Im Interview erklärt Ursula Nuber, Diplompsychologin und stellvertretende Chefredakteurin von "Psychologie Heute", dass die Ursachen für eine Depression bei Frauen andere sind, als bisher angenommen.
Ihr neues Buch "Wer bin ich ohne dich? Warum Frauen depressiv werden - und wie sie zu sich selbst finden" deckt neue Blickwinkel auf die Depressionskrankheit bei Frauen auf. Studien belegen, dass erheblich mehr Frauen unter Depressionen leiden, als Männer. Die Begründungen sind verschieden, liefern aber meist keine gänzlich befriedigenden Lösungen. Ursula Nuber gelingt ein Logik-Zusammenhang, der eigentlich auf der Hand liegt: Frauen erleben gerade in Beziehungen andere Arten von Stress als Männer und sind damit stärker depressionsgefährdet.
EMOTION: Was möchten Sie mit Ihrem Buch erreichen?
Frauen erkranken nachgewiesen häufiger an Depressionen als Männer. Mir ist wichtig, dass diese Frauen einen anderen Blick auf sich selbst erhalten. Dass sie erfahren, welche Ursachen hinter ihren Depressionen stecken, denn diese Ursachen sind andere, als die, die üblicherweise diskutiert werden. Mein zweites Anliegen richtet sich an Experten, also sowohl Psychotherapeuten als auch zum Beispiel Hausärzte. Sie sollten sensibler für die Problematik werden und tiefer reichende Fragen stellen, wenn eine Frau Symptome für eine Depression zeigt.
Wieso werden so viele Frauen depressiv?
Die Depression ist eine Stresskrankheit, daran rüttelt inzwischen niemand mehr. Extremer Stress im Leben oder der Kindheit kann die Weichen stellen für eine Depression. Frauen leben in einem sozialen Geflecht aus Beziehungen und fühlen sich für diese häufig verantwortlich und wenn sie in diesen Beziehungen Druck und Stress erleben, belastet sie das mehr als Männer. Sie sind also einer ganz anderen Art Stress ausgesetzt als Männer. Vor allem, wenn sie in Beziehungen oder Partnerschaften nicht genug zurück bekommen.
Warum machen Frauen sich abhängig von Beziehungen?
Ich spreche nicht von Abhängigkeit! Das wird Frauen oft unterstellt; sie seien die Bedürftigen und Abhängigen, sie müssten nur ein bisschen autonomer und unabhängiger sein, dann ginge es ihnen schon besser. Doch wir Frauen leiden nicht unter Abhängigkeit, wir sind einfach sehr beziehungsorientiert. Das ist eine gute Eigenschaft, denn ohne Geborgenheit und Wärme in Beziehungen stünden unsere Familien und letztlich die gesamte Gesellschaft viel schlechter da. Schwierig wird es für Frauen, wenn sie allein gelassen werden, also keine Resonanz mehr bekommen. Gerade für depressiv erkrankte Frauen ist es schlimm, wenn sie keine Einbindung mehr erfahren.
Und wenn man schon Mädchen zu noch mehr Selbstständigkeit erziehen würde, könnte das nicht die Eigenständigkeit und das Selbstbewusstsein der späteren Frau fördern?
Das ist nicht falsch, aber ich sehe es auch ein bisschen kritisch. Man müsste junge Frauen darin bestärken, dass ihr Wunsch nach Bindung etwas völlig Normales und Wichtiges ist. Natürlich ist es wichtig, dass Mädchen unabhängig und selbstständig sind. Aber das könnte auch dazu führen, dass Bedürfnisse nach Geborgenheit, Nähe und Zuwendung als falsch empfunden werden. Gerade wenn Mädchen in die Pubertät kommen, sind sie stark verunsichert und dann kann es sein, dass Depressionen auftauchen.
Sehen Sie auch bei den Medien eine Teilschuld?
Gerade im letzten Jahrzehnt haben wir gesehen, wie die Frau von heute sein soll: Tough, autonom, unabhängig, nicht so gefühlvoll. Das sind Attribute, die man eher einem Mann zuschreibt. Durch dieses dargestellte Bild sind viele Frauen verunsichert und bemühen sich, so zu sein. Bis sie irgendwann merken, welch hohen Preis sie zahlen. Das Beziehungsfeld ist für uns nun mal elementar wichtig. Wenn wir uns das selbst wegnehmen und härter werden, nehmen wir uns etwas ganz Wesentliches.
Was sollte sich ändern?
Die sozialen Berufe werden überproportional oft von Frauen angenommen und sind eher schlecht bezahlt. Wir brauchen mehr Wertschätzung und Anerkennung für die Beziehungsarbeit, die Frauen leisten. Wir brauchen auch mehr weibliche Rollenvorbilder in den Medien. Natürlich dürfen wir dabei das geschichtliche Rad nicht zurückdrehen, das ist klar.
Sind die heutigen jungen Frauen selbstbewusster?
Ja, ich denke schon. Sie sind häufiger mit einem gesunden Egoismus ausgestattet, als ältere Generationen. Aber ich stelle nach wie vor in meiner Praxis fest, dass auch die junge Frauen sich wünschen, in stabilen, funktionierenden und sie selbst fördenden Beziehungen zu sein. Und wenn sie da leer ausgehen, haben sie oft Schwierigkeiten. Dahingehend hat sich nichts geändert und wird sich auch nichts ändern. Weil Frauen so sind, wie sie sind. Und das ist gut so.
Ursula Nuber ist Diplompsychologin und stellvertretende Chefredakteurin bei "Psychologie Heute". Sie betreibt eine eigene Praxis in Ladenburg und bietet dort psychologische Beratung, Paartherapie und Coaching an. Sie hat bereits mehrere Bücher zu verschiedenen psychologischen Themen veröffentlicht.
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