Nichts inspiriert unsere Chefredakteurin so sehr wie andere Menschen. Diesmal sprach sie mit ihrer Freundin Marta, die längst nicht mehr daran geglaubt hat, dass ihr größter Wunsch in Erfüllung geht – nämlich Mutter zu werden
Der sehnlichste Wunsch meiner Freundin Marta war es, Mutter zu werden. Nach ihrer Heirat war sie, damals 34, gleich mit Zwillingen schwanger, doch in der zehnten Woche kam es zu einer Fehlgeburt. Für Marta war das der Beginn einer langen Phase des Schwangerwerden-Wollens. Als unzählige Versuche einer künstlichen Befruchtung gescheitert waren, entschlossen sie sich, ein Kind zu adoptieren und begannen mit ihrer Adoptionsbewerbung. Erst als sie nach insgesamt acht Jahren die Hoffnung schon aufgegeben hatten, kam der entscheidende Anruf. Wir sprachen über das Gefühl, so plötzlich Mutter zu werden...
Katarzyna Mol-Wolf: War Adoption für Euch von Beginn an ein möglicher Weg Eltern zu werden?
Marta: Ich glaube, niemand entscheidet sich sofort für eine Adoption, wenn er nicht weiß, ob er nicht auch so schwanger werden kann. Allerdings hatten wir schnell das Gefühl, dass für uns auch eine Adoption eine Option wäre. Uns war nicht wichtig, ein Kind zu haben, um ein Abbild von uns darin zu sehen. Uns ging es darum, mit einem Menschen eine Familie zu gründen, dem wir unsere Werte übermitteln, unsere Vorstellung vom Leben mitgeben können, um aus ihm hoffentlich einen glücklichen Menschen zu machen. Und dazu brauchten wir keine leiblichen Kinder.
Ihr habt lange versucht, ein Kind aus Südamerika zu adoptieren, was schließlich an der Bürokratie gescheitert ist. Trotzdem habt Ihr nicht aufgegeben...
Nein, irgendwie sind wir Glückskinder. Ein Bekannter meines Mannes machte uns auf den Trägerverein Findefux in Bochum aufmerksam, der ungewollt Schwangere betreut und gewissermaßen als ultima ratio eben auch Adoptivkinder vermittelt. Wir dachten, das machen wir noch. Fühlten uns bei Findefux gleich geborgen, viel vertrauter als beim Jugendamt. Aber auch hier mussten wir zunächst wieder Unterlagen sammeln und ein Exposee über uns erstellen – den wichtigsten Salesfolder unseres Lebens! Findefux schlägt Müttern, die ein Kind abgeben und bei der Auswahl der Adoptiveltern mitbestimmen wollen, zwei in Frage kommende Elternpaare vor. Die Mutter wählt dann das Paar aus, das ihre Erwartungen an die künftigen Eltern ihres Kindes am besten erfüllt. Daher war auch nicht so wichtig, dass ich schon 42 war. Als neun Monate lang wieder nichts passierte, entschieden wir uns, unseren Kinderwunsch endgültig zu begraben. Wir bestätigten einander, dass wir auch ohne Kind glücklich sein würden. Spürten, dass wir die Zeichen, dass es wohl nicht sein sollte, endlich akzeptieren mussten. Wollten wieder mehr Fernreisen machen und starteten nach Tokio, um einen Freund zu besuchen.
Trägerverein Findefux
Findefux ist 24 Std. täglich über die 0800-Notrufnummer oder per mail unter adoption@findefux.org zu erreichen. Um einen kleinen Eindruck der Arbeit zu erhalten, sind unter www.findefux.org Berichte von Adoptivfamilien und Ratsuchenden zu lesen. Findefux sucht dringend weitere Adoptionsbewerber-Paare, die am (kostenpflichtigen) Überprüfungsverfahren teilnehmen wollen – siehe www.findefux.org!
Vor 11 Jahren startete Findefux die Arbeit als erste und immer noch einzige Beratungs- und Adoptionsvermittlungsstelle in Deutschland, die weder einen kommunalen noch kirchlichen Träger hat. Findefux hat die staatliche Anerkennung als autonome Inlands-Adoptionsvermittlungsstelle. Findefux arbeitet bundesweit.
Wusstest Du eigentlich, woran es lag, dass Du nicht schwanger wurdest? Nein und das war das Schlimmste daran. Es schien ein medizinisches Problem zu geben, das uns aber keiner attestieren konnte. Es wäre einfacher gewesen, wenn wir gewusst hätten, dass einer von uns ein gesundheitliches Problem hat. Denn so gab es immer diesen letzten Funken Hoffnung.
Aber dann kam ja der Anruf...
In Tokio. Eine Nummer, die ich nicht abgespeichert hatte, auf meinem Display. Ich nahm nicht ab, wir waren ja in Japan. Als die gleiche Nummer bei meinem Mann anrief, dachten wir, dass vielleicht etwas passiert war und nahmen ab. Und dann kam dieser unglaubliche Aussage: "Wo sind Sie denn? Sie sind von einer Mutter ausgesucht worden, in 5 Tagen soll die Geburt des Kindes stattfinden". Wir setzten uns aufs Hotelbett. Tränen liefen. Wir standen unter Schock. Ich kann bis heute nicht sagen, was wir unserer Ansprechpartnerin bei Findefux geantwortet haben. Sie redete lange, merkte aber, dass wir nicht bei der Sache waren. Dann stockte sie und sagte, dass wir wohl lieber am nächsten Tag weitersprechen sollten. Wir stiegen sofort in den Flieger zurück nach Deutschland.
Ihr musstet Euch entscheiden, ob Ihr die Adoption immer noch wolltet?
Ja, aber wir haben sofort zugesagt. Wir hatten fünf Tage bis zur Geburt. Ich habe immer Flugangst, doch diesmal merkte ich davon gar nichts. Ich war voller Freude und nur damit beschäftigt, zu begreifen, was gerade passierte. Die Information war so groß, dass es mir bis heute schwer fällt zu sagen, wie man das Ganze überhaupt erfassen kann. Dann schaltete mein Körper in den Lösungsmodus: Ich machte eine Liste, an was wir von Maxicosi über Hebamme bis Erziehungsurlaub alles denken mussten.
Keine Angst vor der plötzlichen Verantwortung?
Keine Sekunde. Die einzige Panik, die bei uns aufkam, war die, dass die Mutter es sich noch einmal anders überlegen würde. Die Angst hatten wir bis zum Ende der ersten acht Wochen. Denn erst dann kann die Mutter zum Notar gehen und die Freigabeerklärung unterschreiben. Es gibt einige Adoptionsvermittlungen, in denen das erst später geschieht. Das wussten wir. Diese Panik begleitete uns, bis endlich die Nachricht des Notars kam, dass Benedikt* bei uns bleiben konnte.
Wie fühltest Du Dich, als Du Benedikt das erste Mal im Arm hieltest?
Ich war sofort Mutter. Vom ersten Moment an konnte ich mir für mein Leben nichts anderes mehr vorstellen. Alles fühlte sich ganz normal an. Als würden wir schon immer zusammengehören.
Erinnerst Du noch Deinen ersten Satz an Deinen Sohn?
"Benedikt, da bist Du ja endlich!"
Wie hat sich Euer Leben mit ihm verändert?
Wir hatten auch vorher ein schönes Leben, aber es war wie hinter einem grauen Schleier. Alles war gut, der Erfolg im Beruf stimmte, das Geld war da. Aber es fehlte uns etwas Sinngebendes. Benedikt gibt unserem Leben mehr Licht, mehr Freude.
Wie hat Dein Arbeitgeber reagiert?
Meine Chefin hat sich nur gefreut, obwohl es eine enorme Herausforderung für sie war. Sie hatte die ganzen Jahre mit uns durchlebt und machte es mir daher leicht, zwei Tage später mit gutem Gewissen für ein Jahr in Elternzeit zu gehen.
Hat Euch das Elternwerden als Paar verändert?
Ja, es ist eine Herausforderung. Die gesamte Kinderwunschphase hatte uns sehr zusammengeschweißt. Wir haben uns nie gegenseitig die Schuld gegeben, dass es nicht klappte – im Gegenteil: Wir rückten noch näher aneinander. Und plötzlich war Benni da, der Ansprüche an uns hatte. Plötzlich stand der Partner nicht mehr im Mittelpunkt, sondern unser Kind, dem jeder von uns seine ganze Liebe gab. Wir mussten uns als Paar neu definieren. Neu zusammenwachsen. Unsere Zeiten finden. Aber das geht wohl allen frischgebackenen Eltern so – und lief ganz gut bei uns.
Was möchtest Du Frauen mitgeben, die einen unerfüllten Kinderwunsch haben?
Lasst nichts unversucht, was sich für Euch gut anfühlt! Wenn man wirklich ein Kind möchte, sollte man alles versuchen. Denn bei den Paaren, die wir in den Adoptionsgruppen kennenlernten und die nicht bereit waren alles zu geben klappte es auch nicht. Einige nahmen sich dann einen Hund, andere trennten sich. Aber bei denjenigen, bei denen wir spürten, dass sie alles für ein Kind geben würden, die sind dann auch auf irgendeinem Weg irgendwann Eltern geworden.
Wie blickst Du heute auf die acht Jahre Kinderwunsch zurück?
Mit einem Lächeln. Wir haben uns viele Jahre sehr gequält. Ich auch aufgrund der Hormone, der Stimmungsschwankungen und Depressionen. Ich hätte damals nie gedacht, dass ich auf diese schlimme Zeit mit einem Lächeln zurückschauen würde. Heute kann ich das. Ich weiß, wofür das alles war. Jede einzelne Hormonspritze hat sich gelohnt. Und am Ende bin ich sehr froh, dass die künstliche Befruchtung nicht geklappt hat: Denn sonst hätten wir unseren kleinen Benni nicht…!
*Namen von der Redaktion geändert.