Der Begriff E-Mail Apnea (auf deutsch Apnoe = Atemstillstand) beschreibt ein Phänomen, bei dem Menschen unbewusst den Atem anhalten oder nur sehr flach atmen, während sie E-Mails lesen und beantworten. Warum machen wir das und was kann man dagegen tun?
Was ist Email Apnea?
Der Begriff wurde von Linda Stone, einer Autorin und Beraterin, die unter anderem für Microsoft und Apple tätig war, geprägt. Als sie im Jahr 2007 mit chronischen Infektionen der Atemwege zu kämpfen hatte und infolgedessen auf Anraten ihres Arztes regelmäßig Atemübungen machte, fiel ihr auf, dass sich ihr Atem veränderte, sobald sie ihre E-Mails bearbeitete.
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Die folgenden sieben Monate verbrachte Stone damit, Gespräche mit Forscher:innen, Kliniker:innen, Psycholog:innen und Neurowissenschaftler:innen zu führen und sich selbst, Freunde und Menschen in Büros oder Cafés mit einem Gerät, das Puls und Herzfrequenzvariabilität misst, zu beobachten. Ihr Fazit: 80% der Menschen, die sie beobachtet hatte, wiesen veränderte Atmung auf, wenn sie E-Mails beantworteten. Das Phänomen nannte Stone "Email Apnea", also E-Mail-Atemstillstand. Aber warum verändert sich unsere Atmung überhaupt, wenn wir unsere E-Mails checken und beantworten?
Stone schreibt, es würde unter anderem an unserer Haltung liegen, die wir besonders beim Arbeiten am Laptop oder Smartphone einnehmen. Wenn wir unsere Arme und Schultern nach vorne lehnen, sei es schlicht nicht möglich, gesund zu atmen. Eine weitere plausible Erklärung liefert eine Entdeckung, die das israelische Forscherteam Ilan Goldberg, Michal Harel und Rafael Malach des Neurobiologie-Departments am Weizmann-Institut für Wissenschaften im Jahr 2005 machte. Laut ihrer Studie, die im April 2006 in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Neuron veröffentlicht wurde, schaltet unser Gehirn unterbewusste Tätigkeiten aus, wenn wir gerade konzentriert arbeiten, damit wir uns besser auf eine anspruchsvolle Aufgabe fokussieren können. Ein Beispiel dafür könnte Atmen sein. Die Autoren der Studie sprachen davon, dass das Gehirn sich regelrecht verliert. Das Phänomen beschränkt sich also nicht ausschließlich auf das Beantworten von Mails, sondern kann auch generell auftreten, sobald man an Bildschirmen arbeitet. Das wird Screen Apnea, also Bildschirm-Atemstillstand, genannt. Wer sich dabei erwischt, beim Beantworten von E-Mails nicht gleichmäßig zu atmen, sondern sogar die Luft anzuhalten, sollte sich selbst auch bei anderen Aktivitäten, die Konzentration erfordern, beobachten.
Ist E-Mail Apnea gefährlich?
E-Mail Apnea ist nicht per se gefährlich, vor allem nicht, wenn es nur hin und wieder auftritt. Wenn man E-Mail Apnea allerdings regelmäßig im Arbeitsalltag feststellt, sollte man dem Phänomen aktiv vorbeugen. Den eigenen Atem regelmäßig unbewusst zu unterdrücken, kann einen sowohl körperlich als auch mental beeinträchtigen, schreibt Alan Fogel, emeritierter Psychologie-Professor an der University of Utah in Salt Lake City. Auch Zoom-Fatigue kann möglicherweise durch E-Mail Apnea verstärkt werden. Stone selbst beruft sich auf die Erkenntnisse der beiden Forscher Dr. Margaret Chesney und Dr. David Anderson, die herausfanden, dass das Anhalten des Atems zu stressbedingten Erkrankungen beiträgt und die Biochemie unseres Körpers ins Wanken bringen kann, da dadurch ein Ungleichgewicht im Sauerstoff-, Kohlendioxid- und Stickoxidspiegel des Körpers entsteht.
Was kann man dagegen tun?
Der erste und wichtigste Schritt ist es, die Atemaussetzer überhaupt zu bemerken. Hat man das getan, gibt es einige Tipps, die E-Mail Apnea lindern können. Zunächst ist es hilfreich, zu notieren, zu welchen Anlässen man den Atem unterdrückt – zum Beispiel beim Beantworten wichtiger E-Mails, deren Inhalt einen besorgt oder stresst. Stressquellen zu identifizieren ist gleichzeitig der erste Schritt, um sie zu bekämpfen. Ein weiterer wichtiger Punkt: regelmäßige Bildschirm-Pausen. Kurz aufstehen, strecken, sich die Füße vertreten – das kann dabei helfen, körperliche und mentale Angespanntheit zu lösen. Der US-amerikanische Psychotherapeut Bryan Robsinson empfiehlt dazu die 20-20-20-Regel, die E-Mail oder Screen Apnea bekämpfen soll. Nachdem man 20 Minuten auf einem Bildschirm gearbeitet hat, soll man eine 20-sekündige Pause machen, sich bewegen und etwas anschauen, das etwa 20 Meter entfernt ist. Ein Timer kann dabei helfen, die Pausen einzuhalten.
Der wichtigste Tipp gegen E-Mail Apnea sind regelmäßige Atemübungen. Zum Beispiel diese beiden:
- Hat man herausgefunden, welche E-Mails die Atemaussetzer auslösen, kann man bewusst atmen, um das Phänomen zu umgehen – indem man bewusst tief ein- und ausatmet, bevor man die E-Mail liest, nach jedem Absatz oder Satz und nachdem man sie gelesen hat. Das gleiche Prinzip kann man beim Beantworten von Mails anwenden, sollte man auch dort Atemstillstände bemerken.
- Während man in einer aufrechten Position mit geradem Rücken sitzt, ca. vier Sekunden tief durch die Nase einatmen. Anschließend sanft durch den Mund ausatmen – ca. acht Sekunden lang. Diesen Atemvorgang in einem sanften, kontinuierlichen Rhythmus 20 bis 30 mal wiederholen.
Das Phänomen E-Mail Apnea entsteht bei den meisten Menschen vermutlich über einen längeren Zeitraum, deshalb sollte man nicht erwarten, es auch über Nacht wieder loszuwerden. Achtsamkeit und bewusste Pausen im Arbeitsalltag, in denen man wortwörtlich durchatmet, sind aber ein guter Ansatz, um E-Mail Apnea zu lindern.
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