Dass das Leben nicht ewig währt, ja, das weiß man. Doch als ihr Vater starb, hat es unsere Kolumnistin getroffen, wie wenig sie auf diese Endgültigkeit vorbereitet war. Fast genauso überrascht war sie über das kleine Glück, das sie in der Trauer mit ihren Geschwistern fand
Männer liegen immer rechts, Frauen links, sagt uns der Friedhofsgärtner, mit dem meine Schwestern und ich einen Platz für meine Eltern aussuchen. Da ich immer links im Ehebett liege, ein irgendwie tröstlicher Gedanke, obwohl es schönere Momente gibt, als vor einer Grube zu stehen, in der ein paar Tage später der eigene Vater versenkt wird.
Es ist komisch mit dem Tod – man weiß, er kommt, besonders, wenn ein Mensch 87 Jahre, krank und müde ist und bei jedem Besuch mit dem Daumen nach oben zeigt und „Ich will endlich zu den Engeln“ seufzt. Und trotzdem ist man nicht vorbereitet auf diese Endgültigkeit. Eben noch warm, jetzt für immer kalt. Eben noch „Hallo mien Deern,“ geflüstert, jetzt für immer stumm. Ein Arzt stellt den Totenschein aus, der Bestatter kommt und holt den Sonntagsanzug ab, mit dem mein Vater beerdigt wird, wir müssen entscheiden, ob Kiefern- oder Eichensarg, ob Blumenschmuck für 480 Euro oder lieber von Blume 2000 selbst gekauft.
Was soll auf der Schleife stehen, was in der Traueranzeige? Soll der Hausarzt eingeladen werden, der Fußpfleger, lebt sein bester Freund noch, den er über 20 Jahre nicht gesehen hat? Wo soll der Leichenschmaus stattfinden, was gibt es zu essen, ist Alkohol angemessen?
„Wozu haben wir fünf Kinder?“, fragten meine Eltern stets sonnig, wenn es was zu regeln gab, sie ließen die Dinge gern auf sich zukommen, bis ein Schlaganfall meiner Mutter uns ohne Vorbereitung in die totale Verantwortung schubste. In der wir jetzt, wo sie Witwe ist, mehr denn je sind. Mörderanstrengend einerseits, aber es schweißt zusammen. Wir haben die Aufgaben durch fünf geteilt und bei WhatsApp einen Geschwisterfunk eingerichtet. Wer kauft ein? Wer fährt sie zur Kirche? Wer schickt einen Enkel vorbei? Wer mistet den Schreibtisch aus? Klappt perfekt und ist in all der Trauer auch ein kleines Glück.
Eins haben wir uns jedenfalls fest vorgenommen – wir regeln die Dinge rechtzeitig. Testament, Patientenverfügung, Beerdigung. Man stirbt ja nicht früher, wenn man jetzt schon mal festlegt, ob man links liegen oder lieber verbrannt werden möchte. Meine Freundin, erst Mitte sechzig, hat gerade eine Grabstelle für sich und ihren Mann gekauft. Da geht sie manchmal hin und freut sich, dass sie direkt neben einem großen Oleanderbusch liegen wird. Das hätte ich früher irgendwie gruselig gefunden, aber jetzt, wo mein Vater rechts liegt und wir demnächst seinen Grabstein auswählen müssen – Naturstein, Holz oder Schmiedeeisen, liegend oder stehend – weiß ich, dass es auch etwas Beruhigendes hat, wenn man sich darum nicht mehr kümmern muss.
Mein Vater ist jetzt bei den Engeln. Da, wo er immer hinwollte. Er hatte ein gutes, langes Leben. Und sein Grab liegt neben dem Wasserhahn, so können wir es immer gießen. Es hätte schlimmer kommen können.
Evelyn Holst ist Expertin für Klartext. Und für Humor (hat viel davon), Familie (hat selbst eine) und Frauen (ist ja eine). Ihr Lebensmotto: Es gibt keinen Grund zum Jammern. Es sei denn...