Eine hohe Kriminalitätsrate, Arbeitslosigkeit und Armut - die Vorurteile über die Roma sind weit verbreitet, ebenso wie der Rassismus ihnen gegenüber. Dieses Buch liefert Hintergründe und Lösungen.
Ausgewählt vom Netzwerk BücherFrauen, diesmal von der freien Lektorin, Katja Rasmus.
Norbert Mappus-Niediek: "Arme Roma, böse Zigeuner" (Ch. Links-Verlag):
Warum leben so viele Roma in Armut? Einseitige Erklärungsmuster sind meist schnell zur Hand: Was der Westen empört mit der Diskriminierung durch die Mehrheitsbevölkerung begründet, schiebt der Osten der Kultur der Minderheit in die Schuhe. Die Quintessenz von Norbert Mappes-Niediek hingegen: Der wirtschaftliche Niedergang in Ost- und Südosteuropa ist Grund für die Misere.
Der Autor stellt verbreitete Vorurteile wie eine angeblich hohe Kriminalitätsrate auf den Prüfstand. Oft für das Scheitern von Roma-Projekten verantwortlich gemachte Zuschreibungen wie Verschwendung und fehlender Ehrgeiz bettet er in soziologische Überlegungen über eine sinnvolle "Ökonomie der Armut" ein und gelangt so zu einer fundamentalen Kritik der vielen in Europa initiierten Minderheitenprogramme.
Mappes-Niediek beschreibt historische Hintergründe wie die Versklavung der Roma in Rumänien, tritt sachlich fundiert Ängsten entgegen und wirft in der Analyse von Alltagssituationen einen erhellenden Blick auf Details, die das eben noch wahlweise exotisch oder befremdlich Erscheinende verständlich machen.
Gewinnbringend ist sein Blick darauf, dass sich Interpretationen und Maßnahmenkataloge entscheidend verschieben, je nachdem, welche ein- und ausgrenzenden Kategorien gewählt werden. Was vielen als romatypisch gilt, ist für ihn teils eher balkantypisch, teils eher armutstypisch. Die Roma zeigen wie durch ein Brennglas, was in den postsozialistischen Ländern im Argen liegt. "Wenn etwas besser werden soll, müssen die Probleme zunächst bei ihrem richtigen Namen genannt werden. Sie heißen Armut, Arbeitslosigkeit, Bildungsmisere oder unterfinanziertes Gesundheitswesen." Der Autor fordert dementsprechend ein großes Sozial- und Infrastrukturprogramm anstelle der vielen Minderheitenprojekte.
In vielen Punkten misst der Autor dem Rassismus gegenüber Roma zu wenig Gewicht bei. Dennoch hat er recht: Mehr soziale Sicherheit für alle wäre das beste Mittel gegen eine weitere Radikalisierung.
Katja Rasmus, 37, arbeitet als Lektorin, studierte in Hannover Literaturwissenschaft und Sozialpsychologie und hat in Tschechien, Bosnien-Herzegowina und der Slowakei gearbeitet. Sie ist Mitglied im VFLL (Verband der freien Lektoren und Lektorinnen) und im Netzwerk der Bücherfrauen (www.buecherfrauen.de).
Diese Buch-Tipps entstanden in Kooperation mit den BücherFrauen. Mehr über die "Women in Publishing"