Sie liebt ihr Kind. Und ihren Job. Und ist wie fast alle Mütter in dieser Situation zerrissen. Eine Abrechnung mit dem Rabenmutter-Gefühl.
Manchmal steht mir mein schlechtes Gewissen im Weg. Gerade hatte ich mir vier Tage freigenommen, um einmal Zeit für mich zu haben. Dann kam Clara, meine Tochter, und wollte mit mir zu Hause bleiben. Natürlich gab ich nach. Mein erster freier Tag verging zwischen reiten gehen und spielen.
An Tag zwei sagte Clara, sie fühle sich nicht so gut – und blieb bei mir. Abends hoffte ich auf den Kindergarten an Tag drei.
Und schon war es da: mein schlechtes Gewissen. Die Stimme in meinem Kopf, die schimpfte: Du nimmst dir frei, nicht um mehr Zeit als Mutter zu haben, sondern nur für dich. Du bist eine egoistische Rabenmutter!
Will ich es allen rechtmachen, damit sie mich mögen?
Gleichzeitig spürte ich meine Unzufriedenheit und war sogar wütend, dass schon zwei Tage weg waren. Und dann das schlechte Gewissen, woher kam das? Von meinem Wunsch, dass sich alle wohlfühlen? Dem Bedürfnis, es allen recht zu machen, damit sie mich mögen?
Ich war sieben, als meine Mutter und ich als Flüchtlinge nach Deutschland kamen. Sie hat hart gearbeitet, damit wir beide hier Fuß fassen konnten. Damals lernte ich: Anpassung ist der beste Weg. Heute merke ich, wie oft mich das Bemühen mich anzupassen von mir selbst weggeführt hat.
So viele Erwartungen an Mütter
Richtig groß wurde das schlechte Gewissen, seit ich Mutter bin. All diese Erwartungen! Meine Mutter, zum Beispiel, die auch wenig Zeit hatte, als ich klein war. Jetzt wollte sie, dass ich das anders machte als sie. Dann mein Mann, der nach Claras Geburt hoffte, dass ich länger zu Hause bleibe, statt mich so schnell auch wieder um den Verlag zu kümmern. Oder der Kunde, der mich zum ersten Mal als Mutter traf und fragte: "Wer kümmert sich denn jetzt um Ihr Kind?"
Und schon war der Konflikt da, zwischen meiner Rolle als Mutter, die ich liebe, und meinem Job, der mich finanziell unabhängig macht und mir viele glückliche Momente beschert. Bin ich deshalb eine schlechte Mutter?
Konflikte müssen manchmal sein
Es gibt Menschen, die nur meine angepasste Seite kennen. Und es gibt Momente, in denen ich für etwas belohnt wurde, bei dem ich gar nicht ich selbst war und deshalb auch kein Glück darüber empfinden konnte. Vielleicht hat mein schlechtes Gewissen auch damit zu tun, dass ich mir manchmal selbst nicht wichtig genug bin, um meinen Bedürfnissen zu folgen. Und damit, dass ich den Konflikt scheue, wenn ich für mich einstehen würde. Dabei weiß ich, dass manche Konflikte notwendig sind. Dass ich lernen muss auszuhalten, dass andere nicht jede meiner Entscheidungen gutheißen. Dass es genügt, wenn sie sie respektieren. Und dass es entscheidend ist, dass ich sie richtig finde.
Frauen unter Druck
Um ihren extrem dichten Alltag zu bewältigen, gehen berufstätige Mütter oft bis an die Grenze der Selbstaufgabe, hat die Frauenstudie Working- Mums des Rheingold-Instituts festgestellt. 51 Prozent der Frauen erledigten Dinge lieber selbst, als mit dem Partner darüber zu verhandeln. 69 Prozent haben das Gefühl, neben der Mutter auch noch die Vaterrolle zu übernehmen. 32 Prozent fühlen sich trotz Partner alleinerziehend und 33 Prozent betrachten ihn sogar als weiteres Kind. Einen Schritt in Richtung Entlastung sieht Rheingold darin, wenn Frauen sich mit dem Bild der "perfekten Alleskönnerin" auseinandersetzen.
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