Als ihre neue Freundin plötzlich zur guten Freundin ihrer besten Freundin wurde, hätte sich unsere Kolumnistin freuen können. Wäre da nur nicht der Stachel der Eifersucht.
Anfreunden ist wie Verlieben
Sie war eine neue Freundin. Eine, die ich vor vielen Jahren beim Sport kennengelernt hatte, und in der ersten Zeit des Näherkennenlernens werden ja besonders viele Endorphine ausgeschüttet. Deshalb fühlt sich ganz frische Freundschaft oft wie ganz frische Verliebtheit an.
Voller Stolz stellte ich sie deshalb auf meinem Geburtstag meinen "alten" Freundinnen vor und freute mich den ganzen Abend, wie gut sie sich mit allen verstand. "Na, wie findest du sie?", fragte ich meine beste Freundin am nächsten Tag, als wir, wie immer, alle Gäste durchhechelten – nur positiv natürlich. "Ich finde sie super", sagte sie, "wusstest du, dass ihr Vater auch dement ist? Wir haben uns auf einen Kaffee verabredet." Den kleinen
Und-wieso-bin-ich-nicht-dabei-Stich, den ich bei ihren Worten spürte, verdrängte ich. Weil ich ihn peinlich fand. Aber er wurde heftiger, weil es nicht bei einem Treffen blieb und meine alte und meine neue plötzlich richtig gute Freundinnen wurden. Ich fühlte mich ausgeschlossen wie von einem Kindergeburtstag, zu dem ich nicht eingeladen war.
Die Dritte im Bunde
"Freundinnen sind kein Besitz", ermahnte mich eine befreundete Psychologin, "du kannst nicht immer überall die Beste und Liebste sein. Gönn den beiden ihr Glück, es nimmt dir doch überhaupt nichts weg."
Genauso fühlte es sich aber an. Wie vom Siegertreppchen auf die Ersatzbank geschubst. Wie ganz schlimme Eifersucht. Und das Allerschlimmste: Man kann mit niemandem darüber reden. Das Gefühl ist einfach zu peinlich. Es ist unmöglich, zu jammern: "Es hat mir total den Tag versaut, dass zwei meiner Freundinnen ohne mich ins Freizeitbad gefahren sind“, ohne dass jeder, der das hört, besorgt den Kopf schüttelt und denkt: "Hat die Frau keine anderen Probleme?"
Nur, dass Gefühle peinlich sind, macht sie leider nicht kleiner, sondern sogar größer. Daran ist unser Kopfkino schuld. Es vergiftet unsere Seele mit völlig überflüssigen Bildern. In meinem Fall mit ganz viel Spaß ohne mich. Was mich derart kränkte, dass ich zu beiden Freundinnen den Kontakt einschlafen ließ.
Wie viele Freunde verträgt die Freundschaft?
Viele Jahre später lernte ich die Lieblingsschwester einer Freundin kennen. Es war Liebe auf den ersten Blick. "Ruf mich an!", sagte sie, wir wurden unzertrennlich, fuhren zusammen in den Urlaub, und ich verschwendete nicht einen Gedanken an die Gefühle meiner Freundin. Bis sie mich, etwas alkoholisiert, auf einer Party fragte: "Magst du jetzt meine Schwester lieber als mich?"
Wir umarmten uns, heulten eine Runde, und ich begriff plötzlich, wie albern und unreif ich damals gewesen bin. Weil unser aller Herz sehr viel dehnungsfähiger ist, als man denkt. Es hat Platz für viele Freundinnen, und sich als erwachsene Frau über ein Ranking den Kopf zu zerbrechen ist so sinnlos, wie sich über das Wetter aufzuregen. Eine alte und eine neue Freundin, die sich gut verstehen? Mal ehrlich, es hätte schlimmer kommen können.
Evelyn Holst ist Expertin für Klartext. Und für Humor (hat viel davon), Familie (hat selbst eine) und Frauen (ist ja eine). Ihr Lebensmotto: Es gibt keinen Grund zum Jammern. Es sei denn...