"Ich hab keine Zeit!" Immer wieder taucht dieser Satz auf. Wir hetzen, arbeiten, planen und wünschen uns dabei nichts sehnlicher als Zeit für Ruhe und Muße. Laut Ute Lauterbach ist nicht Zeitmanagement, sondern die innere Zufriedenheit das Geheimnis. Plus Selbsttest: "Wunschlos glücklich".
Was bedeutet "Zeit haben" und "keine Zeit haben" eigentlich?
"Zeit haben" heißt, das Gefühl zu haben, Herrin und Verwalterin des eigenen Lebens zu sein. Wer Zeit hat, kann tun, was er will, kann agieren, anstatt zu reagieren. Wer keine Zeit hat, reagiert auf Sachzwänge und Dringlichkeit, lebt fremdbestimmt und in einem Tempo, das ihm nicht gefällt.
Alles eine Frage des Zeitmanagements – denken viele. Doch Sie sagen, dass das die falsche Herangehensweise ist. Wieso?
Die Zielsetzung des Zeitmanagements ist es, möglichst viel unterzubringen, Zeit zu sparen und nichts zu verpassen. Aber es setzt nie bei dem an, was das Leben wirklich lebenswert macht. Zeitmanagement bewegt sich immer schon im Laufstall von Vorgaben: Dinge, die ich schaffen muss. Aus diesem Laufstall breche ich aus und frage: Was ist wirklich lebenswert? Was macht mich glücklich und lässt mich die Zeit vergessen? Worauf kommt es an?
Und worauf kommt es an?
Am Ende meines Lebens möchte ich sagen können: "Mein Leben war gut und sinnvoll." Mit diesem hoch angesetzten Ziel, das meinen eigenen Sinn am Ende erfüllt, nehme ich dann auch Ungemütliches in Kauf. Weil es sich lohnt.
Was sind typische Zeitfresser?
Perfektionismus. Alles vollständig und richtig machen wollen. Nichts verpassen wollen. Wer lustlos auf eine Party geht und Sachen nur macht, um nichts zu verpassen, wird damit nicht glücklich. Es ist absurd: Durch die Angst, etwas zu versäumen, verpasst man das Wesentliche.
Der Alltag vieler Menschen ist bis auf die letzte Minute durchgetaktet. Zwischen Arbeit, Terminen und Familie bleibt keine Ruhe. Wie konzentriert man sich auf das Wesentliche, wenn so viel Alltägliches da ist?
Man muss das Leben entrümpeln, also alle Lebensbereiche scannen und sich immer wieder fragen: Will ich das wirklich? Will ich so leben? Das betrifft wirklich alle Bereiche: Arbeit, Familie, Partnerschaft, Freundschaft, Erholung. Zudem sollte man sich immer wieder Inseln mit "unverzweckter" Zeit schaffen.
Was heißt das?
Nichts tun. Man legt sich einen Zeitraum fest, der keinem äußeren Zweck dient. Da muss man gar nichts. Und dann kann man jedem Impuls folgen – auch Löcher in die Luft starren.
Sie verknüpfen Glück und Zeit eng miteinander. Wieso?
Das lässt sich nicht trennen. "Dem Glücklichen schlägt keine Stunde", wie man so schön sagt. Allerdings kann ich auch viel Zeit haben und depressiv sein. Für das Glück braucht es also mehr. Hier trenne ich zwei Definitionen von Zeit: 1. die lineare Zeit. In ihr bewege ich mich, um 10 Uhr habe ich beispielsweise einen Termin. 2. die Zeit als stillstehende Zeit. In letzterer kann man einfach nur zu sein, im Augenblick aufgehen; dann ist man glücklich. Das ist eine andere Qualität von Zeit. Viel lineare Zeit zu haben ist noch keine Garantie für Glück.
Manche Menschen wollen aber nichts aufgeben, weil alles perfekt ist. Aber man schafft es nicht, alles unterzukriegen. Was tun?
Das Problem, das viele nicht einsehen wollen: Es ist zu viel. Alles kann noch so schön sein – wenn ich es durchtakte, verliert es wieder an Qualität. Wenn ich mich mit Tina treffe und genau zwei Stunden einplane, gucke ich ständig auf die Uhr. Und schon ist es nicht mehr so toll. Die große Kunst ist es, so zu leben, dass nichts durch Zeitknappheit an Qualität verliert. Wenn ich so viel Schönes und Attraktives habe, wäre es doch schade, wenn ich mir das selber beschneide und weniger schön mache. Das "zu viel" ist dann der Wermutstropfen im eigentlich Guten.
Und wie löse ich das Dilemma?
Ich frage mich: Warum will ich alles unter einen Hut bringen? Was treibt mich an? Eine Antwort könnte sein: Ich will es allen recht machen. Auch wenn alles eigentlich super ist, ist das Allen-Gerecht-Werden mein Antrieb. Aber: Werde ich dabei denn mir selbst noch gerecht? Wenn ich merke, dass ich mich selbst vergesse, weiß ich, woran ich arbeiten muss: Ich möchte mehr an mich denken. Und daraufhin muss ich wieder entrümpeln. Das ist eine innere Revolution!
Man gerät aber schnell wieder in den alten Trott. Was kann man tun, wenn es nicht funktioniert?
Das Wichtigste ist der erste Schritt: Sorgfältig und intensiv verinnerlichen, was man wirklich will. Dann steckt auch mehr Kraft und Dynamik dahinter. Zudem hilft es, wenn man mit anderen Menschen gemeinsam versucht, etwas zu ändern, sich gegenseitig motiviert und Zeitbilanzen zieht. Wenn alles nichts hilft, scheinen falsche Werte zu tief verwurzelt zu sein. Ein Beispiel: Eine Frau wollte früher alles ihrer Mutter recht machen, damit sie neben dem tollen Bruder noch geliebt wird. Auch als Erwachsene opfert sie sich für andere auf, um geliebt zu werden. Das ist die Ur-Wunde, an der man dann arbeiten kann. Jeder muss überlegen, wie man sich selbst so lieben kann, dass man nicht mehr auf die Liebe anderer angewiesen ist.
Ist das ein typisches Frauen-Problem? Wollen Frauen immer alles auf einmal?
"Alles wollen" ist toll! Nur "auf einmal" ist doof. Über zu wenig Zeit klagen alle, geschlechtsunabhängig. Die Frauen sind aber immer noch in der härteren Position, weil sie mehr unter einen Hut bringen wollen. Der Nachteil ist das Pflichtgefühl, das manchmal zu stark ist. Und dass der Hut nicht immer groß genug ist. Doch es bedeutet auch: mehr Fülle. Und das ist etwas sehr Schönes – wenn man es richtig angeht.
Auf ihrem YouTube-Channel waldphilosophin erzählt Ute Lauterbach in einem Interview, wie man Zeit beschafft, anstatt sie totzuschlagen:
Interview: Tessa Lekebusch
"Zeit gewinnen wir nicht durch immer minutiöseres Zeitmanagement, sondern durch einen anderen Umgang mit unserem Leben." Zeitdruck, Zeitmangel, Zeitverlust und gähnende Langeweile haben damit zu tun, wie die Zeit mit uns umgeht. Wie wäre es, wenn wir stattdessen mit der Zeit umgingen – uns gar eine gänzlich andere Zeiterfahrung erjubelten? Ute Lauterbach zeigt, wie dies in 13 Schritten der Zeitbeschaffung gelingt.
Ute Lauterbach ist Autorin und Philosophin. 1988 stieg die beliebte Studienrätin für Philosophie und Englisch in den philosophisch-therapeutischen Bereich um. Sie gründete das „Institut für psycho-energetische Integration“ im Westerwald.
Mehr unter www.ute-lauterbach.de
Selbsttest: Wunschlos glücklich
Nehmen Sie sich Zettel, Stift und etwas Zeit für diesen Fragebogen. Er stammt aus dem "Zeitbeschaffungs-Buch" von Ute Lauterbach und ist der erste von 13 Schritten zu mehr Zeit. "Dem Glücklichen schlägt keine Stunde", sagt der Volksmund. Doch wie sieht es bei Ihnen aus? Können Sie vor lauter Glück die Zeit vergessen?
1. Schritt zur Zeitbeschaffung
Wunschlos glücklich
Stellen Sie sich vor, Sie seien wunschlos glücklich. Dann wäre die ganze Zeitproblematik weg. Immerhin haben wir jetzt ein klares Ziel: das wunschlose Glück.
Schreiben Sie doch mal auf oder besprechen mit Freunden:
Wie fühlt es sich an, wunschlos glücklich zu sein?
Wann war ich zuletzt wunschlos glücklich?
Was war da anders als sonst?
Hängt das wunschlose Glück von äußeren Begebenheiten ab?
Wenn ich die Wahl hätte zwischen stabilem, wunschlosem Glück und einem großen Lottogewinn – was wähle ich?
Was könnte ich tun oder lassen, um das wunschlose Glück einzuladen?
Ihr 1. Schritt zur Zeitbeschaffung bringt Ihnen einen beachtlichen Zeitgewinn, weil Sie im wunschlosen Glück keine Glücksbeschaffungszeit mehr aufbringen müssen.
Wer wunschlos glücklich ist, bejaht, was ist.
Abkürzung:
Was bejahe ich?
Weitere zwölf Schritte zur Zeitbeschaffung und zum Glück finden Sie in "Das Zeitbeschaffungs-Buch" von Ute Lauterbach.