Nein sagen kann man lernen – auch wenn wir manchmal Angst vor den Konsequenzen und ein schlechtes Gewissen haben. Mit den Tipps vom Coach stehst du zum "NEIN".
Nein sagen lernen – ohne Angst und schlechtes Gewissen!
Jemandem einen Wunsch abzuschlagen oder eine Einladung abzulehnen ist nicht immer leicht. Viel zu schnell sagen wir "Ja", obwohl wir "Nein" meinen. Wie du selbstbewusst zu deinem "Nein" stehst, schreibt Coach Sonja Schneider Blümchen.
Die Autorin Sonja Schneider Blümchen arbeitet seit Mitte der 90er-Jahre als zertifizierte Trainerin und Business Coach für Zeit- und Selbstmanagement.
Im Vordergrund ihrer Arbeit stehen individuelle, praxisorientierte Lösungen für Einzelpersonen oder ganze Teams verschiedener Unternehmen. Ihr Hintergrund bildet ein Studium der Betriebswirtschaftslehre und fundierte Erfahrungen in leitender Positionen im Marketing, Vertrieb und PR.
Wenn "Ja" eigentlich "Nein" sein soll
Es gibt Situationen im Leben, die kennt jeder. Man wird überrascht, sagt auf die Schnelle 'Ja' und meint doch 'Nein'. Etwa hier: Du sitzt gemütlich auf dem Sofa, hast dich gerade entspannt und genießt das Nichtstun. Das Telefon klingelt und du hebst ab, ohne an etwas Böses zu denken. Freunde sind am anderen Ende der Leitung. Sie wollen dich für nächstes Wochenende zur Grillparty einladen. Du sagst: "Schön, da habe ich noch nichts vor, ich komme gerne." Nun kommt es: Du wirst gefragt, ob du deine Bierzeltgarnitur mitbringen und an diesem Abend beim Grillen helfen könntest. Außerdem sollst du deinen legendären Nudelsalat zubereiten. Damit hast du nicht gerechnet. Eigentlich wolltest du nur gemütlich der Einladung folgen. Nun das! - Aber, was sagen du? "Ja, mache ich!" - Nachdem das Telefonat beendet ist, rattern deine Gedanken und du bist stocksauer: "Warum können die anderen ihre Sachen nicht selber machen?"
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Egoistisch? Nö! Warum sagen wir nicht einfach NEIN?
Wem fällt es nicht schwer, 'Nein' zu sagen? Woher kommt es, dass wir oft 'Ja' sagen, aber 'Nein' meinen? Nun, da gibt es verschiedene Ansätze der Erklärung. Zum einen ist es natürlich, dass jeder dem anderen gefallen möchte. Jeder möchte seinem Gegenüber einen Gefallen tun. Jeder möchte geliebt werden und fühlt sich geschmeichelt, wenn jemand von ihm oder ihr sagt: "Das ist ein toller Mensch - was der alles kann!" Außerdem gibt es natürlich Menschen, die diese scheinbare Schwäche ausnutzen wollen – so kannst du Manipulation erkennen.
Schuldgefühle – Nein sagen ohne negative Konsequenzen
Außerdem sind oft so erzogen, dass wir anderen zu Diensten sein sollen. Hier spielt zudem die Geschlechterrolle hinein. Vor allem Frauen haben oft ein noch viel größeres Problem, 'Nein' zu sagen. Sind wir erwachsen, überprüfen wir dieses Verhalten nicht mehr.
Mädchen wurden und werden auch manchmal heute noch dazu erzogen, anderen zu gefallen und liebreizend zu sein. Bei einem Jungen sehen es die Eltern oft nicht so genau. Meist wird geduldet, dass Jungs sich eben schmutzig machen. Auch werden ihnen nicht so viele Pflichten im Haushalt übertragen wie den Mädchen. Viele haben zudem in ihrem Elternhaus Glaubenssätze gehört wie: "Was sollen denn die anderen denken?", "Falle nicht auf und passe dich an", oder "Erst die Arbeit, dann das Spiel". Wir sind es von Klein auf gewohnt, bestimmte Erwartungen zu erfüllen.
Nein sagen kann Zeit schenken
Als Erwachsene laufen wir ständig auf Hochtouren, so dass wir oft keine Zeit haben, über unser Handeln nachzudenken und bestimmte Handlungsmuster zu hinterfragen. Wir reagieren oft nur noch anstatt zu agieren. Lass nicht andere entscheiden, wie du deine Zeit verbringst! - Lerne 'Nein' zu sagen, denn du allein bestimmst, wie du deine Lebenszeit verbringen möchtest. Lass dich nicht in die Ja-Sager-Falle locken!
Bestimm deine Zeit selbst, finde mehr Zeit für die wirklich wichtigen Dinge im Leben!
Sag doch einfach mal 'Nein', wenn jemand etwas von dir möchte und nutz die gewonnene Zeit für dich.
Nein sagen lernen – die Ja-Sager-Analyse
Um das Nein sagen zu lernen brauchen wir zunächst einmal eine Analyse deines Verhaltens. Zu welchem Typ Jasager gehörst du? Warum du in den einzelnen Lebenssituationen 'Ja' sagst, hängt ganz stark von deiner eigenen Persönlichkeit ab. Jeder tickt anders.
Ja-Sager-Typ 1: Jedermanns Liebling
Es ist ein schönes Gefühl, von allen Menschen gemocht und geliebt zu werden. Aber dies ist in der Realität nicht zu schaffen, auch nicht, wenn du alles gibst. Weder im Privatleben noch im beruflichen Umfeld kannst (und willst) du es wirklich jedem Recht machen. Hast du die Erfahrung gemacht, dass manche Menschen dich nur mögen, wenn du etwas für sie tust oder du für sie nützlich bist? Erkenne die Verknüpfung und entscheide dich dafür, dass du nicht von jedem gemocht werden musst. Sieh genau hin, wenn du dir Freunde und Bekannte aussuchst.
Bist du ein sozialer Angsthase?
Du gehst dem Konflikt lieber aus dem Weg und liebst eine harmonische Atmosphäre. Vielleicht hast du auch Angst, deinen Arbeitsplatz zu verlieren. Oft treibt uns aber eine unbegründete Angst. Manche Menschen können mit Risiken schlecht umgehen und sagen lieber einmal mehr 'Ja' zu einer weiteren Aufgabe. Dabei ist das Risiko, dass du deinen Job oder eine langjährige Freundschaft verlierst deutlich geringer als du denkst. Wenn du immer alles tust aus Angst vor den negativen Reaktionen deiner Mitmenschen, dann raubt es dir die Zeit, die Kraft und letztlich auch deine Selbstbestimmung.
Mutter Theresa - alle brauchen dich!
Es tut dir gut, wenn du das Gefühl hast von einem anderen Menschen gebraucht zu werden, oder etwas Gutes für einen anderen getan zu haben. Es ist dein Weg dich aufzuwerten und dich als etwas Besonderes zu sehen. Auf die Anerkennung der anderen hoffst du nur leider oft vergeblich. Vielmehr sieht es so aus, dass du die Arbeit machst, dabei oft gestresst sind und ein anderer Freiräume für seine Bedürfnisse hat oder gar die Anerkennung für die von dir geleistete Arbeit einheimst. Schöpfe dein Selbstbewusstsein, das Wissen um deine Fähigkeiten aus Dingen, bei denen du nicht zu kurz kommst. Dein Wert in der Familie, am Arbeitsplatz und in der Gesellschaft muss nicht immer durch weitere Aufgaben gestärkt werden. Leg dein Helfersyndrom ab und entfalte deine innere Balance.
Immer dabei? Der Typ "Partylöwe"
Du willst nichts verpassen, am liebsten bist du überall dabei. Dies gilt sowohl in deinem Job - da bist du gerne bei jeder Sitzung, in jedem neuen Projekt dabei, immer in der Hoffnung, dass sich hier eine neue berufliche Chance für dich ergibt – als auch im privaten Umfeld. Hier lässt du kein Straßenfest, keine Einladung aus. Es könnte ja etwas passieren, bei dem du nicht mitreden kannst. Überleg dir, welche Aktivitäten dir wirklich Spaß machen und welche beruflichen Aufgaben dich tatsächlich weiterbringen.
Die Unersetzliche - nichts läuft ohne dich!
Du bist fest davon überzeugt, dass es außer dir ohnehin niemand macht und schon gar nicht so gut wie du selbst. Gleichgültig, ob das Ehrenamt im Verein, die Organisation eines Kinderfestes oder der Vorsitz beim Elternbeirat - du hebst die Hand und erledigst die Arbeit, obwohl auf deinem Zeitkonto kein bisschen Platz mehr für dich selbst bleibt. Dein starkes Pflichtbewusstsein meldet sich und du denkst: 'Das schaffe ich auch noch.'
Hast du bereits erkannt, zu welchem Ja-Sager-Typ du gehörst? Es kann auch sehr gut sein, dass du mehrere Typen in dir vereinst. Mischtypen kommen oft vor. Jetzt hast du den ersten Schritt schon getan: Du hast erkannt, aus welcher Motivation heraus du wieder einmal 'Ja' gesagt hast, obwohl du vielleicht 'Nein' gemeint hast.
Tipps: 7 Schritte auf dem Weg zum 'Nein'
1. Schritt auf dem Weg zum Nein sagen lernen:
Verschaff dir ein Zeitpolster! Sollte jemand mit einer Bitte an dich herantreten, leg dich nicht in diesem Augenblick fest. Lass dich nicht unter Druck setzen, sondern verschaff dir ein Zeitpolster, um über deine Entscheidung nachzudenken und deine eigenen Wünsche und Ziele besser zu erkennen. Der Zeitpuffer verschafft dir auch die Möglichkeit, im Fall des Falles dein Gegenüber auf ein 'Nein' vorzubereiten. Es gibt noch einen weiteren Aspekt, den du bedenken solltest. Derjenige, der sich mit einer Bitte an dich wendet, bekommt nicht sofort eine Zusage. Er wird mit Sicherheit Plan B in der Tasche haben. Dies bedeutet, dass er sich mit seiner Aufgabe an eine weitere Person wenden wird, um vielleicht schneller an sein Ziel zu kommen… - und du bist die Sorge los! Ein weiterer positiver Nebenaspekt, wenn du deine Entscheidung nicht gleich kundtust, ist, dass dein 'Ja' plötzlich sehr viel wertvoller wird. Der Frager weiß deine Zusage viel mehr zu schätzen.
2. Schritt auf dem Weg zum Nein sagen lernen:
Was kostet dich das 'Ja'-Sagen? In der Betriebswirtschaft spricht man von Opportunitätskosten. Das heißt, welchen Wert hat eine Stunde Zeit in deinem Leben und was könntest du in dieser Zeit anderes für dich tun? Handele ökonomisch und behalte immer auch deinen persönlichen Gewinn im Auge. Du kannst die Ressource Zeit nur einmal verwenden und nicht gleichzeitig einem anderen Zweck zuführen.
Mach dir klar, was es dich kostet, zu oft 'Ja' zu sagen. Das kann dir die Motivation geben, darüber nachzudenken, ob du nicht vielleicht doch einmal etwas ablehnst. Es ist deine Zeit! Bestimm du darüber! Rechne einmal zusammen, wie viel Zeit du damit verbringst, Aufgaben für andere zu übernehmen. Von dem Ergebnis wirst du überrascht sein. Zwischenmenschliche Beziehungen kannst du nicht nach betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten bewerten, die Bilanz sollte jedoch innerhalb einer Zeitspanne ausgeglichen sein.
3. Schritt auf dem Weg zum Nein sagen lernen:
Wäge die Argumente ab! In dem gewonnenen Zeitpuffer bis zu deiner Entscheidung solltest du deinen Patronengürtel mit 'Nein'-Argumenten füllen. Folgende Möglichkeiten bieten sich hier an:
- Der alternative Vorschlag: "Einen Kuchen kann ich dir nicht backen, aber gerne besorge ich etwas vom Bäcker." Du regst eine andere Idee an und zeigst damit, dass dir der andere nicht gleichgültig ist.
- Kategorisches Nein: Sag, dass du dies aus Prinzip nicht machst. So kann dein Anliegengeber die Absage nicht auf dich beziehen, denn es hat nichts mit ihm persönlich zu tun, sondern mit deinen Prinzipien. Du zeigst auf diese Weise eine klare Linie, die dich stark macht. Der andere wird dies nicht in Frage stellen.
- Empathie zeigen: "Ich kann dich gut verstehen, dass du hier Hilfe brauchst, aber ich bin schon verplant. Ein anderes Mal gerne." So wirken du sehr verständig und die Absage klingt nicht so hart.
- Die bessere Idee: Schlag einfach eine noch viel bessere Lösung vor. Ganz nach dem Motto: 'Eigentlich bin ich gar nicht der Richtige für diese Aufgabe, könnte mir aber vorstellen, dass du an anderer Stelle jemanden Besseren findest, der der Aufgabe besser gewachsen ist.'
4. Schritt auf dem Weg zum Nein sagen lernen:
Erteile dir eine Erlaubnis! Denk an dieser Stelle einmal an die Glaubenssätze, die Redewendungen, die du in deinem Umfeld über viele Jahre immer wieder gehört hast, also beispielsweise 'Strenge dich an!', 'Was sollen denn die Leute über dich sagen?', 'Mache es allen recht.'.
Dies soll ab sofort aber nicht mehr für dich gelten! Erteil dir deshalb die Erlaubnis, 'Nein' sagen zu dürfen. Du hast es dir verdient! Stell deine Ampel auf grün und ebne dir den Weg, etwas in deinem Verhalten zu verändern.
5. Schritt auf dem Weg zum Nein sagen lernen:
Das 'Nein' Sagen aushalten lernen: Möglicherweise wirst du dich direkt nach dem 'Nein'-Sagen nicht wohlfühlen. Das schlechte Gewissen meldet sich, du denkst über die Konsequenzen nach und glaubst, du wirkst herzlos und egoistisch auf andere.
Diese Gedanken verfliegen. Aber dein Nutzen, der Zeitgewinn, bleibt. Nun hast du Raum, dich um das zu kümmern, was dir wirklich wichtig ist. Lerne also, das Nein-Sagen auszuhalten. Es lohnt sich! Du wirst gestärkt aus dieser Situation herausgehen und je öfter du es praktizierst, umso leichter wird es dir fallen.
6. Schritt auf dem Weg zum Nein sagen lernen:
Genieße deinen Erfolg! Klopf dir sich selbst auf die Schulter, wenn du es geschafft hast, 'Nein' zu sagen, um deine eigenen Ziele zu verfolgen oder die gewonnene Zeit für dich selbst zum Innehalten zu nutzen. Belohn dich mit einer schönen Sache oder genieß die gewonnene Zeit mit Menschen, die dir gut tun.
7. Schritt auf dem Weg zum Nein sagen lernen:
Überlege, warum du wieder einmal 'Ja' gesagt hast.
Solltest du doch einmal wieder in die Ja-Sager-Falle getappt sein, dann nutze es, um über dein Handeln zu reflektieren. Überleg, warum du 'Ja' gesagt hast, warte gestärkt auf die nächste Situation und mach es diesmal anders:
Sage 'Nein', wenn du 'Nein' denkst!
Auf diese Weise kommst du weg von der Fremdbestimmung hin zu mehr Selbstbestimmung und hast damit mehr Spielraum, über dein Handeln zu reflektieren und deine Wünsche und Ziele zu verfolgen. Denn das ist es, was dich persönlich weiterbringt!
Merksätze für mehr Selbstbewusstsein:
Sag niemals 'Ja', wenn du 'Nein' meinst! Machen dich frei davon, anderen gefallen zu wollen. Vertreibe die Angst vor negativen Konsequenzen und sei ganz gelassen: Liebe und Anerkennung von anderen Menschen hat nichts mit 'Ja'-Sagen zu tun. Und vor allem sag nicht schon 'Ja', bevor überhaupt jemand mit einer Bitte an dich herangetreten ist!
Praxistipp:
Ganz bestimmt tritt in den nächsten Tagen jemand mit einer Bitte an dich heran, du mögest eine bestimmte Aufgabe übernehmen. Sag nun auf keinen Fall 'Ja' oder 'Nein', sondern: "Ich sage dir heute Nachmittag bescheid."
Nun hast du genügend Zeit, darüber nachzudenken, ob du diese Aufgabe übernehmen möchtest. Wäg ab, welchen Preis du zahlst, wenn du für einen anderen etwas erledigst.