Effizienz kann das Leben erleichtern. Aber wenn wir nur daran arbeiten, so viel wie möglich in kurzer Zeit zu erreichen, sorgt das für Stress und schadet unserer Gesundheit. Zeit, den Fuß vom Gaspedal zu nehmen, findet Yogalehrerin Annika Isterling.
"Don't rush something you want to last forever", heißt es so schön, und doch erwarten wir häufig Blitzwunder. Wir sind es gewohnt, dass Dinge mithilfe der digital und praktisch funktionierenden Gesellschaft fast "instant" und sofort in unser Leben treten, erreichbar sind und für uns arbeiten: Der Kaffee und das Mittagessen sind "to go", der Priority-Check-in ist gleich mitgebucht, und nach Kleingeld zum Parken sucht man dank diverser Apps auf dem Telefon schon lange nicht mehr.
Was Stress in unserem Körper auslöst
Effizienz und Zeitersparnis sind wichtige Punkte im Leben geworden. Wer kennt es nicht, dass man von Termin zu Termin eilt und auch die Wochenenden fast bis zur letzten Minute verplant sind? Und jeder versucht, so viel wie möglich in kurzer Zeit zu erreichen. Wer aber nur so durchs Leben jagt, bei dem erhöht sich auch die innere Eile, und die wiederum sorgt für ein erhöhtes Stresslevel im Körper. Dies ist eine natürliche Reaktion auf die Herausforderung, viel in wenig Zeit leisten zu müssen. Und hierbei reagiert jeder Mensch anders, was genau als stressig empfunden wird. Stress muss auch nicht unbedingt schlecht sein, denn Adrenalin, Noradrenalin und Kortisol sorgen für erhöhte Konzentrations- und Leistungsfähigkeit. Doch wer sich chronisch immer wieder zur Eile antreibt, der erhält diesen Alarmzustand im Körper aufrecht, und das kann längerfristig physisch und psychisch krank machen.
8 Wohlfühltipps für ein niedrigeres Stresslevel
Das kleine 1x1 des Wohlseins – das sind Annikas Slow-Down-Tipps:
- Tief Ausatmen. Durch die Konzentration auf langes und ruhiges Ausatmen wird der Parasympathikus aktiviert, der unserem System signalisiert, dass alles in Ordnung ist. So kann sich der Körper entspannen.
- Sich selbst beruhigen. Ein Mantra gibt unserem Geist etwas, um sich daran festzuhalten. Über einen längeren Zeitraum wiederholt, stellt sich dadurch eine innere Ruhe ein. Das Mantra "Soham" bedeutet "Ich bin das".
- Bodenhaftung finden. Da wir uns oft über die Füße erden, wirkt eine Fußmassage mit Lavendel nicht nur entspannend, sondern hilft dabei, deine Wurzeln neu zu finden.
- Relax-Körperübungen. Nutze deine Yogapraxis mit restaurativen Übungen, um in die Mitte zu finden zwischen deinem Leben im Vorwärtsrhythmus und totaler Erschöpfung – und um Stress vorzubeugen.
- Bleib authentisch. Wer nach den Maßstäben anderer lebt, schafft nur unnötigen Stress. Das bist nicht wahrhaftig du.
- Mit Aroma umgeben. Basilikumöl unterstützt dich bei mentaler Belastung, drohendem Burn-out und Erschöpfung, wenn du unter nervöser Anspannung leidest, Schlafstörungen hast und überwältigt bist von den Umständen des Lebens.
- Stoppe Switch-tasking. Multi-Tasking ist ein Mythos. Du hast nur 100 Prozent an Aufmerksamkeit zu vergeben, die du ständig neu aufteilst, wenn du versuchst, mehrere Dinge gleichzeitig zu erledigen. Fokussiere dich darauf, nur eine Sache zu tun und dabeizubleiben, bis sie beendet ist.
- Superfoods. Erdfrüchte wie Rote Bete, Möhren und Kartoffeln entschleunigen und erden uns. Gleichzeitig ist das Kochen und Zubereiten eines Gerichts – wie vieles, was wir mit den Händen tun – etwas, was uns auf den Boden zurückholt.
Langsamkeit schützt die körperliche und die seelische Gesundheit
Wir reden immer von einer einzigen Gesundheit, dem Zustand, wenn es uns wirklich rundum gut geht, und dann kennen wir diverse Krankheiten. Was wäre aber, wenn es eine Gesundheit und auch nur einen einzigen Krankmacher gäbe? Stress ist schließlich der Auslöser vieler körperlicher und seelischer Erkrankungen.
Ein guter Grund also, die eigene "Rushhour" mal zu unterbrechen und den Fuß vom Gaspedal zu nehmen. In der Tierfabel von Äsop, in der es um das Rennen zwischen einem Hasen und einer Schildkröte geht, gewinnt am Ende schließlich der vermeintlich Langsamere durch geruhsame Ausdauer und Beständigkeit. Der schnellere Favorit, also der Hase, erlag der Erschöpfung kurz vor dem Ziel.
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Im Yoga kann man noch so viel wollen und sich bemühen. Flexibilität ist nicht reine Fleißarbeit, sondern entsteht vor allem durch das bewusste Loslassen und Entspannen. Und dafür braucht es Zeit und Ruhe. In dem Moment, wo ich nicht mehr daran festhalte, etwas erreichen zu wollen, stellt sich das Ergebnis dann wie von selbst ein.
Dies lässt sich auf viele Lebensbereiche übertragen: Auch in Partnerschaften will "gut Ding Weile haben". Wer auf die Schnelle jemanden fürs Leben sucht, wird kaum den Richtigen finden. Der tritt meist dann in unser Leben, wenn wir ganz entspannt mit uns und der Welt sind und es kaum erwartet hätten. Auch die Festigkeit einer Bindung entsteht durch gemeinsame Erlebnisse und die Länge der Zeit, die man miteinander verbringt. Genauso ist es mit Essen. Da schmeckt der Apfel auch erst, wenn er gereift ist. Wein und Käse kann man nicht auf die Schnelle mit dem gleichen guten Ergebnis haben wie nach mehreren Jahren. Und jede gute Soße hat eine Reduktionszeit von einigen Stunden.
Geduld zu haben bedeutet, das Vertrauen aufzubauen, dass alles zur richtigen Zeit ins Leben kommen wird.
Annika IsterlingTweet
Bewusstes Atmen kann den Stress im Alltag senken
Doch nicht jeder läuft im gleichen Tempo, und was dem einen leichtfällt, wie Genügsamkeit und Geduld, ist für den anderen eine wahre Herausforderung. Da kann das Warten auf jemanden oder etwas zur wahren Strapaze werden.
Was genau hilft mir in diesen Momenten, wenn ich lieber wie der Hase drauflosrennen möchte, um mein Ziel schnell zu erreichen und um das nächste anzugehen? Wenn wir es schaffen, den Geist beim ständigen Vorausdenken zu stoppen und das Bewusstsein für den Moment zu vertiefen, stellt sich eine innere Ruhe in uns ein. Der Atem ist dabei ein wunderbares Hilfsmittel. Er ist langsamer als die Gedanken. Und wenn man sich vorstellt, dass der Ort der Ruhe sich in der eigenen Mitte befindet, dann sind die vorauseilenden Gedanken wie eine Autobahnspur, die dich in Sekundenschnelle sehr weit von dir wegbringt. Der Atem hingegen ist wie eine gemütliche Landstraße, mit dem Ziel, direkt in dein Zentrum der Ruhe zu kommen.
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Geduld zu haben bedeutet, das Vertrauen aufzubauen, dass alles zur richtigen Zeit ins Leben kommen wird. Dabei sitzt man nicht komplett untätig herum, aber man findet zu einem mühelosen Bemühen, das das innere Tempo ruhig bleiben lässt. Alles kommt dann zu dir, wenn nicht das Ego, sondern deine Seele dafür bereit ist. Im mühelosen Bemühen bin ich präsent, ich gebe mein Bestes, und gleichzeitig lasse ich meine Erwartungen los und erlaube, dass alles einfach geschieht.
Wer im Alltag viel umhereilt, der findet einen guten Ausgleich mit lange gehaltenen, entschleunigenden Yogastellungen. Und gerade wenn es dir schwerfällt, für eine Weile still in nur einer Position zu verweilen, dann weißt du, dass es besonders eilt, das Tempo rauszunehmen. Denn auch wenn es heißt, Zeit ist Geld, wäre die wertvollste Investition, die du machen kannst, dir selbst und deiner Gesundheit ein paar Stunden zu schenken.
Das zweite Buch von Yogalehrerin Annika Isterling gibt Anleitungen für fünf Relax-Wochenenden daheim: "Wohlsein. Yoga-Retreats für zu Hause". (Theseus Verlag, 29,95 Euro)
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