Erika Lust ist eine Pionierin in der feministischen Pornografie. Wir haben mit der Drehbuchautorin über ihre neue Website gesprochen, auf der sie erotische Filme nun auch On-Demand anbietet
Die Drehbuchautorin, Regisseurin und Filmproduzentin Erika Lust ist als Pionierin der feministischen Pornografie mit ihren hochwertigen Produktionen bekannt geworden. Auf ihrer neu gegründeten Internetseite EroticFilms.com bietet sie ihre Filme und weitere von ihr kuratierte Werke nun auch On-Demand an. 72 Stunden lang können die gemieteten Filme beliebig oft gesehen werden. Im Gespräch erzählt Sie uns mehr über die große Bedeutung von Transparenz in ihrem Geschäft, die aktuellsten Trends in der Pornografie und ihr Geheimrezept für einen guten Porno.
EMOTION.DE: Wie ist die Idee entstanden, einen On-Demand Service für Pornos anzubieten?
Erika Lust: Seit ich angefangen habe, meine Filme zu produzieren bekomme ich viele Anfragen: Wo finde ich mehr Filme? Und vor allem: Wo finde ich Pornos, die sich von dem Angebot der Mainstream Pornografie unterscheiden? Das ist eine berechtigte Frage, denn der Inhalt auf den Seiten der großen Porno-Dienstleister ist meist von sehr schlechter Qualität und nicht selten sogar von Privatservern gestohlen. Die in den Filmen verwendete Sprache ist unglaublich aggressiv. Dabei möchte ich als Nutzer doch eigentlich etwas anderes. Ich möchte eine sex-positive Erfahrung machen, schlicht und ergreifend einen erotischen Film sehen, der mich inspiriert. Alles was ich mit meiner Arbeit tun will, ist, den Nutzern eine sichere und hochwertige Alternative zu diesen Angeboten zu geben.
Wie definieren Sie eine sex-positive Porno-Erfahrung?
Dass man den Darstellern ansehen kann, dass sie Lust empfinden und es nicht so wirkt als hätten sie Schmerzen oder würden zu irgendetwas gezwungen werden. Es scheint so selbstverständlich, wenn wir jetzt darüber reden. Traurig ist aber, dass die Mainstream-Pornografie genau solche, meist sehr frauenfeindlichen Formate auf ihren Websites anbietet. Das war nicht immer so. Als Pornos in den Sechzigern und Siebzigern langsam Thema wurden, ging es noch nicht darum Frauen zu "bestrafen" und zu "zerstören". Doch inzwischen findet man immer mehr dieser frauenfeindlichen und gewalttätigen Filme online.
Was können wir dagegen tun?
Wir müssen über unsere Wertevorstellungen und darüber, was sie für einen Einfluss auf die Gesellschaft haben und besonders die Jugendlichen und deren Vorstellung von Sex. Ich beobachte, dass heutzutage viele junge Leute in dem Glauben aufwachsen, dass in Mainstream-Pornos realistischer Sex dargestellt wird, was meist natürlich nicht der Fall ist. Wer bereits sexuelle Erfahrungen gemacht hat, weiß, dass es sich dabei häufig um Produktionen handelt, in denen Profis mitgewirkt haben, die ein Maximum des Möglichen zeigen. Sex im echten Leben ist viel komplizierter und es braucht Zeit, den eigenen Körper und den des anderen kennenzulernen. Mir fällt auf, dass es da draußen viele Jugendliche gibt, die frustriert sind, weil sie glauben, für Sex nicht gut genug zu sein. Sie haben zu viel Mainstream Pornografie gesehen, bevor sie überhaupt das erste Mal Sex hatten und scheitern bei dem Versuch, diese extremen Sexszenen nachzustellen
Ich beobachte, dass heutzutage viele junge Leute in dem Glauben aufwachsen, dass in Mainstream-Pornos realistischer Sex dargestellt wird.
Erika Lust - Gründerin von eroticfilms.comTweet
XConfessions – was ist das genau?
Ein Projekt, das ich 2014 gestartet habe. Dabei können mir Nutzer ihre Fantasien schicken, von denen ich je eine auswähle, die ich dann verfilme und für die Mitglieder auf meiner Website bereitstelle. Die Preise für die Mitgliedschaften sind nicht all zu hoch, trotzdem beschweren sich einige immer noch darüber, Geld bezahlen zu müssen.
Ein weiterer Grund für den On-Demand Service?
Ja, denn langsam bin ich es ein wenig Leid erklären zu müssen, dass es Geld kostet, Filme zu produzieren und ich die Filme daher nicht einfach kostenlos zur Verfügung stellen kann. Außerdem möchte ich in der Lage sein, meine Darsteller und Angestellten angemessen zu bezahlen. Und das ist einer der Gründe, warum ich eroticfilms.com ins Leben gerufen habe. Auf der Website bieten wir zum Beispiel auch sogenannte erotic nights an, in denen man bestimmte Filme kostenlos sehen kann. Und wer sich für den Newsletter anmeldet, bekommt regelmäßig Angebote zugeschickt.
Was für Filme bieten Sie auf der Website an?
Eine Auswahl der Arbeiten vieler verschiedener Produzenten zu denen wir wöchentlich neue Filme hinzufügen, deren Lizenz wir erworben haben. Es ist uns wichtig zu zeigen, dass wir die Darsteller und Produzenten der Filme, die es auf dieser Website zu sehen gibt, angemessen bezahlen. Wir sind stolz auf unsere faire Community und wollen daher eine möglichst transparente Firmenpolitik führen.
Auf xconfessions.com haben die Darsteller eigene Profile, in denen sie und ihre Arbeit vorgestellt werden. Gibt es das auch auf eroticfilms.com?
Das ist geplant. Transparenz ist uns auch auf dieser Seite besonders wichtig. Zum Beispiel habe ich kurze Interviews mit den einzelnen Darsteller geführt, die die Nutzer anschauen können, um den Menschen hinter den einzelnen Produktionen ein bisschen besser kennenzulernen.
Warum ist das wichtig?
Ich denke, wir sollten uns mehr Gedanken über unser Konsumverhalten machen und darüber, wo die Filme herkommen, die wir uns da ansehen. Es ist traurig, dass wir das überhaupt müssen, aber wir sollten mehr Transparenz von den Unternehmen fordern, die Pornos produzieren und online bereitstellen. Normalerweise kann man auf einer Website immer über ‚About’ oder ‚Kontakt’ an Infos zu den Betreibern und Inhabern der Website kommen. Auf vielen der Mainstream-Porno-Websites findet man allerdings nur die Nummer irgendeines Postfachs irgendwo auf der Welt. Denn natürlich bekennt sich keiner zu den meist illegalen Inhalten auf diesen Seiten. Das hinterlässt den Eindruck, als seien Produzenten und Darsteller nicht stolz auf das, was sie da tun; als ginge es nur darum, Geld zu machen egal zu welchem Preis. Daher denke ich, dass wir eine offenere Einstellung brauchen, wenn es um dieses Erwachsenen-Business geht.
Was für Reaktionen haben Sie auf die Website bisher bekommen?
Unglaublich positive. Auch vielen Männern scheint der weibliche Blickwinkel meiner Produktionen zu gefallen. Oft bekomme ich auch begeisterte Nachrichten von Paaren, die das erste Mal gemeinsam einen Porno angesehen haben. Das passt zu meiner Ansicht, dass es besonders für Paare interessant sein kann, Filme zu sehen, in denen verschiedene sexuelle Situationen und Einstellungen gezeigt werden. Und das aus dem einfachen Grund, dass es ihnen hilft anzufangen, über Sex zu reden und sich gegenseitig endlich Fragen zu stellen wie "Was magst du? Was würdest du gerne mal ausprobieren? Was würdest du gerne anders machen?"
Es ist von großer Bedeutung eine Atmosphäre am Set zu schaffen, in der sie sich alle wohl und sicher fühlen.
Erika Lust – Gründerin von eroticfilms.comTweet
Was ist Ihr Geheimrezept für einen guten Porno?
Ich finde es zum Beispiel wichtig, mir wirklich Zeit für das Casting zu nehmen. Herauszufinden, wer die Menschen eigentlich sind, die da vor mir stehen. Und im nächsten Atemzug ist es von großer Bedeutung eine Atmosphäre am Set zu schaffen, in der sie sich alle wohl und sicher fühlen, dass sich um die ärztlichen Untersuchungen und die gesundheitlichen Tests gekümmert wurde und die Darsteller sich austauschen und kennenlernen konnten.
Außerdem liegt es mir am Herzen, dass die Darsteller mich als eine Person kennenlernen, die niemals jemanden zu etwas zwingen würde. Und wenn jemand eine Pause braucht, dann macht er eine Pause, bekommt ein Glas Wasser oder ein Handtuch. Das hört sich jetzt nach banalen Kleinigkeiten an, aber gerade diese Dinge sind unglaublich wichtig, um eine sex-positive Atmosphäre für Darsteller und Zuschauer zu schaffen.
Gibt es momentan Trends oder Dinge in der Pornografie, die Nutzer besonders mögen?
Seit Mr. Grey sind viele auf das Thema BDSM neugierig geworden. Seitdem sind auch in der Mainstream-Pornografie solche Formate stärker vertreten. Aufgrund der hohen Nachfrage und da ich nach der Darstellung in Fifty Shades of Grey das Bedürfnis hatte, zu zeigen, worum es dabei wirklich geht, habe ich auch einige BDSM-Formate produziert. Und dann gibt es da natürlich die Fantasien, die immer wieder aufs Neue Thema sind. Zum Beispiel bekomme ich fast täglich xconfessions-Emails von Paaren, die gerne mal einen Dreier erleben würden.
Was treibt Sie an?
In einer Zeit, in der Gewalt besonders in den Unterhaltungsmedien eine große Rolle spielt, möchte ich zeigen, wie schön es sein kann, Mensch zu sein und wie schön Sex sein kann. Durch meine Arbeit wird mir immer wieder klar, dass die Menschen gerne kreativ und ausgelassen sind. Viele Sex-Fantasien, die ich zugeschickt oder erzählt bekomme haben jedoch nichts mit dem zu tun, was wir in der Mainstream-Pornografie zu sehen bekommen und das müssen wir ändern! Wir leben in einer Gesellschaft, die immer noch ängstlich ist, sobald das Thema Sex zur Sprache kommt. Wertevorstellungen und gesellschaftliche Normen geben uns vor, wie wir uns zu verhalten haben und schnell kann man aufgrund dessen was man mag und was einen anmacht das Gefühl bekommen, anders zu sein. Ich denke, dass hier gerade Pornografie einen Anstoß geben kann, über all diese Themen zu reden und uns dabei helfen kann, unsere eigene und die Sexualität anderer besser zu verstehen.
Erika Lust hat mit ihren anspruchsvollen Erotikfilm-Produktionen in den letzten zehn Jahren ihres Wirkens entscheidend dazu beigetragen, pornographische Filme aus der Schmuddelecke herauszuholen und zu einem gesellschaftsfähigen Thema zu machen. Ihre Werke überzeugen durch die authentische Darstellung von Sex. Weder werden unnatürliche Beauty-Standards vermittelt, noch Frauen gedemütigt und wie Sex-Sklaven behandelt werden.