Woraus besteht eigentlich das Zuhausegefühl? Aus der perfekten Einrichtung, einem warmen Kachelofen, den richtigen Gefährten? Oder ist es am Ende an gar keinen Ort gebunden, sondern etwas, das wir in uns selbst erschaffen müssen?
Als die kalten Nächte kamen, hat Ali Holz geholt für ihren Kaminofen. Sie ist in ein Haus gezogen, außerhalb der Stadt, und jetzt sehe ich sie vor meinem inneren Auge, wie sie am Feuer sitzt und sich alles wie Wolle an-fühlt. Wenn ich ehrlich bin, dann neide ich ihr das, dabei ist sie die beste Freundin, die ein Mensch haben kann. Aber in meinen Gedanken sieht dieses Haus am Feld genau so aus, wie sich zu Hause anfühlen soll. Und sie hat es sich selbst so geschaffen.
Ich wünschte, ich könnte das auch. Das Einrichten zum einen, aber mehr noch: das Zuhausefühlen. Man kann sich das selbst erschaffen, da bin ich mir sicher. Ich habe es selbst schon mal geschafft. Ich weiß nur nicht, ob es auch zweimal geht. Eigentlich wollte ich Ali besuchen fahren, aber ich glaube, ich muss ein bisschen allein sein.
Mit den kalten Nächten kommen die kalten Tage, und ich bin zu verbohrt, um die Vespa stehen zu lassen. Solange die Straßen nicht glatt sind, fahre ich, auch wenn meine Nase sich anfühlt, als könnte man sie abbrechen, und meine Brille schon beginnt zu beschlagen, wenn ich in meinen unbeheizten Hausflur komme. In meiner Wohnung kann ich gar nichts mehr sehen. Ich nehme die Brille trotzdem nicht ab. Hier muss ich nichts sehen, um den Weg zu finden.
Manchmal fängt man neu an, so ist das im Leben. Und es ist gut so, jedenfalls besser, als wenn alles einfach immer bliebe, wie es ist. Zumindest erzähle ich mir das. Seit meiner Trennung ist mehr als genug Zeit vergangen, um vorwärtszugehen und neu anzufangen. Etwas Neues zu finden, das sich anfühlt wie ein Zuhause. Es muss doch gehen. Ich wähle Alis Nummer, um ihr zu sagen, dass ich es heute nicht schaffen werde zu ihr aufs Land, weil es später ist als gedacht und außerdem so wahnsinnig kalt, dass ich auf der Vespa erfrieren würde, trotz der Decke, die ich mir über die Knie lege – die "Kriegsgefangenen- Ausstattung", wie sie es nennt.
"Das passt eh ganz gut", sagt sie, "der Hund hat irgendwas mit dem Fuß, und wenn das nicht ganz schnell besser wird, fahre ich noch mit ihm in die Klinik.“ Ich denke an das Feuer in ihrem Ofen und an die Luft draußen, die nach Schnee riecht. Der Nebel auf meinen Brillengläsern hat sich aufgelöst, und ich sehe Willy, den Kater, der neben der Schale sitzt und Fressen erwartet. "Zwischen den vielen Kleinigkeiten", frage ich Ali, "woran merkt man, dass alles, ich weiß nicht, in die richtige Richtung geht?“
Sie denkt einen Augenblick nach, bevor sie antwortet. "Es geht nie alles in die richtige Richtung", sagt sie dann, "du musst unterscheiden zwischen dringend und wichtig." Dann gluckst sie, und ich muss lächeln, denn das ist ein Vortrag, den ich ihr normalerweise halte. "Ich weiß", sage ich, "aber was, wenn ich alles falsch mache und mich nie wieder irgendwo zu Hause fühle?" Willy, der Kater, kratzt an meinem Bein. "Zu Hause ist nur Vertrauen", sagt sie, "und das kannst du üben, indem du dir mal selbst vertraust. Ich fahr jetzt erst mal mit diesem Hund in die Klinik." Und noch bevor ich etwas erwidern kann, sagt sie: "Das ist dringender."