Mechatronikerin oder Telematikerin? Wer Ingenieurin werden will, kann unter zahllosen Studiengängen wählen. Und die Job-Chancen sind auch nicht schlecht
Wer sich in die unendlichen Weiten des Ing.-Kosmos begibt, kann sich schon mal verirren. Unzählige Trabanten umkreisen die sechs Hauptplaneten – allesamt lohnende Ziele für Entdeckernaturen. So sehr sie sich voneinander unterscheiden, haben sie doch eines gemeinsam: Sie sind Wunschziel einer wachsenden Zahl von Frauen, die sich für eine ingenieurwissenschaftliche Ausbildung interessieren. In der Tat lag der Frauenanteil bei den Erstsemestern 2009/10 bundesweit bei fast 50 Prozent; 6,7 Prozent mehr als im Vorjahr.
Übrigens: Schreiben sich Frauen für die klassischen Fächer Maschinenbau, Elektrotechnik oder Bauingenieurwesen ein, studieren sie Wirtschaftsingenieurwesen, Verfahrenstechnik oder Informatik, tun sie das nicht der Karriere, sondern der Inhalte wegen.
Mechatronik, Telematik und Computervisualistik
Den passenden Studiengang zu finden, erweist sich im Einzelfall jedoch alles andere als leicht: Zwar gehören die "Big Six" der Ingenieurwissenschaft nach wie vor zu den größten Fakultäten an den Hochschulen, aber unter und neben ihnen hat sich eine unglaubliche Palette neuer Fächer etabliert. Schon mal etwas von Mechatronik, Telematik oder Computervisualistik gehört? Fachrichtungen wie Ressourcen-Management, Mikro- und Nanotechnik oder Medizinische Informatik klingen da schon etwas vertrauter. Über 2500 ingenieurwissenschaftliche Studiengänge locken den Nachwuchs an – Ausdruck unseres hoch technisierten, immer komplexer werdenden Lebens, das jede Menge Spezialwissen erfordert.
Poleposition also für einen erfolgreichen Start ins Berufsleben? Die Wirtschaft meldet in der Tat einen erheblichen Bedarf an qualifizierten Ingenieuren. Verschiedene Studien belegen einen erstaunlich hohen Mangel an Fachkräften: Laut Projektionen des Forschungsministeriums etwa steht zu befürchten, dass bei weiterhin niedrigen Absolventenraten bis 2014 jährlich bis zu 12.000 Nachwuchsingenieure fehlen werden. Eine ideale Ausgangssituation für Studienabgängerinnen, die sich in einer nach wie vor von Männern dominierten Berufswelt verwirklichen wollen?
Mint-Frauen häufiger arbeitslos als Männer
Franziska Schreyer kommt in ihrer Studie aus dem Jahr 2008 allerdings zu einem anderen, ernüchternden Ergebnis: Frauen mit einem Abschluss etwa in Maschinenbau, Elektrotechnik oder Informatik seien gegenüber ihren männlichen Exkommilitonen meist im Nachteil und häufiger arbeitslos (siehe Interview Franziska Schreyer). Die Gründe dafür sind vielfältig: es fehlen Teilzeitangebote, Kinderbetreuungsmöglichkeiten – sowie eine Unternehmenskultur, die Frauen grundsätzlich die gleiche Technikkompetenz zugesteht wie Männern.
Zu einer gegenteiligen Einschätzung kommt jedoch die Unternehmerin Silke Haupthoff-Lau, die in Hamburg ein Ingenieurbüro für Wasser- und Verfahrenstechnik leitet. Frauen seien Männern gegenüber in Ingenieurberufen nicht im Nachteil: "Frauen sind oft kompetenter als Männer, weil sie sich intensiver mit einer Sache auseinandersetzen." Sie sagt: "Ich persönlich habe das Frausein nie als Wettbewerbsnachteil empfunden – im Gegenteil. Allerdings wusste ich mich immer schon durchzusetzen und mit Kompetenz und guten Ergebnissen auf mich aufmerksam zu machen." Zusammen mit einer professionellen Mentoring-Organisation initiiert sie derzeit in Hamburg ein Projekt, in dessen Rahmen junge Frauen von der Abi-Zeit über das Ingenieurstudium bis in die Betriebe hinein begleitet werden sollen.
Auf dem Weg in die unendlichen Weiten des Ing.-Kosmos werden sich diese Jung-Akademikerinnen ganz sicherlich nicht verirren.
Links zur MINT-Branche
- Informationen zur Ingenieursnachwuchs-Initiative von Gesamtmetall "Think Ing." gibt es unter
- Das Netzwerk "Frauen im Ingenieurberuf fib" informiert unter
- Gutachten und Studien der Expertenkommission Forschung und Innovation finden sich unter
- Link zum Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB)