Leo Martin verrät, wie man es schafft, dass Menschen einem vertrauen. Er muss es wissen - schließlich arbeitete er zehn Jahre lang als Geheimagent für den deutschen Nachrichtendienst.
Leo Martin ist als ehemaliger Agent Experte für unterbewusst ablaufende Denk- und Handlungsmuster. Diese können sich auch im "normalen Leben" - fernab von verdeckten Ermittlungen und Spionage - positiv bemerkbar machen. Ob in Partnerrschaft, Job oder im Alltag: Wie kann ich Menschen für mich gewinnen? In seinem Buch "Ich krieg' dich", einer Mischung aus Agentenstory und Ratgeber, fasst Martin seine Erfahrungen amüsant zusammen und gibt Tipps für den Umgang mit anderen.
EMOTION: Herr Martin, wie kann man Menschen für sich gewinnen?
Leo Martin: Indem man sich in sie hineinversetzt. Wechseln Sie mal die Perspektive: Wie sieht Ihr Gegenüber die Situation? Verständnis baut Vertrauen auf und das ist wichtig für eine gute Kommunikation. Auch wenn Sie ein "eigenes Ziel" verfolgen, sei es beispielsweise ein Gefallen, den Ihnen jemand tun soll, aber auch Alltägliches wie ein Umtausch ohne Kassenbon oder die Reperatur in der Autowerkstatt, dürfen Sie den anderen dabei nicht übergehen.
Was ist die Grundvoraussetzung dafür, dass das funktioniert?
Authentizität und Verbindlichkeit. Es geht nicht darum, sich für jemanden zu verstellen, sondern ihm ein Stück weit entgegenzukommen, sich ihm zu öffnen. Ich muss ihm zeigen, wofür ich stehe. Das schafft Stabilität.
Um andere einschätzen zu können, braucht man gute Menschenkenntnis. Wie viel Psychologie steckte in Ihrem Job als Agent?
Tatsächlich viel! Will man bei Menschen etwas erreichen, muss man ihre Grundbedürfnisse befriedigen, besonders die nach Sicherheit und Anerkennung. Das hat nichts mit Manipulation zu tun, eher mit ehrlicher Sympathie und Einfühlungsvermögen.
Ihre Informanten hatten meist einen kriminellen Hintergrund. Durften die einem sympathisch sein?
Das war eine professionelle Art der Freundschaft. Aber auch die funktionierte nur mit aufrichtigem Interesse am anderen, unabhängig von der Ausgangssituation. Sympathie kann man nicht spielen – versuchen Sie, eine positive Eigenschaft Ihres Gegenübers zu entdecken, auf die Sie sich konzentrieren können. Wir haben ja häufig mit Menschen zu tun, die wir nicht unbedingt sympathisch finden.
Einerseits authentisch "man selbst" sein und sich gleichzeitig in den anderen hineinversetzen. Ganz schön viel, wenn man dabei auch noch eigene Interessen verfolgen will, oder?
Zeigen Sie Profil von sich, so kann Ihr Gegenüber sich auf Sie einstellen. Dichtmachen funktioniert nicht. Sie wollen ja etwas haben, dafür müssen Sie auch bereit sein, etwas zu investieren. Behalten Sie Ihr Ziel vor Augen, aber geben Sie dem anderen eben auch die Möglichkeit, sich Ihnen anzunähern, sonst fühlt er sich ausgenutzt.
Leo Martin, geboren 1976, studierte Kriminalwissenschaften und war zehn Jahre lang für den deutschen Nachrichtendienst tätig. Dort deckte er brisante Fälle der organisierten Kriminalität auf, führte verdeckte Ermittlungen, warb Informanten an. Er gewann ihr Vertrauen und brachte sie dazu, Insiderwissen preiszugeben.
Sein Buch "Ich krieg dich" erschien bei Ariston und ist auch als Hörbuch erhältlich.