Positive Intelligenz: Wie wir am effektivsten unsere Positivitäts-Muskeln stärken können, um uns im Leben erfüllter, leichter und glücklicher zu fühlen, verrät Positive Intelligence Coachin Yvonne Hendrych.
Positive Intelligenz: Schluss mit Dauerstress
Mit Sicherheit kommen dir einige dieser Situationen bekannt vor: Im Job läuft mal wieder alles anders als geplant, Deadlines häufen sich und Kolleg:innen gehen auf Tauchstation. Oder zuhause rauben dir Partner:in und Kinder den letzten Nerv, weil sie null Verständnis für deine Bedürfnisse zeigen. Und mit deinem Spiegelbild bist du manchmal auch nicht so richtig happy. In solchen Momenten wünschen wir uns wohl alle, entspannter, stressfreier und liebevoller mit uns selbst durchs Leben gehen zu können.
Das Konzept von Positiver Intelligenz setzt genau dort an: Mit etwas Training und dem Wissen um unsere Positive Intelligenz kann jede:r von uns ein entspannteres und gleichzeitig selbstbestimmteres Berufs- und Privatleben für sich gestalten und leben.
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Positive Intelligenz: Fundierte Wissenschaft statt Wellbeing Hype
Positive Intelligence®️ ist das Ergebnis und die Zusammenführung neuester Erkenntnisse aus der Gehirnforschung, kognitiver Psychologie, Positiver Psychologie und Performance Forschung. Positive Intelligence Gründer und Stanford Dozent Shirzad Chamine prüfte das Konzept mit Hilfe von mehr als 500.000 Teilnehmenden aus über 20 Ländern auf seine Wirksamkeit und fasste es in seinem NY Times Bestseller "Positive Intelligence" zusammen.
Dabei hat sich gezeigt, dass unser individueller Positiver Intelligenz Quotient (PQ), also wie stark ausgeprägt unsere Positivitäts-Muskeln im Verhältnis zu unseren mentalen Saboteuren sind, direkten Einfluss darauf hat, wie stressresistent wir sind und viel von unserem tatsächlichen Potential wir in Job, Beziehungen und unserem sonstigen Leben aktuell ausleben.
Die gute Nachricht ist, wir können unseren PQ in jedem Alter noch erheblich verbessern. Dies gelingt uns, indem wir:
- unsere mentalen Saboteure enttarnen
- unsere Positivitäts-Muskeln gezielt trainieren und
- unser positives Potential bewusst einsetzen.
Schritt 1: Entlarve deine individuellen, mentalen Saboteure
Der größte Feind unseres Positiven Potentials sind unsere mentalen Saboteure, also diejenigen Denk- und Verhaltensmuster, die sich über die Jahre hinweg tief eingebrannt haben und nun auf Autopilot laufen und unser Leben, unsere Beziehungen und unseren Job beeinflussen, ohne dass es uns so recht bewusst ist. Shirzad Chamine hat in seinen wissenschaftlichen Forschungen insgesamt 9 Saboteur-Typen (plus einem universellen Master-Saboteur) entlarven können:
Der Avoider, der Controller, der Hyper-Achiever, der Hyper-Rational, der Hyper-Vigilant, der Pleaser, der Restless, der Stickler, der Victim sowie der Master-Saboteur: der Judge. Jede:r von uns besitzt eine ganz persönliche Kombination aus verschieden stark ausgeprägten Saboteuren.
Positive Intelligenz ist Ursachenforschung, nicht Symptom-Bekämpfung
Angenommen, du findest dich zum unzähligsten Mal in einer Situation in deinem Job wieder, bei der du dich am Rande des Nervenzusammenbruch bewegst, weil sich alle wichtigen Projekte und Aufgaben auf deinem Schreibtisch auftürmen, wohingegen deine Kolleg:innen tiefenentspannt ihre Mittagspause genießen. Die Wahrscheinlichkeit, dass hier bestimmte mentale Saboteure am Werk sind, ist ziemlich hoch. Denn wenn alles irgendwie immer nur auf deinem Schreibtisch landet, dann hat das nicht zwingend etwas mit ungerechter Arbeitsaufteilung zu tun, sondern kann durchaus auch an dir selbst liegen. Daran, dass du vielleicht über einen stark ausgeprägten Controller-Saboteur verfügst und es dir schwerfällt, Verantwortung abzugeben und auf die Leistung anderer zu vertrauen. Wenn du es dann doch mal tust, dann kontrollierst du lieber alles nochmal doppelt oder dreifach nach, was dir letztendlich noch mehr Arbeit einbringt.
Vielleicht steht auch der Pleaser-Saboteur bei dir hoch im Kurs und das Nein-Sagen fällt dir unglaublich schwer, aus Angst, dich unbeliebt zu machen oder jemanden zu enttäuschen. Oder du verfügst über einen ausgeprägten Stickler-Saboteur, das heißt, für dich ist gut niemals gut genug. Es gibt immer noch etwas zu verbessern oder zu überarbeiten. Das eigentliche Problem sind in diesen Fällen nicht die Kolleg:innen, Chef:in oder das Arbeitspensum, sondern vielmehr deine eigenen, mentalen Muster.
Wenn du daran arbeitest, diese negativen Saboteur-Muster wieder zu relativieren und dadurch wieder zurückkehrst zu deinen ursprünglichen Stärken, dann wird dir das nicht nur in einer bestimmten Überlastungssituation helfen, sondern deinen Blick dafür schärfen, wie du dauerhaft deinen Job und dein Leben anders gestalten kannst. Falls du neugierig geworden bist, welche Saboteure bei dir besonders aktiv sind, kannst du es mit diesem Test herausfinden.
Sobald du für dich erkannt hast, wer die aktivsten und stärksten Gegner deines Positiven Potentials sind, kann es mit dem eigentlichen "Training" losgehen.
Schritt 2: Du lenkst deinen Verstand, nicht deine Saboteure
Ungefähr 80% unserer Gedanken, die dazu führen wie wir uns fühlen oder verhalten, laufen für uns nicht bewusst ab. Wenn wir anfangen, aufmerksam zu beobachten, welcher unserer dominanten mentalen Saboteure gerade am Werk ist, dann haben wir die Chance, sofort einzugreifen und unseren Verstand "umzuprogrammieren". Das klingt komplexer als es ist, denn im Grunde geht es darum, bewusst und schnellstmöglich eine andere Gehirn-Region zu aktivieren, nämlich unser PQ Gehirn.
Saboteur-Gehirn oder PQ-Gehirn?
Unser "PQ Gehirn" ist ein Zusammenspiel aus mittlerem präfrontalem Cortex, Insula Cortex und rechter Gehirnhälfte, also Vernetzungen, die u.a. für unsere Empathie-Fähigkeit, Kreativität, Big-Picture Denken, Selbstreflexion und Selbsterkenntnis, Konzentrationsfähigkeit und Intuition zuständig sind.
Ganz im Gegensatz dazu steht unser “Saboteur-Gehirn”, das aus Stammhirn und limbischem System besteht und u.a. für unser Affektverhalten, Triebe, Steuerung von Emotionen und die daran gekoppelte Hormonausschüttung zuständig ist.
Werden wir negativ getriggert, schaltet sich zunächst immer unser Saboteur-Gehirn ein. Eine clevere Überlebensstrategie der Evolution, die uns darauf trimmt, in allem eine Gefahr zu sehen und uns auf Angriff oder Flucht vorzubereiten. Heutzutage geht es jedoch in den seltensten Fällen ums Überleben, sondern vielmehr darum, ein möglichst glückliches, gesundes und erfülltes Leben zu führen.
Als Positivitäts-Muskeln bezeichnen wir das bewusste Wechseln zwischen Saboteur-Gehirn und PQ-Gehirn, also deine Fähigkeit, deinen Verstand zu lenken, anstatt von ihm gelenkt zu werden. Je stärker diese Muskeln, desto schneller schaffst du es, dich aus der Negativitäts-Spirale herauszuholen und Stress oder Herausforderungen wirksamer, kreativer und motivierter anzugehen.
Drei kleine Übungen für deinen Positivitäts-Muskel
Wie jeder andere Muskel benötigen auch unsere Positivitäts-Muskeln regelmäßiges Training, genannt "PQ-Reps". Das sind kurze, simple Sinnesübungen, die wir zum einen bei Trigger-Situationen sofort anwenden, zum anderen aber auch mehrmals über den Tag verteilt wiederholen und trainieren, als Präventivmaßnahme sozusagen. Wer jeden Tag 3x5 Minuten seinen Positivitäts-Muskel trainiert, wird merken, dass er in herausfordernden Situationen schneller auf negative Muster reagiert und seine Positive Intelligenz aktiviert. Diese drei Übungen können dir dabei helfen:
- Das bewusste Aneinanderreiben unserer Fingerkuppen: Dabei konzentriert man sich voll und ganz auf jede einzelne Empfindung, die Formen und unterschiedlichen Strukturen die wir an unseren Fingerspitzen wahrnehmen und das Gefühl, das uns diese Übung verschafft. 2-3 Minuten voll darin eintauchen und sich nur darauf zu konzentrieren reichen in den meisten Fällen aus, um uns in einer Trigger-Situation umzupolen und die Negativitäts-Spirale zu unterbrechen.
- Bei geschlossenen Augen 2-3 Minuten lang nur auf die Geräusche in der Umgebung konzentrieren: Hör mal ganz genau hin, welches die am weitest entfernten Geräusche sind, die du noch wahrnehmen kannst und welches die Geräusche sind, die ganz in der Nähe sind.
- Den Tastsinn 2-3 Minuten ganz bewusst aktivieren: Nimm dabei einmal die Struktur, die Form, die Temperatur eines bestimmten Gegenstands genau wahr und spüre, wie du diese Berührung empfindest. Dabei kann es so simpel sein, dass du zum Beispiel die Tastatur des Computers ganz genau zu spüren und wahrzunehmen versuchst.
All diese PQ-Übungen fokussieren sich auf das bewusste Wahrnehmen und Einsetzen unserer Sinne: unser Gehör, unsere visuelle Wahrnehmung, unseren Geschmackssinn, unsere Atmung und unsere körperliche Wahrnehmung. Mit etwas Ausprobieren kann jede:r für sich selbst herausfinden, welche Übungen der persönliche Favorit für die jeweilige Situation ist.
Schritt 3: Aktiviere dein volles, positives Potential
Sein volles, positives Potential zu aktivieren und zu leben, heißt, mit Empathie für sich selbst und andere zu handeln, mit Neugierde und Offenheit an schwierige Situationen heranzugehen, innovative Lösungen zu entwickeln, auf seine Intuition und innere Weisheit zu hören und zu vertrauen und nicht zuletzt zielstrebig und unbeirrbar seine Ziele und Träume zu verfolgen. Empathie, neugierige Unvoreingenommenheit, Innovationsfähigkeit, Intuition und Aktivismus sind die Zauberwaffen unseres PQ-Gehirns.
Schauen wir nochmal zurück, zu unseren Anfangsbeispielen. Mit Hilfe unserer Positiven Intelligenz und gestärkten Positivitäts-Muskeln könnte es also auch so ablaufen:
- Im Job drohen sich die Projekte und Deadlines wieder mal nur auf unserem Tisch zu stapeln und unsere Nerven werden immer dünner und gereizter.
Durch unser PQ Wissen und Training haben wir jedoch schnell erkannt, dass es unser Controller ist, der uns hier das Leben schwer macht. Anstatt übertrieben und überfordert zu kontrollieren, können wir rechtzeitig reagieren und umschwenken. Gemeinsam mit den Kolleg:innen überlegen wir einen neuen, kreativen Weg, um die Arbeit und die Verantwortung besser aufzuteilen und sich besser über die Arbeitsfortschritte oder offenen Fragen auszutauschen und stärker zusammenzuarbeiten.
- Die Partnerin oder der Partner und die Kinder zeigen wieder mal Null Verständnis für unsere Argumente und Bedürfnisse und wir fühlen uns wie in einem Remake von "Täglich grüßt das Murmeltier".
So paradox das erstmal klingen mag, aber wenn uns andere auf die Palme bringen, dann ist vor allem erstmal Empathie gefragt. Wird dein:e normalerweise so verständnisvolle:r Partner:in bei hitzigen und emotionalen Beziehungsdiskussionen regelmäßig zu einem emotionalen Eisblock, dann ist es wahrscheinlich sein/ihr Hyper-Rational Saboteur, der die Oberhand gewinnt und ihm/ihr vorgaukelt, rational lasse sich alles besser lösen. Auf dich wirkt das jedoch verletzend, kalt und bringt dich nur noch mehr aus der Fassung. Dich in dieser Situation nicht zu stark emotional triggern zu lassen, indem du sofort deine PQ-Reps startest, ermöglicht es dir deine Empathie zu aktivieren und die mentalen Saboteur-Muster bei anderen zu erkennen. Bei dir bewirkt das wiederum, dass du dich nicht so stark persönlich angegriffen fühlst und schneller wieder zu deiner inneren Balance und Stärke gelangst. Das ist wiederum eine ganz andere Ausgangslage, um sich gegenseitig wirklich zuhören zu können, Neugierde zu entwickeln und auch mal nach einer unkonventionellen Lösung zu suchen.
- Dein Leben gleicht gerade nicht dem hübschen Vorzeige-Bild eines Influencer-Posts und dein Spiegelbild könnte durchaus einen Instagram-Filter vertragen.
Unser Master-Saboteur, der Judge, wartet nur darauf unseren gesamten Tag mit negativ eingefärbten Untertiteln zu begleiten: "Das könnte besser sein, davon könnten wir mehr haben…oder weniger, das hätten wir tun sollen und das bleiben lassen." Wenn wir unseren Positivitäts-Muskel regelmäßig trainieren, bedeutet das zwar nicht, dass wir künftig jeden Morgen unserem Spiegelbild verzückt zujubeln. Aber es ist durchaus wahrscheinlich, dass wir immer öfter hinter die banale Fassade der Saboteur-Kommentare blicken. Und uns nach einer kurzen Nacht, wenn uns unser Spiegelbild verschlafen anblickt, nicht die tiefen Augenringe und die fahle Hautfarbe auffallen, sondern uns stattdessen der Spaß und das Lachen des gestrigen Mädels-Abend, das gute Essen und der leckere Wein in den Sinn kommen.
Für unsere Judge-Saboteure sind dunkle Augenringe und Knitterfalten im Gesicht einfach nur ein lästiges Zeichen der Zeit. Durch die Linse unserer Positiven Intelligenz betrachtet, sind es wundervolle Beweise eines spannenden und von Lachen erfüllten Lebens.
Über die Autorin:
Yvonne Hendrych verbindet in ihrer Arbeit als Life Designing & Positive Intelligence Coach auf einzigartige Weise die Methodik des Brain-based Coaching®️, mit dem innovativen Ansatz von Positive Intelligence®️ und Life Designing. Seit mehr als 5 Jahren verhilft sie damit Menschen zu einem neuen Lebensgefühl und zu mehr Lebensfreude, Liebe und Erfolg. Ihr eigenes Leben, ihre Liebe und ihre beruflichen Träume verbringt und verwirklicht sie zwischen ihrer Heimat München und ihrer Wahlheimat Rio de Janeiro. Mehr Informationen und nächste Trainingsmöglichkeiten ihres 6-wöchigen Positive Intelligence Signature Kurses findest du hier.
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