Sie liest aus den Händen wie aus einem Buch: Ulrike Albinsson ist Handanalytikerin. Sie nimmt die feinen Linien unter die Lupe und schlüsselt so die Persönlichkeit auf.
Konzentriert beugt sie sich über meine Hände. Nicht nur ihr Gesicht, ihre ganze Person scheint unter ihren dichten, langen Haaren zu verschwinden. Lupe und eine Lampe helfen Ulrike Albinsson, 42, dabei, die feinen Linien meiner Fingerkuppen zu erkennen. Dazu macht sie sich Notizen. Es sind aber keine Worte, die sie auf den Block schreibt, sondern schlaufen und kreisförmige Symbole, die für meine Fingerabdrücke stehen.
DNA der Persönlichkeit
Jeder Fingerabdruck ist individuell, eine Art DNA unserer Persönlichkeit. Einbezogen wird er in die Handanalyse erst seit den 70er Jahren. Zuvor konzentrierte man sich auf die Form der Hände und ihre Linien.
Die Methode wurde von dem Kalifornier Richard Unger entwickelt, einem Lehrer Ulrike Albinssons. Er bezeichnet die Linien der Hände als karmische Karten. Ihr selbst ist der Begriff zu esoterisch. "Da bewegt man sich auf einem Gebiet, das für mich nicht mehr fassbar ist", sagt sie. Sie spricht lieber von Egostrukturen, die Herausforderungen und Entwicklungspotenzial aufzeigen.
Handanalysen sind keine Zukunftsprognosen
Rund tausend Hände hat sie in den vergangenen sechs Jahren schon gelesen. "Ich habe keine medialen Fähigkeiten, und ich stelle keine Zukunftsprognosen", stellt sie klar. So sieht sie auch nicht aus: In Jeans und bequemem Pulli empfängt sie mich in ihrer Praxis in einem Altbau im beliebten Zürcher In-Quartier Kreis 3. Während sie arbeitet, schaut sie mich kaum an. "Ich lasse mich nicht gerne ablenken", erklärt sie. Das Äussere ihrer Kunden, Kleidung oder Körpersprache sind für Albinsson eher hinderlich. Während ihrer Ausbildung übte sie im Freundeskreis, mit überraschenden Einblicken: "Man hat ein Bild von einem Menschen und entdeckt dann etwas völlig anderes."
Ihr Blick konzentriert sich wieder auf meine Hände. Sie beginnt mit ihrer Analyse, präzis und in neutralem Tonfall. "Das 'Du' ist bei Ihnen oft wichtiger als das 'Ich'", sagt sie. Im Job sei das gut, im Privatleben weniger. Da täte es mir gut, mehr bei mir selbst zu sein als bei anderen, sagt sie. Ich finde mich in der Lesung wieder.
Die Handanalyse ergänzt Ulrike Albinsson mit Coaching. In diesem Jahr schliesst sie eine Ausbildung in Transaktionsanalyse ab, einem Bereich der Psychologie, der sich mit Persönlichkeitsentwicklung beschäftigt. Ihr ist wichtig, dass der Kunde sein Schicksal in die eigene Hand nimmt. "Es geht um Entwicklungsaufgaben. Je grösser die Fortschritte, desto mehr verbessert sich die Lebensqualität." Zudem bietet die Zürcherin ihre Dienste in Form von Kurzhand-Analysen auch bei Firmenevents an, etwa beim Weihnachtsessen bei einer Bank oder bei der Modenschau einer Luxusboutique.
Momente der Ehrlichkeit
Jeden Donnerstag führt sie Analysen in einer Buchhandlung in Zürich durch. Einmal traf sie dort eine 78-Jährige, die später zu ihr in die Praxis kam. Albinssons Gesichtsausdruck wird weich, wenn sie darüber spricht: "Sie wollte wissen, was sie in ihrem Leben alles verpasst hat. Das hat mich enorm berührt." Sie konnte die alte Dame positiv verabschieden – sie zeigte ihr, was für Möglichkeiten noch vor ihr liegen. Vier von zehn ihrer Kunden sind Männer. Viele kommen auf Empfehlung oder mit einem Gutschein. Sie erinnert sich an einen skeptischen Geschäftsmann, der sich erst mit verschränkten Armen zurücklehnte, zum Schluss meinte er über den Tisch gelehnt: "Jetzt bin ich baff!"
Das sind wichtige Bestätigungen bei einem Job, dem noch immer etwas Dubioses anhaftet. Bei der Frage, wie ihr Mann zu ihrem Job steht, strahlt sie. Als Teamleiter in der IT komme er aus einer ganz anderen Branche. Doch er stehe voll hinter ihr. "Weil ich genau das gefunden habe, was mir liegt. Ich liebe meine Arbeit. Wenn ich mich ins Handlesen versenke, ist für mich die Welt in Ordnung."
Analyse per Fingerabdruck
Die moderne Handanalyse richtet sich nicht auf Ereignisse in der Zukunft aus, wie etwa das traditionelle Handlesen in Indien. Im Zentrum steht das Fingerabdrucksystem. Damit können Potenziale und Herausforderungen erkannt werden. Kombiniert mit Handformen und Linien entsteht daraus eine Art Landkarte der Persönlichkeit. Ulrike Albinsson bietet neben Analysen und Coachings auch grund- und weiterführende Kurse zum Thema an.
Mehr Informationen unter: www.ulrikealbinsson.ch