Wie finden Eltern und Kinder nach Monaten der Krise wieder zurück in einen entspannten Familienalltag? 8 Tipps von Coachin Christin Prizelius für tolle Momente – und weniger strapazierte Nerven.
Grundbedürfnisse werden in Krisenzeiten vernachlässigt
Die Pandemie hat viele auf eine harte Zerreißprobe gestellt – sich mit dem eigenen Glück zu beschäftigen wanderte auf der langen Prio-Liste weit nach unten. Entscheidend ist aber, dass man sich selbst nach schwierigen Zeiten nicht immer weiter in den negativen emotionalen Strudel ziehen lässt, sondern danach wieder in seine Kraft kommt. Es gibt viele Tools, Methoden und Tipps, mit denen Eltern aktiv ihre Kinder und sich selbst stärken und das Familienleben allgemein wieder glücklicher gestalten können, um vor allem den kleinen Seelen wieder etwas Gutes zu tun.
1. Struktur und Routinen schaffen
Wenn vom einen auf den anderen Tag alle Strukturen und Alltagsroutinen wegbrechen, ist das nicht zu unterschätzen. Um nicht im Negativmodus zu verharren, ist es wichtig, sich im Familienalltag zunächst Strukturen zu schaffen, die man beibehält und die Situation anzunehmen, wie sie ist. Wann werden welche Mahlzeiten gemeinsam eingenommen, wann wird gearbeitet, für die Schule gelernt, zusammen gebastelt und wann zieht sich auch mal jede:r für sich etwas zurück, um Selbstfürsorge zu betreiben und einfach das zu tun, was Freude und Spaß macht? Auch freudige Erlebnisse und Erfahrungen zu besprechen oder Wünsche für die Alltagsgestaltung mit einzubringen, können Kinder stärken und die Harmonie fördern.
Menschen brauchen Gewohnheiten und wohltuende Rituale. Vor allem in Zeiten, in denen alles im Außen ins Wanken gerät. Auch das Gehirn belohnt uns bei Gewohnheiten mit der Ausschüttung von Dopamin, weil es dann nämlich nicht für jede kleine Handlung einen neuen Gedanken braucht. Vieles passiert nach einer Weile automatisch, was Energie und Zeit spart. Um neue Gewohnheiten zu etablieren, kann es anfangs helfen, Listen oder Pläne zu entwerfen, also schriftlich festzuhalten, bis sich auch hier ein neuer Automatismus eingestellt hat.
2. Ressource Zeit nutzen
Auch wenn es manchmal leichter gesagt ist als getan: Es ist wichtig, im Herzen optimistisch zu bleiben und in einem gewissen Urvertrauen zu leben. Positive Gefühle wie Dankbarkeit, Interesse, Hoffnung, Stolz oder Liebe haben eine unglaubliche Kraft. In Krisenzeiten darf man auch lernen, die Ressource Zeit anders zu nutzen als bisher. Entschleunigung ist das Zauberwort – sich darauf konzentrieren, was einem wirklich wichtig ist. Vielleicht haben die vergangenen Monate vielen Menschen sogar gezeigt, worauf es für sie wirklich ankommt. Auch jetzt gehören dazu möglicherweise immer noch keine Konzerte, Kinobesuche oder Großveranstaltungen – dafür aber gemeinsam zu kochen, zu spielen, sich Geschichten zu erzählen, in der Natur unterwegs zu sein, Pläne zu schmieden und gedanklich schon die Zukunft zu gestalten, seine Träume, Ziele und Visionen bunt auszumalen. Hier kann man ebenfalls mit der Familie gemeinsam Zeitfenster in den Alltag einbauen, Zettel und Stift zur Hand nehmen und dann eine richtige Gemeinschaftsübung daraus machen.
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3. Persönliche Weiterentwicklung
Sich persönlich weiterzuentwickeln ist ebenfalls ein Bedürfnis von uns Menschen. Das dürfen Kinder und Eltern – besonders in Zeiten des Stillstands oder der Krise – gemeinsam oder einzeln erleben. Welche Stärken erkennt man an sich? Was kann man besonders gut und woran hat man besonders viel Freude? Welche Talente und Fähigkeiten sind vorhanden und können wie ausgebaut werden?
Das kann jede:r für sich herausfinden. Oder man teilt den anderen Familienmitgliedern mit, was man als ihre Stärken ansieht. In welcher Richtung kann man sich auch neue Dinge anlernen, worüber Wissen erwerben und was praktisch erlernen? Auch das kann sehr bereichernd für den Familienalltag sein und für positivere Stimmung in herausfordernden Zeiten sorgen.
Mit der Zeit hat man viele Glaubenssätze und Denkmuster von außen übernommen und sieht oft die in sich angelegten Schätze nicht mehr. Schon Kinder haben oft wenig Selbstvertrauen, wenn sie klein gemacht werden, weil sie nicht in vorgegebene Muster passen. Die Übung, sich wie eine leere Leinwand zu betrachten, kann ebenfalls eine gute Basis für Weiterentwicklung sein. Dabei stellt man sich selbst wie eine leere, weiße Fläche vor und schreibt oder malt einmal alles auf, was man an sich selbst ausbauen und intensivieren möchte. Gerade in Zeiten, in denen man viel zu Hause und bei sich ist, lässt sich diese Übung prima umsetzen.
4. Blick für Schönes erkennen
Bei diesem Tipp geht es wirklich darum, die kleinen Dinge im Alltag wahrzunehmen und den Fokus darauf zu richten, was einem sonst viel zu häufig als zu selbstverständlich erscheint. Das fördert das Bewusstsein für Dankbarkeit, die das eigene Glücksempfinden sowie seelisches und körperliches Wohlbefinden positiv beeinflussen kann. Wenn man sich darauf fokussiert, was einem alles Positives widerfährt, trainiert man sein Gehirn wie einen Muskel und kann sein Unterbewusstsein darauf ausrichten, mehr Dinge wahrzunehmen, für die man dankbar ist. Auch das zu kommunizieren und mit anderen zu teilen, kann das eigene Glück fördern. Einfach mal Impulsgeber:in sein für all das Schöne, was einem auch in Krisenzeiten nicht verloren gehen sollte.
Warte nicht darauf, dass die Menschen Dich anlächeln - Zeige ihnen wie es geht!
Astrid Lindgren (Pippi Langstrumpf)Tweet
Sei es die Blume am Wegesrand, ein Sonnenstrahl, sich einzukuscheln, bei schöner Musik zu tanzen, in Fotoalben zu blättern oder mal wieder herzhaft über Kleinigkeiten zu lachen. Mit einem Tagebuch als festes Ritual – bestenfalls zum Ende der Woche – lässt sich dann festhalten, wofür man in der Woche dankbar sein durfte.
5. Den Sinn im Leben sehen
Außerdem ist wichtig, sich nicht die ganze Zeit von schlechten Nachrichten und negativer Berichterstattung runterziehen zu lassen und mal bewusst Abstand von den Medien zu nehmen. Viel mehr in die Verantwortung zu gehen und zu handeln. Ein guter Schritt ist an dieser Stelle, sich seiner Werte im Leben bewusst zu werden und seinem Leben höher geordnet einen Sinn zu geben. John Strelecky trägt zum Beispiel in seinen Büchern seine Erkenntnisse für ein glückliches Leben zusammen und spricht von den "Big Five for Life".
Was lässt einen jeden Morgen aufstehen? Was und wer kann und will man sein im Leben? Den Sinn des Lebens bestimmt jede:r für sich, was einem wichtig ist und das kann man bewusst von einem auf den anderen Moment entscheiden. Wer selbstbestimmt und selbstwirksam ist, ist frei und für viele Menschen ist die Freiheit ein wesentlicher Faktor zum Glück. Das kann man auch sehr spielerisch Kindern nahebringen, die beim Spielen oft wie versunken und "im Flow" wirken und ihre Fähigkeiten ganz bewusst einsetzen, dabei auch mal Herausforderungen begegnen und daran wachsen. Eine gemeinsame Übung kann sein, mal ungezwungen die fünf Dinge aufzuschreiben, die man im Leben unbedingt haben, sehen oder realisieren möchte. Auch das kann kleine Kinderherzen zum Höherschlagen und Augen zum Leuchten bringen.
6. Achtsamkeitsübungen
Vor allem in Stresssituationen ist es wichtig, sich zu bewegen, Licht aufzunehmen und frische Luft zu atmen. Achtsamkeitsübungen sind dafür als Methode im Alltag gut geeignet und können das Familienglück sehr gut fördern – wenn nicht draußen oder unterwegs auch einfach am offenen Fenster. Wenn man achtsam ist, ist man konzentriert und ohne Wertung im gegenwärtigen Augenblick und nimmt diesen bewusst wahr. Gleichzeitig kann auf diese Weise auch eine gesündere Atmungstechnik gefördert werden, denn leider atmen viele Menschen im Alltag gedankenlos viel zu flach, was zu Muskelverspannungen, Müdigkeit, Magen-Darm-Beschwerden und Kopfschmerzen führen kann und das Gehirn mit zu wenig Sauerstoff versorgt.
Auch hier eignen sich festgelegte Zeitfenster für 15-20 Minuten am Tag, wo man sich einfach mal hinlegt oder hinsetzt (entweder gemeinsam oder jede:r für sich) die Augen schließt, tief ein- und ausatmet und achtsam im gegenwärtigen Moment ist. Die Gedanken dürfen kommen und gesehen werden, aber sie dürfen auch weiterziehen. Anschließend kann man diese Erfahrungen auch teilen und miteinander besprechen. Unterstützend können ebenfalls Affirmationen – also bejahende Sätze, die man sich selbst sagt – wie "Ich bin genug" oder "Ich werde geliebt" dabei wirken. So schafft man gleichzeitig auch einen guten Weg zur Gedankenhygiene, entwickelt Erste-Hilfe-Strategien für sich und fördert die Resilienz, also psychische Widerstandskraft bei sich und seiner Familie.
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7. Ernährung und Schlaf bedenken
Häufig unterschätzen wir, welche Bedeutung Ernährung und Schlaf für unsere Gesundheit und das allgemeine Wohlbefinden haben. Die Sprichwörter "Du bist was du isst" und "Schlaf ist die beste Medizin" kennt fast jede:r. Auch dafür lässt sich die Zeit nutzen, wenn man in der Welt draußen gerade nicht so aktiv sein kann. Gemeinsame Kochabende, sich neue gesunde Rezepte zu überlegen oder auch kurze Videos dazu im Internet anzuschauen, die wertvolle Impulse und Inspirationen bereithalten, können helfen. Außerdem kann man über Powernaps viele positive Gefühle fördern, indem man nämlich am Tag einfach mal 10-20 Minuten ein Nickerchen macht. Auch das ist gesund und wichtig für einen entspannten Familienalltag und beruhigt strapazierte Nerven.
8. Energieressourcen anzapfen
Jeder Mensch braucht seinen eigenen Kraftort, seine Energietankstelle oder Ruheinsel, wo er seine Energieressourcen anzapfen kann. Neben der Verwirklichung von Stärken ist der Ausbau positiver Beziehungen eine weitere kraftvolle Energieressource. Das sind vor allem Menschen, die uns nahestehen und die wir lieben. Diese können wir auch um Hilfe bitten, wenn mal alles droht zusammenzubrechen. Aber mit ihnen können wir auch lachen, Freude und Erinnerungen teilen oder einfach beieinander sein und sich in den Arm nehmen – wie die engste Familie.
Das vertraute Gefühl zu weiteren Familienmitgliedern, Arbeitskolleg:innen oder Freund:innen und Bekannten kann man vielleicht noch immer nicht wie gewohnt erleben, aber es lassen sich auch über Entfernungen neue Erfahrungen machen. Man kann sich über Telefon, Videochats oder auch einfach mal wieder die klassischen Briefe gefühlt nah sein ohne sich physisch nah zu sein. In einer Gemeinschaft eingebunden zu sein ist nicht nur gesund, weil Einsamkeit Untersuchungen nach Stresshormone auslöst, sondern macht auch glücklich.
Es ist unsere Entscheidung, wie wir mit Krisensituationen umgehen
Zusammenfassend können wir also erkennen und sagen, dass es zu einem Großteil an uns liegt, wie viel positive Gefühle wir auch in und nach Krisensituationen entwickeln können. Das gibt uns das Gefühl, wieder handlungsfähig und nicht mehr fremdbestimmt durch die äußeren Faktoren zu sein. Und das kann man – zusammen mit der Familie oder allein – immer neu entscheiden, jeden Tag.
Christin Prizelius ist Wirtschaftspsychologin, soziale Unternehmerin, Autorin und Coachin im Emotion Netzwerk sowie Co-Founderin und Chefredakteurin des eMagazins "Pure & Positive". Sie gibt Menschen durch die Arbeit in ihrem Online Institut für ganzheitliches Feel Good Management und Positive Psychologie Impulse und Inspirationen für ein positives Leben. In Kooperation veranstaltet sie den Glücksgipfel, der 2022 wieder im März stattfindet. Ihr Schwerpunkt ist die ganzheitliche Transformationsarbeit für ein Leben in Kraft und Fülle. Gerade ist ihr Buch "Glück lernen – Kinderleicht happy sein für Groß und Klein" mit über 35 Glücksübungen und Aktivitäten für die ganze Familie im Oetinger Verlag erschienen.
Mehr über ihre Arbeit: Feelgood Institute, Glücksgipfel
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