasalen Riechens – also Geschmacksübertragung nur durch Duft – für uns zu nutzen. Ziel war es, Menschen dabei zu helfen, ihren Bedarf an Flüssigkeit genussvoll zu decken. Der Traum, unsere Innovation vielen Menschen zugänglich zu machen, war geboren – und entsprechend auch der Wunsch des eigenen Start-ups. Hätten wir zu dieser Zeit nicht die wunderbaren Menschen kennengelernt, die unsere Vision teilten, wäre es sicher auch nur bei einem Traum geblieben. Sie waren es, die uns mit ihrer Expertise dabei geholfen haben, einen Businessplan zu entwickeln und schließlich ein Unternehmen zu gründen.
Wenn Sie sich mit anderen Gründerinnen austauschen – in welchem Feld zögern Frauen am ehesten, beim Träumen, Handeln oder Wünschen?
Hm. Schwierige Frage. Es ist immer nicht leicht, so etwas zu verallgemeinern. In meinem persönlichen Umfeld habe ich erlebt, dass Frauen oft weniger risikofreudig sind. Das könnte auch ein Grund dafür sein, wieso statistisch gesehen weniger Frauen gründen. Denn an Ideen, Träumen und Wünschen fehlt es ihnen sicherlich nicht. Ich würde behaupten, dass Frauen genauso träumen, handeln und wünschen, aber die Selbstständigkeit für sie einfach eine weniger präsente Option ist als die, in ein großes Unternehmen zu gehen. Ich glaube, dass Männer – und hier gibt es natürlich auch Ausnahmen – vergleichsweise eher dazu tendieren, einfach zu machen und sich auszuprobieren. Für alle, die zögern, habe ich aber eine Empfehlung: Holt Euch Unterstützung ins Boot, um so viele unterschiedliche Erfahrungen und Expertisen wie nur möglich in einem Team zu bündeln. Genauso wie wir auch bei air up davon profitiert haben – von der gegenseitigen Motivation, den unterschiedlichen Perspektiven und dem Know-how!
Vor air up habe ich aber nie über eine Gründung nachgedacht. Der Wunsch dazu reifte erst, als wir das Projekt weiter ausgearbeitet haben. Ehrlich gesagt hat das Gründen auch nicht nur Vorteile – entsprechend muss man auch erst einmal für sich selbst herausfinden, ob das überhaupt etwas für einen ist. Mich hat es vor allem in der ersten Zeit sehr viel Kraft gekostet. Rückblickend kann ich aber voller Stolz sagen, dass es sich absolut gelohnt hat! In keinem Job könnte ich mehr träumen, als ich es heute tue.
Ihr Unternehmen erlebt gerade die US-Markteinführung, zu Ihren Investor:innen gehört Ashton Kutcher – denken Sie nicht manchmal, Sie würden tatsächlich träumen?
Natürlich – und das ist auch wunderbar so. Bei uns ging in den vergangenen Jahren alles sehr schnell. Erst 2018 haben wir Investor:innen für unser Start-up gefunden und 2019 wurde die Serienproduktion des Startersets in die Wege geleitet. Das ist also eine ziemlich kurze Zeit, in der wahnsinnig viel passiert ist.
Wir haben fast 300 Mitarbeiter:innen, air up gibt es mittlerweile in zehn Ländern – seit ein paar Monaten auch in den USA. Unser Umsatz ist enorm gewachsen, wir haben weitere Finanzierungsrunden hinter uns und mittlerweile über zwei Millionen Kund:innen. Wir erweitern zudem kontinuierlich unser Produktsortiment und unsere Geschmacksrichtungen. Auf mich wirkt das oft immer noch wie ein Traum!
Sie sind heute Chief Evangelist und Geschäftsführerin, aber nicht CEO Ihres Unternehmens. Wie unterscheiden sich diese Rollen für Sie?
Der Titel Chief Evangelist ist in der Tat etwas abstrakt, aber er schien uns passend, um meine Rolle bei air up zu beschreiben: Insgesamt arbeite ich an der DNA des Unternehmens, an der Marke und der Produktvision. Gleichzeitig habe ich aber auch die Aufgabe, unsere Unternehmensphilosophie nach außen zu kommunizieren und leite das Corporate Communications/PR Team. Die Initialzündung für den Posten als Chief Evangelist gab damals die Tatsache, dass ich lieber kreative Arbeit leisten wollte. Die CEO-Aufgabe ist klassischerweise eng an die Finanzplanung des Unternehmens gebunden. Zum Glück muss ich mich damit heute nicht so viel auseinandersetzen (lacht): Das übernehmen meine großartigen Kollegen.
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