Keine Lust auf Sex? Viele Frauen haben sich bereits mit ihrem Libidoverlust abgefunden. Dabei lässt sich sexuelle Unlust therapieren, wenn man die Ursachen kennt.
Sexuelle Unlust bei Frauen: Wenn die Libido nicht will
Wer frisch in einer Beziehung ist, kennt es sicherlich: Am Anfang kann man kaum die Hände vom Partner oder der Partnerin lassen. Aber nach einigen Wochen schleicht sich dann bereits die erste Lustlosigkeit ein: Man begehrt sich sexuell vielleicht nicht mehr so sehr wie noch zu Beginn und das Verlangen im Bett lässt nach. Das kann eine Partnerschaft besonders belasten, vor allem wenn das sexuelle Interesse auf Dauer nur noch einseitig besteht oder wenn auch noch ein Kinderwunsch besteht.
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Libidoverlust kommt bei Frauen häufig vor
Auffällig ist dabei, dass besonders häufig Frauen über einen Libidoverlust berichten. Männer können immer und überall und Frauen halt, naja, eben nicht? Ist das Klischee nicht eigentlich schon längst überholt? Eine geringe Libido gilt als das häufigste sexuelle Problem beim weiblichen Geschlecht. Eine Umfrage von 6.669 britischen Frauen und 4.839 Männern zwischen 14 und 74 Jahren aus dem Jahr 2016 ergab, dass 15 Prozent der Männer und 34,2 Prozent der Frauen in ihrer Partnerschaft über mindestens drei Monate hinweg keine Lust auf Sex hatten.
Doch die Hintergründe sind komplex und mittlerweile ist widerlegt, dass Frauen von Natur aus weniger sexuelle Lust verspüren als Männer. "Es gibt Studien, die zeigen, dass Frauen das lustvollere Geschlecht sind. Frauen reagieren schnell und auf viel mehr Reize. Das ist eine komplett verdrehte Geschichte: Von Natur aus können Frauen sofort feucht werden und ausgesprochen lustvoll sein", erklärt Sexologin und Bestsellerautorin Ann-Marlene Henning.
Auf einen Blick: Das kann hinter sexueller Unlust bei Frauen stecken
- Hormonelle Gründe (Wechseljahre, Pille, Testosteronmangel)
- Psychologische Gründe (Stress, Ängste, Depressionen)
- Organische Ursachen (z.B. Herz-, Gefäß- oder Nervenerkrankungen, Diabetes, Leberzirrhose oder Niereninsuffizienz)
- Bestimmte Medikamente wie Antidepressiva oder Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer
- Unkenntnis über das eigene Lustempfinden und mangelnde Kommunikation der sexuellen Bedürfnisse in der Partnerschaft
Sexuelle Unlust: Die Ursachen für eine geringe Libido bei Frauen
Aber warum ist es dann so, dass so viele Frauen von sexueller Unlust berichten? Da liegen zunächst einmal Ursachen wie der Lustkiller Stress auf der Hand: In Familien sind es leider meist immer noch die Frauen, die sich um Kinder, Haushalt und Arbeit gleichzeitig kümmern müssen und auf denen die ganze Care Arbeit lastet. Logisch: Wenn die Gedanken um unbezahlte Rechnungen oder das nächste Kunst-Schulprojekt kreisen, dann bleibt da wenig Zeit, sich mit dem eigenen sexuellen Verlangen auseinanderzusetzen. Häufig kann der Libidoverlust also auch psychologischer Natur sein. Neben Stress gelten zum Beispiel auch Depressionen, Ängste oder chronische Erschöpfung (Fatigue-Syndrom) als Faktoren, die sexuelle Unlust begünstigen.
Aber auch organische Ursachen oder hormonelle Gründe hinter sexueller Unlust bei Frauen stecken. Hat eine Frau einen Mangel an männlichen Sexualhormonen (Androgene), wirkt sich das negativ auf ihre Libido aus. Dahinter kann zum Beispiel die Einnahme der Anti-Baby-Pille stecken: Das darin enthaltende Östrogen bildet in der Leber SHBG (Sexual Hormon Binding Globuline), welches Testosteron bindet und dadurch die Libido senkt. Frauen, die sich gerade in den Wechseljahren befinden, sind ebenfalls häufig von einem Androgenmangel betroffen. Nach der Menopause produzieren die Eierstöcke nicht mehr so viel Testosteron und die Lust auf Sex sinkt. Ähnlich kann es Frauen gehen, denen die Eierstöcke entfernt werden mussten.
Henning ist allerdings davon überzeugt, dass all diese Faktoren in den seltensten Fällen die Ursache für sexuelle Unlust sei. "Niemand ist nichtsfühlend und gar keine Lust zu haben, ist sehr selten. Wenn der Körper gesund ist, die Zellen und die Nervenverbindungen in Ordnung – und das ist nur in extrem seltenen Fällen nicht der Fall – dann kann eine Frau Lust verspüren". Die Expertin ist der Überzeugung, dass die sexuelle Unlust bei Frauen ein weit verbreiteter Mythos sei. Es seien vor allem die von veralteten Rollenbildern geprägte Gesellschaft und Erziehung, die es Frauen schwer machten, mit ihrer Lust in Berührung zu kommen.
Masturbation als Mittel gegen sexuelle Unlust
"Wenn der Sex nur auf den männlichen Orgasmus ausgerichtet ist – darum geht’s ja meist – dann ist der Sex womöglich auch langweilig".
Ann-Marlene HenningTweet
Viele Frauen hätten nie gelernt, sich selbst zu berühren und herauszufinden, was ihnen gefällt. Während Männern ein ganz anderes Verhältnis zu ihrem Genital anerzogen würde, Frauen müssten noch lernen, sich besser kennenzulernen. Wenn ihre Klientinnen über sexuelle Unlust klagen, dann rät Henning ihnen dazu, sich selbst zu erforschen. "Meist kommen sie dann in der nächsten Sitzung zu mir und sagen überrascht, dass sie nicht gedacht hätten, wie viel sie genital spüren. Wenn ich den eigenen Körper nicht kenne und nicht mag, wie soll ich
dann überhaupt meine Lust wahrnehmen?".
Masturbation kann also ein wichtiger Schlüssel sein, um die eigene Lust kennenzulernen und die sexuellen Bedürfnisse dann auch an den Partner zu kommunizieren. "Wenn der Sex nur auf den männlichen Orgasmus ausgerichtet ist – darum geht’s ja meist – dann ist der Sex womöglich auch langweilig", meint Henning. Klar, dass die Libido dann irgendwann einschläft. Wer sich aber die Zeit für Selbstbefriedigung nimmt und ganz in Ruhe erforscht, welche Berührungen oder welche Umstände die eigene sexuelle Erregung fördern, kann H weiEinigen Paaren oder Frauen kann womöglich auch eine Sexual- oder Paartherapie dabei helfen, den Spieß im Bett umzudrehen die weibliche Lust beim Geschlechtsverkehr wieder mehr in den Vordergrund zu rücken.
Medikamente gegen Libidostörungen bei Frauen
Viagra, das bekannteste Potenzmittel für Männer, kennen wir alle. Aber wie sieht's aus mit Medikamenten für die Frau? Tatsächlich gibt es seit dem Jahr 2015 das sogenannte "Pink Viagra", das Frauen bei sexueller Unlust – sofern es diese denn nun im eigentlichen Sinne überhaupt gibt – auf die Sprünge helfen soll. Doch der darin enthaltene Wirkstoff Flibanserin, der ursprünglich als Antidepressivum gedacht war, ist relativ umstritten. Die tägliche Einnahme bringt zum Beispiel Nebenwirkungen wie Schwindel, Übelkeit und Müdigkeit mit sich. Der Effekt fällt ebenfalls gering aus: Teilnehmerinnen einer Studie berichteten von lediglich einer befriedigenden sexuellen Erfahrung mehr pro Monat.
Als natürliches luststeigerndes Mittel für Frauen wird häufig auch Maca genannt. Die südamerikanische Knolle ist ein Adaptogen und soll sich positiv auf Stimmung Libido auswirken. Zuverlässige Studien, die diese Wirkungen auch beweisen, gibt es allerdings noch nicht.
Sexuelle Lustlosigkeit in langjährigen Beziehungen: Emotionale Nähe hilft
Häufig schläft die sexuelle Lust bei Frauen besonders in langjährigen Beziehungen ein: Man hat vielleicht ein bestimmtes Repertoire, das gut funktioniert und das man immer wieder abspielt, aber auf Dauer wird's einfach langweilig. "Unser Gehirn will Neues, Wildes und Verliebtes", erklärt Henning. Es gebe aber verschiedene Tricks, mit denen man wieder für mehr Lebendigkeit sorgen kann.
"Wenn Paare zu mir kommen und sagen, dass sie lange keinen Sex mehr hatten, dann gebe ich ihnen Hausaufgaben". Es sei vor allem wichtig, auch auf emotionaler Ebene wieder Kontakt herzustellen. Das funktioniert zum Beispiel mit tiefgründigen Gesprächen. Schon einfache Fragen wie "Worauf warst du im letzten Jahr besonders stolz in deinem Leben?" können Intimität und Bindung schaffen, ohne dass es sich dabei thematisch um Sex handelt.
"Wenn du wirklich beginnst, die andere Person wieder zu sehen, dann bekommt das Gehirn eher auch wieder Lust auf Sex. Wie damals eben". Klientinnen, die sagen, dass sie sich von ihrem Partner nicht mehr angezogen fühlen, entgegne Henning meist, dass sie lediglich gelangweilt seien. Ist die emotionale Nähe hergestellt, dann kann auch Schritt für Schritt das Thema Sex angesprochen werden, gefolgt von kleineren Berührungen. Mittlerweile gibt es sogar Kartenspiele, die Paaren dabei helfen sollen, sich auf emotionaler und körperlicher Ebene wieder anzunähern.
Mit Pornos und Sextoys können Frauen ihre sexuelle Lust steigern
Natürlich lässt sich auch bei sexueller Unlust auch mit anderen Hilfsmitteln nachhelfen, zum Beispiel mit Pornos oder Sextoys. "Es ist ein super Spielmittel, zusammen mit dem Partner Porno zu gucken", weil diese Frauen dabei helfen können, schneller erregt und feucht zu werden. Doch Porno ist nicht gleich Porno und jede Frau muss hier ihre eigenen Vorlieben finden – mittlerweile gibt es auch viele Pornos abseits vom Mainstream, die nicht nur auf die männliche Lust ausgerichtet sind. Auch Spielzeuge können frischen Wind in das Sexleben bringen. Henning rät ihren Klientinnen dabei aber meist: "Pass auf, dass du dich nicht zu sehr an die Vibration gewöhnst und irgendwann nicht mehr anders kommen kannst. Aber sonst: einsetzen, was das Zeug hält!"
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