Nein, unser Kolumnist begrapscht keine Frauen. Wir sind überzeugt: Er ist einer von den Guten. Trotzdem ist ihm klar, dass er unsere Kultur, die diese Übergriffe möglich macht, mit verändern muss. Für seine Töchter, für sich, für uns alle
Willy schärft seine Krallen an meinem Bettlaken. Das kann nicht funktionieren, weil Katerkrallen schärfer sind als Bettwäsche hart, aber er hört erst auf, als ich ihn verscheuche, verschwindet unter dem Bett und kommt wieder herausgeschossen, als Hummel ihn von dort vertreibt. Sie war vor ihm da, und sie verteidigt ihren Platz. "Okay", sage ich, "hau ihm ruhig eine rein."
Das ist ziemlich genau, was ich Nummer eins und Nummer zwei gesagt habe, als wir jeden Tag beim Frühstück in den Nachrichten von immer mehr Männern gehört haben, die Frauen belästigt, bedrängt, genötigt und vergewaltigt haben. Nummer zwei hat mich ungläubig gefragt, warum die streiten. "Das ist kein Streit", habe ich gesagt, "das ist eher ein Überfall. Wenn ein Mann dir blöd kommt und etwas machen will, das du nicht willst, dann darfst du alles tun, was hilft. Hau ihm eine rein, so doll du kannst, und renn weg."
Ein neues Jahr fühlt sich von selbst an wie ein Schritt nach vorne, zumindest wie ein kleiner. Manchmal ist dabei nicht ganz klar, ob es ein Schritt auf die Zukunft zu ist – oder nur von der Vergangenheit weg. Wie wahrscheinlich viele Männer bin ich in den vergangenen Wochen und Monaten überwältigt worden von der schieren Größe des Problems und der simplen Erkenntnis: Natürlich bin ich ein Teil davon. Selbst wenn nichts, was ich in meinem Leben an dummen Sprüchen und unangenehmen Annäherungsversuchen unternommen habe, für sich genommen so schlimm war, um als Übergriff zu gelten, gab es ganz sicher viele kleine Momente, in denen ich Dinge gesagt oder nicht widersprochen habe, in denen ich gelacht habe, wo ich hätte einschreiten müssen, oder wo ich zu spät erkannt habe, dass die Frau mir gegenüber nur aus gelernter Höflichkeit lächelt und nicht, weil sie mein betrunkenes Gelaber geistreich findet und mit mir flirtet. Und dann bete ich, dass es nur unangenehme Momente für sie waren, die jeder Tag und jedes Jahr weiter in der Vergangenheit versinken lässt, und nicht die Art Schreckenserlebnis, nach dem ein neuer Tag eine weitere Strecke Leiden ist. Ich hoffe sehr, ich habe nie etwas so Schlimmes gemacht, dass etwas davon nachgeblieben ist. Aber gleichzeitig weiß ich sicher, dass ich beitrage zu einer Kultur, in der es möglich wird. Und dieses neue Jahr ist das, in dem sich das ändert. Sich ändern muss.
Wenig später blicke ich Nummer eins und Nummer zwei hinterher, die sich auf den Weg zur Eisbahn machen, die Schlittschuhe über der Schulter. Noch sind sie in einem Alter, in dem Mädchen und Jungs gleich bescheuert sind, und das reicht mir ja als Ziel. Menschen dürfen auch dämlich sein – aber in Maßen und gerecht verteilt.
Hinter mir höre ich das Schaben von Katzenkrallen auf Polster. Diesmal bearbeitet Willy das Sofa. Ich nehme ein Kissen in die Hand, um ihn damit zu bewerfen, obwohl ich weiß, dass ich den Kampf um die Möbel am Ende wahrscheinlich verlieren werde. Ich zögere kurz. Und dann werfe ich. Verloren hat man erst, wenn man aufgibt.