Pst, schon gehört? Unsere Kolumnistin hat ein heimliches Talent: Sie hätte einen wirklich guten Beichtvater abgegeben. Und wenn man ihr etwas anvertraut, kann man auf ihre Verschwiegenheit zählen.
"Versprich mir, dass du mit niemandem darüber redest!" Wenn eine Freundin das von mir verlangt, hoffe ich insgeheim, dass es sich um etwas Spannendes oder richtig Schlimmes handelt. Jedenfalls um etwas absolut nichts Alltagstaugliches. Es klingt fies, aber mein Adrenalinspiegel schießt sofort in die Höhe, besonders wenn ich am Schreibtisch sitze und über meinem eigenen Text gerade eingeschlafen bin. "Natürlich nicht", sage ich sofort, "du kennst mich doch", füge ich hinzu, "also, schieß los."
Man darf Brisantes erwarten
Und während ich zuhöre, mischen sich in meiner Seele genau zwei Gefühle. Echte tiefe Anteilnahme, wenn es um Krankheit, Steuerschulden, keine Aufträge oder einen Ehemann mit einstelligem IQ geht, der glaubt, am Silikonbusen einer 20-jährigen Russin glücklicher zu sein. Oder Enttäuschung, wenn es weder spannend ist noch schlimm, sondern nur Stress mit der Schwiegermutter. Wenn strikte Geheimhaltung gefordert wird, darf man Brisanteres erwarten, finde ich.
Ich halte mein Plappermaul
Aber ich halte mich an mein Versprechen, weil es in meinen Augen wie ein Gütesiegel ist. Mir wurde ein Geheimnis anvertraut, das eine Freundin mit sonst niemandem teilt. Ich wurde auserwählt, also halte ich mein Plappermaul. Bis eine andere Freundin fragt: "Sag mal, hast du gehört, was bei M. gerade los ist?" Ich schüttele den Kopf und sie: "Ich soll nicht drüber reden, aber wenn du mir versprichst, es für dich zu behalten, dann ..." So höre ich manchmal mehrmals genau die Geschichte, die mir unter dem Siegel der Verschwiegenheit anvertraut wurde. Was ich aus Solidarität natürlich nie zugebe, sondern jedes Mal verspreche: "Von mir erfährt niemand etwas." Dabei finde ich es durchaus ein bisschen albern, wenn jemand die Queen in einem hochgeheimen Drama spielt, um die Geschichte dann in alle Welt zu posaunen.
Das darf nicht an die Öffentlichkeit!
Vor vielen Jahren habe ich in Hollywood ein Interview mit der Romanautorin Jackie Collins gemacht, der Schwester von Denver-Biest Joan. Alles kam auf den Tisch. Männer, wilde Partys, Promiklatsch. Und bei jeder süffigen Anekdote sagte Jackie: "Das darf aber nicht an die Öffentlichkeit!" Ich versprach es und saß später fast weinend vor einem abgetippten Gespräch, von dem ich fast nichts drucken durfte.
Mein Auftraggeber sagte: "Na, das ist ja dürftig", aber ich blieb standfest. Kurz darauf las ich ein Interview mit JC in einer amerikanischen Zeitschrift, in der sie alles ausplauderte, was ich verschweigen sollte. Alles! Da wäre ich am liebsten zurückgeflogen und hätte sie allzu gern in ihren Swimmingpool geschubst. Trotzdem halte ich die Klappe, wenn mich eine Freundin um Klappehalten bittet. Ich bitte ja auch oft darum – und bin tierisch sauer, wenn ich merke, dass sich jemand nicht daran hält. Dabei fühlt es sich immer ein bisschen wie für dumm verkauft an, sich als Einzige daran zu halten, wenn alle anderen quatschen. Obwohl – es hätte schlimmer kommen können.
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Evelyn Holst ist Expertin für Klartext. Und für Humor (hat viel davon), Familie (hat selbst eine) und Frauen (ist ja eine). Ihr Lebensmotto: Es gibt keinen Grund zum Jammern. Es sei denn...