Harlem in den Roaring Twenties: eine Stadt voller Nachtclubs, Blues, Charleston - und Rassismus. Das Buch erzählt die traurige Liebesgeschichte von Mary und Byron und zeichnet ein schillerndes Porträt der Zeit.
Ausgewählt vom Netzwerk BücherFrauen, diesmal von PR-Managerin Kathrin Grün, 39.
Carl van Vechten: Nigger Heaven
Mit Nigger Heaven bezeichnete man ursprünglich die Balkonsitze in amerikanischen Kinos und Theatern, die Schwarzen vorbehalten waren. In Carl van Vechtens 1926 erschienenem Roman steht Nigger Heaven für das nördlichste Viertel Manhattans, Harlem. Hier, in den Nachtclubs und Appartementhäusern zwischen der 7th und Lenox Avenue, spielt sich die Geschichte von Mary Love und Byron ab: Die Bibliotheksangestellte ist beseelt von dem Wunsch, gute Literatur zu vermitteln. Dass sie als Schwarze kaum Aussichten auf eine Beförderung hat, scheint sie nicht zu stören. Byron kommt frisch von der Uni nach Harlem, auf der Suche nach Stoff für seinen Roman.
Sie begegnen sich auf einer Party. Was wie eine Lovestory beginnt, wendet sich bald ins Gegenteil: Byron geht das Geld aus, die Hilfe wohlmeinender Gönner schlägt er aus und Leidenschaft will auch nicht richtig aufkommen - weder fürs Schreiben noch für die vernünftige Mary. Er verfällt der glamourösen Selfmade-Woman Lasca, die sich Liebhaber nimmt und sie fallen lässt wie Dessous.
Die Story ist eingebettet in eine Fülle schillernder Geschichten und Figuren (schon diese Namen sind bemerkenswert: Scarlet Creeper, Adora Boniface oder Piqcua St.Paris), die die Harlem Renaissance der zwanziger Jahre lebendig werden lassen. Wir erfahren eine Menge über die aufstrebende schwarze Mittelschicht, ihr Leben zwischen Speakeasies, Charleston und schlecht bezahlten Jobs, über ihr zwiespältiges Selbstbild, das zwischen Stolz und Verachtung, Ambition und Demut schwankt. Wir erleben ihre Lebensfreude und den tiefen Blues, der in den Songs von Langston Hughes und Clara Smith zum Ausdruck kommt.
"Nigger Heaven" löste bei seinem Erscheinen einen Skandal aus und fand in der schwarzen Gesellschaft mehr Leser als die Werke aller Autoren der Harlem Renaissance zusammen, wie der ernüchterte Langston Hughes konstatierte. Diese liebevoll gestaltete Ausgabe ist ein echtes Schmuckstück - ausgestattet mit zeitgenössischen Karikaturen des legendären Miguel Covarrubias und einem Anhang, der Aufschluss gibt über die Protagonisten der Harlem Renaissance und den exzentrischen Schriftsteller, Kritiker, Salonlöwen und Förderer afroamerikanischer Kultur, Carl van Vechten.
Kathrin Grün ist PR-Managerin. Sie ist Mitglied im Netzwerk der Bücherfrauen (www.buecherfrauen.de).
Diese Buch-Tipps entstanden in Kooperation mit den BücherFrauen. Mehr über die "Women in Publishing"