Jessica Mitford wuchs mit fünf Geschwistern als Tochter eines englischen Peers auf. Sie gibt uns Einblick in schrullige Familienrituale, vermittelt aber auch einen guten Eindruck des Lebensgefühls einer zwischen zwei Weltkriegen heranwachsenden Generation.
Ausgewählt vom Netzwerk BücherFrauen, diesmal von Heike Carstensen, 54, Lektorin in einem Psychologie-Verlag
Jessica Mitford: Hunnen und Rebellen. Meine Familie und das 20. Jahrhundert
Jessica Mitford wuchs mit fünf Geschwistern als Tochter eines englischen Peers auf, als Kind mehr oder weniger abgeschottet von der Umwelt. In ihren Lebenserinnerungen gibt sie uns Einblick in schrullige Familienrituale, vermittelt aber auch einen guten Eindruck des Lebensgefühls einer zwischen zwei Weltkriegen heranwachsenden Generation. Faschismus oder Kommunismus? Die politischen Entwicklungen des frühen 20. Jahrhunderts treiben einen Keil zwischen die Geschwister, ohne sie jedoch zu spalten.
Die Mitford-Kinder besuchen keine öffentliche Schule, werden von Gouvernanten unterrichtet, deren Verweildauer meistens nicht sehr lang ist. Einzig diejenige, die ihre Schützlinge in der Kunst des Ladendiebstahls unterweist, darf schließlich bleiben. Freundschaften mit Dorfkindern sind tabu und so schaffen die Geschwister sich ihren ganz eigenen Kosmos. Alle entwickeln ihre individuelle Überlebensstrategie. Nancy Mitford z.B. findet Zuflucht im Schreiben und wird später zu einer bekannten Autorin. Diana heiratet einen Brauerei-Erben und wird zu einem Society-Girl, bis sie, wie ihre Schwester Unity, Gefallen an faschistischem Gedankengut findet. Beide reisen nach München, um Hitler kennenzulernen.
Jessica hingegen hat ein anderes Idol: ihren entfernten Verwandten Esmond Romilly. In seinem militärisch ausgerichteten Internat zettelt er eine Rebellion an, wird der Schule verwiesen und zum schwarzen Schaf der Familie. Als er schließlich auf republikanischer Seite im Spanischen Bürgerkrieg kämpft, will Jessica ihm unbedingt folgen und brennt schließlich mit Esmond nach Spanien durch. Die beiden heiraten und leben in London, immer auf der Flucht vor Gläubigern. Als sich das politische Klima in Europa zunehmend verschärft, gehen sie in die USA, wo Jessica nach Esmonds Tod bleibt und zu einer engagierten Journalistin wird.
Eine wunderbar erzählte Lebensgeschichte eines eigensinnigen Mädchens, das als Heranwachsende zielstrebig und mutig seinen ganz eigenen Weg sucht und findet.
Heike Carstensen (54) studierte Germanistik, Anglistik und Geschichte. Während ihres Studiums verbrachte sie ein Jahr in England und nicht zuletzt aus dieser Zeit rührt auch ihre Begeisterung für Literatur von der Insel. Welch Wunder also, dass die von ihr zur Rezension ausgewählten Bücher allesamt von englischen Autorinnen und Autoren stammen. Ihr beruflicher Weg begann im Buchhandel und führte sie schließlich ins Lektorat des Junfermann Verlages. Seit 2000 ist sie BücherFrau und begeisterte Leserin.
Diese Buch-Tipps entstanden in Kooperation mit den BücherFrauen. Mehr über die "Women in Publishing"