Jeder Mensch ist kreativ, aber manchmal müssen wir an die Hand genommen werden. Künstlerin Sabina Bockemühl verrät uns ihre Kreativitäts-Tipps.
Kreativität steck in jedem von uns – doch nicht jeder nutzt und pflegt seine kreative Ader. Zu wenig Zeit, keine Ideen und die Angst, sich lächerlich zu machen, hindern viele Menschen daran, einfach loszulegen. Dabei kommt es nicht auf das Ergebnis an, sondern auf das eigene Gefühl, etwas Neues aus seiner eigenen Vorstellung geschaffen zu haben. Wer ein bisschen Auffrischung in Sachen Erfindungsgabe braucht, kann sich zu Kreativkursen anmelden – ganz der eigenen Leidenschaft entsprechend können Mal-, Fotografie- oder Schreibkurse wahre Wunder wirken, um dem schöpferischen Geist auf die Sprünge zu helfen. Aber wie ist das eigentlich, wenn Kreativität zum Job gehört und man auf Knopfdruck neue Ideen produzieren muss?
Wir haben mit der freischaffenden Künstlerin Sabina Bockemühl gesprochen, die im oberbayerischen Künstlerdorf Murnau wohnt und arbeitet und dort in ihrem Kunst-Atelier Malkurse und Workshops anbietet.
Emotion.de: Kreativität ist bei Künstlern ja quasi Grundvoraussetzung. Waren sie schon immer gut darin, Neues zu erschaffen?
Sabina Bockemühl: Meine Mutter Pianistin, mein Vater Maler und Musiker, so habe ich die Kreativität schon sehr früh regelrecht aufgesogen. Ich hatte unzählige Ideen im Kopf, mit denen ich meine Eltern und Lehrer oft in die Verzweiflung trieb. Ich verwandelte im Handumdrehen die Küche meiner Mutter in ein Schlachtfeld und kreierte ganze Menüs mit Leidenschaft. Oder es spukte ein Bild in meinem Kopf herum und mein Vater stöhnte, da wieder mal alle Farbtuben offen blieben und er nichts mehr wieder fand. Im Geschichten erfinden war ich ganz groß, meine Deutschlehrerin meinte deshalb, ich solle doch Schauspielerin werden. Anstrengend für meine Umwelt war aber, dass ich meine Ideen immer sofort in die Tat umsetzten musste. Geduld war nie meine Stärke, Ausdauer schon.
Was machen Sie, wenn die Kreativität einfach nicht einsetzen will?
In den vergangenen 20 Jahren ist mir das noch nicht passiert. Ich habe eher das Problem, dass mir die Zeit fehlt, um alle meine Bilder im Kopf auf die Leinwand zu bringen.
Gibt es Dinge oder Orte, die Sie zu neuer Kreativität inspirieren?
Ich bin ein visueller Mensch, alles um mich herum inspiriert mich in irgendeiner Form. Das können Menschen sein, denen ich begegne oder ein Ausflug in die Natur. Ich liebe es auch, durch Museen zu schlendern. Ich habe Lieblingsplätze auf Mallorca, zum Beispiel die kleinen Gassen in Palma oder die Straßenkünstler. Hier tanke ich auf.
Ihr Lebensmotto ist ja "Leben ist Chaos. Das sollte man genießen." (John Lydon, Sex Pistols) – sind sie im Chaos kreativer?
Ja, das ist richtig. In der Kreativität vergesse ich alles um mich herum. Mein Arbeitsplatz ist chaotisch, ich lasse alles liegen und stehen. Aufgeräumt wird erst, wenn ich gar nicht mehr treten kann. Ich meine aber nicht nur das Chaos im Atelier, sondern es ist eine Metapher für das Chaos in meinem Kopf und in meinen Gefühlen. Das brauche ich, um etwas schaffen zu können. Außerdem passt wohl auch die Aussage von Mark Twain zu mir: "Gäbe es die letzte Minute nicht, so würde niemals etwas fertig!"
Sie geben ja auch Malkurse – wie helfen Sie ihren Schülern, wenn diese absolut keine Idee haben?
Eine gute Methode ist, erstmal die Leinwand zu grundieren. Dann entstehen aus Farben und Formen oft schon die ersten Ideen. Ansonsten versuche ich meinen Schülern zu vermitteln, dass man alles malen kann. Ich frage dann: Was gefällt dir? Das Foto deiner Tochter, auf dem sie im Sandkasten spielt, die Blumen in deinem Vorgarten oder das Bierglas auf deinem Gartentisch? Die Kunst ist, wie ich es male, welche Komposition ich wähle. Dabei stehe ich helfend zur Seite.
Gibt es in der Malerei Kreativitäts-Übungen, die wir auch zu Hause umsetzen können?
Eine gute Übung ist diese: Betrachten Sie 30 Sekunden einen Gegenstand. Dann schließen Sie die Augen und zeichnen diesen auf einem Stück Papier oder einfach in Ihren Gedanken nach.
Wie schaue ich mir eigentlich meine Umgebung an? Man merkt sehr schnell – wenn man sich mit der Malerei beschäftigt – dass man anders sieht.
Gibt es ein Werk von Ihnen, bei dem die Kreativität regelrecht "zugeschlagen" hat und das in kürzester Zeit fertig war?
Ja, das sind sehr intime temporäre Bilder, wie zum Beispiel das Werk "du und ich". Ich habe das Bild in einer Zeit starker Unsicherheit gemalt.
Man sieht eine junge Frau, die sich an einen Tiger – hier als Symbol für Stärke – anschmiegt. Dieses Bild ist in wenigen Tagen entstanden und vermittelt mir Sicherheit. Es ist eine Liebeserklärung an meinen Mann.
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