In ihrem neuen Buch "Geisterreise" begibt sich Marie Pohl auf die Suche nach Geisterglaube und Wahrnehmungen in anderen Kulturen. Im Interview schildert sie gewonnene Erkenntnisse.
EMOTION: Wie sind Sie dazu gekommen, in der ganzen Welt nach Geistern zu suchen?
Marie Pohl: Diese Frage beantworte ich auch im Buch gar nicht so genau, denn man weiß manchmal einfach nicht, wohin es einen verschlägt und warum. Ich denke, ich bin einem Instinkt, einem Gefühl gefolgt.
Gab es denn einen Auslöser, der dieses Gefühl erweckt hat?
Der Auslöser war tatsächlich die Begegnung auf Kuba mit einer Priesterin. Ich habe mir ihr Ritual angesehen und während dieser Zeremonie, dadurch dass verschiedene Geisterwesen in die Priesterin hineingefahren sind, hat sie sich mehrmals so stark und beeindruckend verändert, dass es mich gepackt hat. Kaum eine Schauspielerin hätte das auf eine solche Weise darstellen können. So wurde ich offen für diese Dinge, man könnte sagen, es ist zu mir gekommen an diesem Tag.
Was war die kraftvollste Erfahrung, die Sie gemacht haben?
Die Zeit auf Bali, als ich fast gestorben wäre. Ich denke, wenn man dem Tod so nahe ist und dann wieder gesund wird, dann spürt man plötzlich eine unglaubliche Kraft, die mit nichts zu vergleichen ist. Außerdem gab es eine Reinigungszeremonie, einmal in der Nacht. Dort war ich alleine bei einem Priester, der etwa drei Stunden lang wunderschön und ruhig gesungen und mich mit Wasser beworfen hat. Es fühlte sich tatsächlich reinigend an! Danach ging es mir wirklich, als sei ich mit allen Wassern gewaschen (lacht). Anschließend saßen wir im Auto, es war spät nachts, der Wind fuhr mir durch die Haare und ich dachte: Es gibt sie, diese Momente in denen man die Freiheit schmecken kann.
Finden Sie, in unserer westlichen Kultur fehlt uns etwas, das Sie vielleicht anderswo gefunden oder gespürt haben?
Ja. Auf jeden Fall. Ich glaube, uns fehlt das Bewusstsein der eigenen Kraft. Man hat es schon so oft gehört, aber der Körper hat eine unfassbare Selbstheilungskraft, das vergessen wir häufig. Ich lebe zwar hier in Amerika, aber in Deutschland ist es nicht anders: Die Menschen nehmen schnell gegen jede kleine Krankheit Medizin, wobei der Körper vieles selbst in den Griff bekommt.
Mental tendieren wir dazu, andere für unser Unglück oder unsere Umstände verantwortlich zu machen. Wir verlassen uns in der westlichen Welt viel zu wenig auf unsere körperlichen und geistigen Kräfte, die wir in uns tragen. Absurderweise steht unsere westliche Welt dennoch gerade an einem Punkt, an dem sie zumindest so tut, sich mit dem Ich zu beschäftigen, aber es ist ein ständiges, lautes "Ich, Ich, Ich", das oberflächlich daher kommt und dem die Verbindung von Körper, Verstand und Spiritualität fehlt und das andere zur Verantwortung zieht, wo es sich eigentlich selbst am besten täte.
Und wie werden Menschen in unserer Kultur wahrgenommen, die an Geister glauben?
Das beschreibt auch der Magier oder Schamane, den ich getroffen habe, in meinem Buch ganz gut. Menschen, die in unserer Welt erzählen Kontakt zu Geistern zu haben, sind schon immer Randfiguren gewesen. Mir selbst geht das manchmal so. Ich wurde auch schon sehr abfällig gefragt, warum ich mich denn mit diesem Thema befasse, es gäbe doch gar keine Geister. Ich finde das arrogant, denn wenn Sie jetzt zum Beispiel sagen, Sie sähen einen Geist, könnte ich Ihnen doch nicht diese Wahrnehmung nehmen oder Ihnen Vorhaltungen machen. Wenn Sie etwas sehen und ich nicht, heißt es nicht, dass es nicht da ist. Für Sie ist es da, ich kann es Ihnen nicht wegnehmen.
Wie kann man, Ihrer Einschätzung nach, gut leben, ob man nun an Geister glaubt oder nicht?
Momentan ist mein größter Kritikpunkt an unserer Gesellschaft die Abhängigkeit der Menschen. Abhängig von Medikamenten, Psychologen, anderen Menschen, von Statussymbolen. Viele beschweren sich auch über diesen Abhängigkeitskäfig. Aber im Grunde ist niemand gezwungen, abhängig zu sein. Jede Entscheidung ist deine eigene. Und dieses Bewusstsein, habe ich das Gefühl, kommt in unserer Gesellschaft manchmal zu kurz. Die Menschen sollten sich öfter darauf besinnen.
Höre ich da Jean-Paul Sartre heraus?
(lacht) Ich habe ihn jetzt nicht offen vor mir auf dem Schreibtisch liegen. Aber was ich derzeit viel lese ist Heinrich Zimmer, einer der besten Indologen, meiner Meinung nach. Er hat viele Bücher über die indische Mythologie verfasst und schreibt ein sagenhaftes, sehr feines Deutsch.
Was sollte man von Heinrich Zimmer lesen?
Ich finde die Bücher alle toll! Aber "Indische Mythen und Symbole" möchte ich wirklich empfehlen.
Haben Sie einen magischen Ort, an dem Sie denken: Wenn ich hier bin, ist alles gut?
Der Strand und das Meer, egal wo. Wenn ich im Meer bade, ist alles gut. Es klingt so banal, aber ich empfinde es so, dass das Meer einen großen Zauber mit sich führt. Aber auch die Natur, der Himmel, der Wald. Wenn man sie um sich spürt, ist es tatsächlich als wären dort Geister oder vielleicht auch nur ein eigenes großes Wesen, eine große Kraft, die die Natur ausmacht und die es sich zu erkennen lohnt.
Würden Sie empfehlen unbedingt etwas Bestimmtes zu tun im Leben?
Ich glaube, man sollte auf jeden Fall versuchen zu reisen. Jedem Menschen würde ich empfehlen, mal in ein Land zu fahren, in dem die Kultur eine ganz andere ist, in dem man völlig unterschiedlich im Vergleich zu unserer Welt lebt. Zumindest aber sollte man etwas essen, das man noch gar nicht kennt und von dem man nicht weiß, wie es wohl schmecken wird.
Vielen Dank für das Interview.
Das Hörbuch können Sie hier kaufen:
Geisterreise
Das Buch "Geisterreise" erscheint am 25. Juli:
Geisterreise (Literatur (deutschsprachig))
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