Wenn der Posteingang blinkt, hat man das Gefühl, sofort reagieren zu müssen. Tun Sie's nicht, sagt Coach Günter Weick. Und erklärt, wie man sich seinen eigenen Arbeitsrhythmus zurückerobert
Laut Studien beschäftigen wir uns im Schnitt eineinhalb Stunden am Tag mit dem Lesen und Versenden elektronischer Briefe. Büroarbeiter verbringen sogar bis zu einem Viertel ihrer täglichen Arbeit mit dem Leeren des Posteingangs. Was ursprünglich dazu gedacht war, Kommunikation zu er leichtern, sorgt heute oft für Stress. Warum lassen wir es zu, dass die elektronische Post unseren Alltag bestimmt?
Die Gründe sind menschlich
Die Gründe dafür sind zutiefst menschlich: Zum einen plagt uns die Neugierde – schließlich haben wir im Laufe der Evolution gelernt, dass Information lebenswichtig sein kann. Zum anderen erzeugen E-Mails ein Gemeinschaftsgefühl. In den getippten Zeilen herrscht oft ein vertraulicherer Ton als in Briefen oder Telefonaten. Deshalb glauben viele, jede E-Mail könne wichtig sein, damit man Teil der "Gemeinde" bleibt. Wir haben den Eindruck, den Absender nicht warten lassen zu dürfen. Und daran, dass elektronische Post so schnell wie möglich bearbeitet wird, hat man sich inzwischen gewöhnt: Untersuchungen zeigen, dass es in Deutschland als unhöflich gilt, wenn man eine geschäftliche E-Mail nicht binnen 24 Stunden beantwortet. In den USA wird der Absender schon nach drei Stunden ungeduldig. Zudem gibt uns ein geleerter Posteingang das Gefühl, wir hätten etwas geschafft.
Eine Anekdote: Ich war dabei, als in einem Unternehmen das E-Mail-System für einige Stunden ausfiel. Plötzlich liefen alle Mitarbeiter durch die Flure – keiner wusste, was er tun sollte. Als wäre es die Hauptaufgabe der Angestellten, E-Mails zu beantworten!
"E-Mail-freie-Freitag": Eine sinnvolle Lösung?
Soll man also besser auf elektronische Post verzichten, zumindest tageweise, wie es die Initiative "E-Mail-freier Freitag" fordert? Nein – das wäre so falsch wie die Forderung, wieder auf Pferdekutschen umzusteigen, weil es durch die Autos so viele Verkehrstote gibt. E-Mails sind ein hilfreiches Werkzeug. Man muss es nur richtig benutzen.