Verbitterung kann entstehen, wenn wir uns betrogen, gedemütigt und enttäuscht fühlen. Wie kommt man wieder raus aus der Kränkung?
Wie entsteht Verbitterung?
Wir reagieren unterschiedlich auf negative Erfahrungen. Während die eine scheinbar mühelos Rückschläge verarbeitet und ein Ausbund an Resilienz zu sein scheint, kann die andere Kränkungen kaum ertragen. Verbitterung kann dann entstehen, wenn wir mit Rückzug, Abkapselung und Verhärtung reagieren.
Problem: Die Opferhaltung
Andere sind schuld an der misslichen Lage. Verbitterung ist immer verbunden mit einer Opferhaltung. Jedes weitere negative Erlebnis gilt als Bestätigung für die Misere und positive Gefühle können gar nicht mehr ins Bewusstsein dringen. Manchmal reagieren Verbitterte sogar mit Wut und Hass auf andere, denen es besser geht. Auch im Austausch mit anderen werden konstruktive Ratschläge nicht mehr angenommen. Ein fataler Isolationsprozess hat begonnen. Aber wie gelingt es, die Verbitterung wieder aufzulösen?
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1. Verantwortung übernehmen
Ja, es gibt furchtbare Erfahrungen, die Spuren auf unserer Seele hinterlassen. Das geht auch denen so, die scheinbar wie ein Flummi durchs Leben hüpfen. Und mit Verantwortung übernehmen meinen wir nicht, dass du selbst schuld bist an dem, was dir passiert ist. Sondern lediglich, dass du selbst verantwortlich bist für deine Reaktion darauf. Und dass du verantwortlich bist für dich und dass es dir gut geht. Bevor du negativ reagierst, überleg mal ganz egoistisch, ob es dir mit diesem Gedanken gut geht oder ob du dich mit einer anderen (konstruktiveren) Reaktion besser fühlst. Überrasch dich doch einmal selbst und reagiere anders als der erste Impuls es dir vorgibt, das kann dir neuen Schwung geben und andere Wege ebnen.
2. Stimmt das wirklich?
Das Kopfkino ist manchmal gemein. Wir haben uns angewöhnt, es für negative Szenarien zu nutzen. Steigere dich möglichst nicht in eine negative Gedankenwelt hinein, sondern nutze den Denkansatz der Amerikanerin Katie Byron: Überprüfe deine Gedanken immer mit der Fragestellung "Ist das wirklich wahr"? Stimmt es also tatsächlich, dass dich von deinen Kollegen keiner mag, der Chef immer nur die anderen fördert oder deine Freunde nie Rücksicht auf dich nehmen? "The Work" heißt Byrons Buch, das diese Technik genauer beschreibt.
3. Die persönliche Kosten-Nutzen-Rechnung
Mach dir eine Liste und versuche, sie so nüchtern abzuarbeiten wie möglich. Rechte Spalte: Meine Vorteile, wenn ich die Verbitterung beibehalte, linke Spalte: Meine Vorteile, wenn ich die Verbitterung überwinde. Versuche, folgende Aspekte dabei zu berücksichtigen: persönliche Entwicklung, körperliche und seelische Gesundheit, Familie, Freundschaften, Partnerschaft, Beruf.
4. Perspektive wechseln
Ja, die Kränkung tut weh. Und ist ungerecht. Aber was waren die Beweggründe des anderen? Hat er aus einer persönlichen Schwäche gehandelt? Versuchen wir, die Lage des anderen einfach mal ganz neutral zu analysieren, kann ein Perspektivwechsel uns helfen, die Verletzung weniger persönlich zu nehmen.
5. Das Was-Wäre-Wenn-Spiel
Versuch dich einmal damit auseinanderzusetzen, was wäre, wenn dir dein schlimmstes Erlebnis, das dich so verbittert hat, nicht passiert wäre. Natürlich gibt es traumatische Erfahrungen, die unser Leben so stark verändern, dass sich danach zunächst nichts mehr so anfühlt wie bisher. Die sollte man auf alle Fälle therapeutisch begleiten lassen. Stell dir einmal vor, wie du leben würdest, wenn die Verbitterung dich wieder loslassen würde. Was würdest du dann tun? Wie würdest du dich fühlen? Und dann überlege dir: Was hält dich zurück, genau dieses Leben zu führen?
6. Kämpfe für dich!
Du hast das Recht, glücklich zu sein. Und du bist auch - zu einem großen Teil - dafür verantwortlich. Setz dich also damit auseinander, was du in deiner Situation konkret für dich selbst tun kannst. Sprich Missstände an, überlege, wie du andere von dir überzeugen kannst. Was wolltest du schon immer tun? Wie kommst du dahin? Beginne zu planen, was dein Leben besser machen könnte.
7. Setz dir positive Impulse
- Vermeide das, was dich herunterzieht und integriere Positives in dein Leben.
- Greif zu Mut machender Literatur (wer Romane liebt, kann zum Beispiel "Das Zehn-Minuten-Projekt" von Chiara Gamberale lesen. Die Protagonistin bekommt von ihrer Therapeutin den Rat, einen Monat lang zehn Minuten täglich etwas Neues auszuprobieren, das sie noch nie gemacht hat. Sehr inspirierend).
- Sammele inspirierende Zitate (wir haben auf unserer Pinterest-Pinnwand einiges für dich gesammelt).
- Abonniere positive Nachrichten (Tipp: Motivations-Autor Lars Amend verschickt jeden Montag einen sehr klugen "Magic-Monday-Newsletter", der zum Nachdenken anregt).
- Hol dir mentalen Spirit in deinen Social Media Feed (Selbstfindungscoach Laura Malina Seiler teilt schöne Gedanken und Ideen auf ihrem Instagram-Feed).
8. Kümmere dich liebevoll um dich
Pflege nicht nur deinen Geist, sondern auch deinen Körper. Wie sieht deine Ernährung aus? Wie dein Tagesablauf? Deine Beautyroutine? Deine Wohnung? Alles soll so ausgerichtet und gestaltet sein, dass es dir gut tut. Nachhaltige Lebenskonzepte von anderen können dich dabei inspirieren (Buchtipps: "Einfach plastikfrei leben: Schritt für Schritt zu einem nachhaltigen Alltag" von Charlotte Schüler, Südwest Verlag, 18 Euro; "Einfach Familie leben: Der Minimalismus-Guide: Wohnen, Kleidung, Lifestyle, Achtsamkeit. Minimalistisch und nachhaltig leben mit Kindern" von Susanne Mierau und Milena Glimbovski, Knesebeck Verlag, 25 Euro).
9. Verbitterung überwinden mit der Kraft der Natur
In Japan schicken Ärzte ihre Patienten zum Shinrin-yoku: Waldbaden soll gegen Stress, Burnout und Herz-Kreislauf-Erkrankungen helfen. Unserer Seele tut die Natur gut, das haben zahlreiche Studien bewiesen. Ein Wochenende am Meer kann uns entspannen, besser ist allerdings die Integration von Naturerlebnissen in unseren Alltag. Regelmäßigkeit erzielt Effekte. Den Tagesablauf checken, wie wir mehr an die frische Luft kommen.
10. Vergleiche ziehen uns runter
Wie machen das eigentlich die anderen immer? Warum schaffen die das, was uns nicht gelingt? Von außen sieht immer alles so einfach aus. Vergleichen macht aber unglücklich, denn es gibt immer jemanden, der in einer Einzeldisziplin des Lebens besser ist. Versuch, dich von anderen Lebensideen inspirieren zu lassen - mehr aber auch nicht. Auch mit dir selbst solltest du liebevoll und tolerant umgehen: mit unseren Tipps kannst du Geduld lernen.
11. Raus aus der Isolation
Sind wir verbittert, schieben wir oft die Schuld dafür auf die, die uns am nächsten stehen. Schließlich schaffen sie es nicht, uns zu "retten". Der Groll macht uns einsam, die Verbitterungsstörung verstärkt sich. Überwinden wir unsere Wut und Enttäuschung und gehen auf andere zu, können wir die Isolation überwinden. Manchmal hilft es, bestimmte Themen einfach mal einen Abend ruhen zu lassen. Das kann eine Erholungspause sein - besonders wenn man vom Gedankenkreisen schon ganz erschöpft ist. Hören wir anderen zu, können wir erkennen, dass wir auch mit Schwierigkeiten nicht alleine sind.
12. Feiere deine Stärken
Was magst du an dir? Mach dir ruhig mal eine Liste mit deinen Vorzügen und bitte andere um positives Feedback. Auf was bist du stolz in deinem Leben? Feier dich selbst, du hast es verdient. Jegliche Kritikpunkte und Einwände sind verboten. Du solltest nicht deine schärfste Kritikerin sondern größte Unterstützerin sein!
13. Ablenkung hilft
Für welches Thema hast du dich schon immer interessiert? Mach dich zum Experten. Wer sich intensiv mit etwas auseinandersetzt, verspürt Befriedigung. Lernen, Lesen, Reportagen schauen, Podcasts hören (zum Beispiel den unserer EMOTION Founderin Kasia: "Kasia trifft") - bring dich auf neue Wege.
14. Bewegung
Sport erhöht die psycho-physische Widerstandsfähigkeit, weil Stresshormone durch die Ausschüttung von Serotonin und Endorphinen neutralisiert werden. Insgesamt fallen die vegetativen Reaktionen des Körpers – der Anstieg von Herzfrequenz oder Blutdruck – weniger heftig aus, wenn wir mit Stress konfrontiert werden. Bewegung kann also auch präventiv wirken. Ob uns Yoga, Quigong, Schwimmen, Radfahren, Tennis oder Laufen am besten helfen, kann jeder für sich ausprobieren.
Unterschied Verbitterung und posstraumatische Verbitterungsstörung:
Die Verbitterung meint erst einmal die Reaktion auf kränkende Ereignisse. Die Posttraumatische Verbitterungsstörung ist eine Sonderform einer Verbitterungsreaktion und geht meist mit diversen psychischen und physischen Begleiterscheinungen einher. Das Ausüben täglicher Aktivitäten und Aufgaben der Betroffenen ist eingeschränkt und die Symptome bestehen seit mehr als sechs Monaten. Begleitet werden sollte sie von einer Verhaltenstherapie.
Buchtipp zum Thema Verbitterung und posttraumatischen Verbitterungsstörung:
"Lass los!: Es reicht - Wege aus der Verbitterung" Verlag ecowin, 24 Euro. Michael Linden, Professor für Psychosomatische Medizin an der Charité in Berlin, und Mentalcoach Sigrid Engelbrecht, benennen die Hauptauslöser für Verbitterung: Ungerechtigkeit, Herabwürdigung, Vertrauensbruch. Sie zeigen in ihrem Buch Wege, damit umzugehen.
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