Karolina Burbach ist Yogi und Coach für ayurvedische Ernährung. Sie lebt urban und vereint täglich die Philosophie aus Yoga und Ayurveda mit dem schnellen Lifestyle der heutigen Zeit. Ihre Erfahrungen spiegelt sie auf ihrem Blog "The Yog" wider.
EMOTION: Seit du ein Teenager bist, legst du Wert auf gute Ernährung und ganzheitliche Gesundheitssysteme. Du vertrittst also die Auffassung, dass Umwelt, Lebensweise und persönliche Einstellung erheblichen Einfluss auf die Gesundheit haben. Wie kamst du dazu?
Aus eigener Erfahrung. Ich habe mich zwar schon früh für Ernährung und holistische Gesundheitssysteme interessiert, musste mich aber trotzdem erst einmal komplett von mir selber entfernen, um wieder ins Gleichgewicht zu kommen.
Als junge Erwachsene habe ich viel gearbeitet und bin aus Karrieregründen häufig umgezogen. Nach außen hin lief alles ganz gut, aber ich hatte immer mehr mit kleinen psychischen Hindernissen zu tun: Sorgen, Ängste, eine leichte Depression. Um weitermachen zu können, rauchte ich 30 Zigaretten am Tag. Tagsüber trank ich Kaffee, um mich hochzuputschen und abends Wein, um wieder runterzukommen.
Irgendwann war mir klar, dass es so nicht weitergehen konnte. Ich zog zurück nach Berlin, zum ersten Mal in meinem Leben nicht aus Karrieregründen, sondern weil ich wirklich in dieser Stadt sein wollte, in der ich mich schon immer zuhause gefühlt hatte.
Dann landete ich in einem Yogastudio, kaufte alle Bücher über Ayurveda, die ich finden konnte und experimentierte damit herum. Innerhalb von wenigen Monaten war ich rauchfrei, trank keinen Kaffee mehr und fast keinen Alkohol. Ich fühlte mich entspannter und friedlicher und sah auch besser aus! Aber was noch viel wichtiger war: Ich konnte mich wieder spüren: meinen Körper, meine Seele, meine Bedürfnisse.
Später ging ich für insgesamt neun Monate nach Indien, um zu verstehen, was da eigentlich passiert war, und um mein Verständnis von Yoga und Ayurveda zu vertiefen. Den Großteil der Zeit verbrachte ich bei einem Arzt in den Himalayas, bei dem ich die Ausbildung zur Ayurveda-Therapeutin machte.
In den letzten Jahren ist Yoga immer mehr zum Trend geworden. Hat dieser Hype eigentlich noch etwas mit den Werten zu tun, die dem Yoga ursprünglich zugrunde liegen?
Ich finde es unglaublich interessant, wie der westliche Mainstream-Diskurs von Yoga sich in den letzten Dekaden gewandelt hat. Von der Öko-Müslitanten-Beschäftigung zum Hipster-Hobby.
Zum einen freue ich mich, dass durch die Popularisierung von Yoga so viele Menschen zu dieser Praxis gefunden haben. Yoga macht Menschen glücklich. Und glückliche Menschen verbreiten mehr Glück um sich herum. Es ist wie ein Glücks-Virus, und dafür ist es gut, wenn möglichst Viele angesteckt werden.
Andererseits wird Yoga durch den Pop-Diskurs immer mehr mit westlichen Werten assoziiert: Schönheit, Jugend, Konsum, Wettbewerb. Schneller, höher, weiter, besser. Die Yoga-Hefte sehen aus wie Modemagazine, mit Fotos von perfekten Körpern in atemberaubenden Posen. Im redaktionellen Teil werden Produkte beworben und damit Bedürfnisse produziert nach immer neuen Yoga- und Ernährungstrends, Mode und Accessoires.
Das ist in unserem westlichen Gesellschaftssystem ein ganz normaler Prozess. Der auch Vorteile hat! Zum Beispiel gibt es immer mehr ayurvedische und vegane Restaurants in Deutschland. Man bekommt rutschfeste, biologisch abbaubare Matten und fair produzierte Yogakleidung...
Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass uns der ganze Konsum immer nach Außen zurück an die Oberfläche führt. Das sind Ablenkungen vom tatsächlichen Yoga. Yoga heißt Einheit und damit ist nicht die Einheit mit meiner neuen, perfekt sitzenden Yogahose gemeint, sondern die Verbundenheit mit dem universellen Selbst.
Wie lässt sich die sehr traditionelle Philosophie von Yoga mit den Anforderungen in Einklang bringen, die das moderne, urbane Leben an uns stellt?
Es kommt immer auf das Ziel an, das man verfolgt. Für viele ist Yoga einfach ein Ausgleich zum hektischen modernen Leben in der Großstadt. Es gibt Praktiken, die entspannen und solche, die energetisieren. Da muss man gar nicht so intensiv einsteigen. Es bringt schon viel, wenn man einfach die für sich im Moment passenden Übungen findet und praktiziert.
Manche Menschen spüren aber eine so große Veränderung in ihrem Leben durch Yoga, dass sie weitergehen möchten und die spirituellen Ziele, die mit dem Yoga ursprünglich verbunden sind, verfolgen. Ein traditionell yogisch-ayurvedischer Lebenstil in der Großstadt ist schon eine Herausforderung. Als ich aus Indien wiederkam, wollte ich alles genauso machen, wie ich es aus von dort kannte: das Aufstehen vor Sonnenaufgang, täglich lange Meditationen, vor 10 Uhr ins Bett gehen, die ganzen ayurvedischen Ernährungsregeln...
Heute sehe ich das etwas entspannter. Man muss priorisieren. Einige Dinge kann ich gut in mein westliches Leben integrieren, andere passen einfach nicht zu mir. Das ist auch Ayurveda: eine Balance finden zwischen verschiedenen Lebensansätzen – ohne dabei inkonsequent zu werden.
Auf "The Yog" schreibst du von deiner Erfahrung mit der Dating-App Tinder. Inwieweit greift deine Spiritualität auf alle Bereiche des Lebens über? Oder gibt es auch Bereiche, die davon ausgenommen sind?
Die Spiritualität durchzieht schon alle Bereiche meines Leben. Glauben hat viel mit Hingabe zu tun. Sich hingeben kann man nur ganz oder gar nicht. Das ist mit der romantischen Liebe genauso: Eine Beziehung besteht aus einer langen Kette von Entscheidungen für den Partner. Wenn man sich gleichzeitig die ganze Zeit noch woanders umguckt, wird es nichts.
Diese ganzen Dating-Apps entstehen aus dem Bedürfnis nach Nähe und Kontakt in der anonymer werdenden Großstadt. Wir sprechen nicht miteinander in der U-Bahn, aber kommunizieren mit Fremden über Apps. Das Bedürfnis nach wahrer Intimität können die Apps aber kaum erfüllen, weil sie gleichzeitig auch Begehren und Neugier schüren: Man hat die Qual der Wahl und probiert viele verschiedene Partner aus anstatt sich festzulegen. Aus yogischer Sicht ist das keine so gute Idee: Eine intime Begegnung ist immer auch ein Austausch von Energien. Wechselt man die Partner andauernd, hat man die verschiedensten „Energiereste“ an sich kleben. Das verwirrt den Geist.
Was macht "The Yog" aus?
The Yog ist ein alternatives Kultur- und Interviewmagazin, das Anregungen zum yogischen und ayurvedischen Leben in der Großstadt gibt und sich aus Yoga-Perspektive mit aktuellen urbanen Themen auseinandersetzt. Es ist international und daher auf Englisch. Der Fokus liegt auf Berlin, weil ich hier lebe, aber wenn ich reise, kommt der Yog mit.
Ich möchte damit gerne eine Alternative zum westlichen Mainstream-Yoga-Diskurs bieten. Deshalb verzichte ich auf Produkt-News und halte den Blog bewusst klein und langsam.
Zusammen mit der Yoga Lehrerin Jennifer Soike bietest du unter dem Namen BODYSOULRETREAT Retreats an, bei denen man für eine Woche weg aus dem Alltag und seiner gewohnten Umgebung fliegt, um die ayurvedische Lehre zu lernen und danach zu leben. Was ist Ayurveda eigentlich?
Ayurveda bedeutet das Wissen vom Leben. Für volle Gesundheit muss ein Gleichgewicht auf allen Ebenen des Lebens vorhanden sein: der körperlichen, mentalen, sozialen und spirituellen. Die indische Gesundheitslehre beinhaltet sehr wirkungsvolle Techniken, um Krankheit zu heilen. Gerade mit Autoimmunkrankheiten, bei denen man im Westen gar nicht genau weiß, wie die entstehen, erzielt man mit Ayurveda erstaunliche Erfolge.
Aber der Hauptfokus liegt auf der Prävention von Krankheit durch gute Ernährung, die im Ayurveda als Medizin gesehen wird und eine bewusste, gesunde Lebensweise im Einklang mit der Natur. In unserem heutigen, urbanen Leben haben wir uns entfernt von der Natur und dieser inneren Stimme, die weiß, was gut für uns ist und was nicht. Bei den Retreats geht es darum, da wieder hinzufinden und Achtsamkeit zu entwickeln für unseren Körper und unsere Bedürfnisse.
Wie hängen Ayurveda und Yoga zusammen?
Ayurveda ist die Lehre vom Leben. Yoga ein Teilbereich von Ayurveda. Im Yoga geht es um den spirituellen Aspekt des Lebens, aber alle Lebensbereiche hängen zusammen und beeinflussen sich. Wer Magenschmerzen hat, dem ist seine spirituelle Entwicklung erstmal egal. Andersherum können körperliche Probleme auch durch Defizite auf den anderen Ebenen stammen.
Deshalb kann man Yoga und Ayurveda eigentlich gar nicht trennen. Eine Ayurveda-Beratung beinhaltet auch oft Vorschläge für Yoga-Übungen, Atem- und Meditationstechniken. Andersherum profitiert der Yogi auch von einer gesunden Ernährungs- und Lebensweise.
Wie kann man sich ein BODYSOULRETREAT vorstellen?
Beim BODYSOULRETREAT klinken wir uns eine Woche lang aus dem Alltagsleben aus und finden an einem friedlichen Ort durch Yoga, Meditation und Ayurveda in der Gruppe gemeinsam zurück zum Leben im Einklang mit der Natur.
Es gibt zweimal am Tag Yoga, morgens eine entspannte Yin-Klasse, abends dynamischeres Yoga, und täglich eine Ayurveda-Klasse. In den Ayurveda-Klassen geht es vor allem um den Praxisbezug: Ich vermittle Grundkenntnisse, Tricks und Routinen, die jeder leicht lernen und in sein tägliches Leben integrieren kann, um glücklicher und gesünder zu werden. Außerdem zeige ich, wie man seinen ayurvedischen Körpertyp bestimmt und wie man dieses Wissen nutzen kann. An einem Abend gibt es einen ayurvedischen Kochkurs, bei dem wir zusammen in der Gruppe kochen und essen.
Worauf dürfen wir uns in der nächsten Zeit bei "The Yog" und BODYSOULRETREAT freuen?
Jenny und ich überlegen schon, wo das nächste Retreat stattfinden könnte. Wir hatten überlegt, ein Retreat in Asien zu organisieren. Jetzt gab es aber so viele Anfragen von Leuten, die nicht so weit reisen können, dass wir uns auch gut vorstellen könnten, mal etwas in Deutschland zu machen.
Auf "The Yog" soll es demnächst einen Terminkalender mit Events in Berlin geben, die zum gesunden, bewussten Lebenstil passen.