Wenn wir uns verletzen, versorgen wir die Wunde. Aber was ist mit den inneren Verletzungen? Yogalehrerin Annika Isterling weiß, was wie Balsam wirkt und die Resilienz stärkt.
Ich behaupte, dass die meisten von uns sich vorzüglich um ihren Körper kümmern. Wir kämmen unsere Haare regelmäßig, waschen sie, damit sie gepflegt aussehen und seidig glänzen, wir schneiden unsere Fingernägel, cremen unsere Haut ein – und das Zähneputzen zwei- bis dreimal am Tag haben wir uns eh seit Kindertagen eingeprägt. Wenn wir stürzen und uns das Knie aufschlagen, besorgen wir uns schnell in der nächstgelegenen Apotheke ein Wundspray und Pflaster. Und wenn uns mal eine fiese Grippe packt, dann legen wir uns ins Bett und kurieren sie aus, bis der Körper wieder Kraft entwickelt.
Die Social-Media-Kanäle beweisen es: Unser Körper ist zu einem Statussymbol geworden, den jeder verschönern, ertüchtigen und einsetzen kann – für mehr Anerkennung und Likes. Noch nie gab es so viele Sportstudios, Apps und Fitnessprogramme wie zurzeit. Gesundheitstipps überschlagen sich, und überall geht es um unser körperliches Wohlbefinden. Der Körpertrend ist zum Lifestyle geworden, und wir kümmern uns darum, mehr denn je bis ins hohe Alter fit auszusehen und zu bleiben.
Seelische Verletzungen genauso versorgen, wie körperliche
Doch was ist mit unserer Psyche? Wer pflegt, kämmt, putzt und streichelt die? Der emotionale Körper ist oft das vergessene Stiefkind, das wenig Beachtung und Aufmerksamkeit findet. Bei einem gebrochenen Bein sagt jeder: "Nimm dir frei, leg dich hin und kuriere dich aus." Was hören wir bei einem gebrochenen Herzen? "Das wird schon wieder. Da bist du bald drüber hinweg. Lenk dich ab."
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Wer sich beim Gemüsezerkleinern versehentlich in den Finger schneidet, versorgt rasch die Verletzung und würde niemals daran denken, das Messer noch tiefer in die Wunde zu bohren, weil wir uns womöglich über unser Missgeschick ärgern. Bei seelischen Verletzungen wie Zurückweisungen verschlimmern wir den Schmerz oft noch, indem wir unseren inneren Senf dazugeben und kaum ein gutes Haar an uns selbst lassen. Kritik, Zweifel und Selbstvorwürfe sind so schnell an Ort und Stelle wie sonst nur der Notarzt. Es ist also an der Zeit, dass wir auch dem seelischen Körper sein kleines Pflege- und Erste-Hilfe-Programm gönnen und das Heilen von seelischen Wunden ernster nehmen.
Resilienz aufbauen mit Yin Yoga-Techniken
Lang gehaltene Restorative-Yoga-Stellungen wie zum Beispiel beim Yin Yoga sind wunderbar, um angestaute Emotionen loszulassen und zu heilen. Selbst wenn wir das Gefühl haben, dass ein Erlebnis doch schon längst hinter uns liegt, ist es oft erstaunlich, wie sehr sich der Körper auch Jahre später noch daran erinnert. Gefühle bewegen die kleinste Zelle unseres Körpers, und vieles wird gehortet, bis wir es bewusst wieder gehen lassen. Darüber zu reden ist meist zu wenig, erst das bewusste körperliche Wahrnehmen in den Yogastellungen in Verbindung mit dem Atem kann angestaute Emotionen lösen. Durch die körperliche und seelische Klärung fühlen wir uns bald wieder heil und ganz.
Hausmittel gegen emotionale Verletzungen: Wärme und sanfte Stoffe auf der Haut
Was auch hilft: Wärme auf der Haut! Eine wohltuende Dusche gibt uns das Gefühl von Geborgenheit und Nähe, eine in Ruhe genossene Tasse Tee sorgt dafür, dass wir im Alltag runterkommen und entspannen. Schmeichelstoffe auf der Haut oder sanfte Decken und Tücher beim Yoga können wie ein Kuschelersatz wirken.
Studien haben ergeben, dass vor allem einsame Menschen von solchen Wohlfühlmaßnahmen profitieren. Wenn wir unseren Körper wertschätzen, dann ist das zugleich auch ein seelisches Streicheln. Self Care bedeutet vor allem, sich wert fühlen, geliebt zu werden. Sei es dir wert, dich mit einem wohltuenden Körperöl zu pflegen und zu verwöhnen! Diese Form von Selbstliebe stärkt uns und nährt unseren emotionalen Körper genauso wie den physischen.
Wertschätzung als inneres Pflaster: Selbstliebe heilt seelischen Schmerz
Meist sind wir selbst unser stärkster Kritiker und vertiefen unsere seelischen Wunden noch, indem wir uns gerade dann verletzen, wenn unser Selbstwertgefühl ohnehin schon am Boden ist. Dabei ist es so wichtig, dass wir uns immer wieder selbst stärken und innerlich aufbauen, um uns zu schützen – vor allem, was von außen auf uns eindringt, aber auch vor den eigenen Gedanken.
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Nach jeder Niederlage sorge dafür, dass du dein Selbstwertgefühl boostest, indem du dir liebevolle Dinge sagst, deine positiven Qualitäten ins Gedächtnis rufst und dir das Gute ganz besonders bewusst machst. Schau dich um, was gibt es in deinem Umfeld an Dingen, die dich glücklich machen? Was kannst du genießen? Kraftvolle Yogastellungen wie die Krieger-Positionen und Armbalancen helfen uns dabei, unser Selbstbewusstsein zu festigen. Wenn wir beginnen, den gesamten Körper zu spüren und uns darin wohlzufühlen, entsteht ein tiefes Gefühl von Sicherheit in uns. Es signalisiert: Alles ist okay, dir kann nichts passieren.
Schutz vor seelischen Leiden: Wie du deine emotionale Widerstandskraft stärkst
Eine mutige neue Sache am Tag zu wagen fördert uns darin, über unsere Komfortzone hinauszuwachsen und sich danach stark wie ein Löwe oder eine Löwin zu fühlen. Es ist wichtig, eine seelische Resilienz aufzubauen, ähnlich, wie wir auch unseren Zahnschmelz mit Fluorid vor schädlichem Karies schützen.
Unsere seelische Widerstandskraft stärken wir, indem wir uns immer wieder stoppen, sobald wir bemerken, dass wir zu viel grübeln oder sinnieren. Finde Unterbrechungen wie eine kleine Atemmeditation, die dich aus diesem sich wiederholenden Gedankenfluss rausholt. Gehe immer wieder gegen negative Gedankenkonstrukte vor, genauso wie du es mit verfilzten Haaren tun würdest. Kämme und bürste deine Gedankenwelt mit positiven Gedanken, sodass sie glänzt und scheint. Dankbarkeit ist übrigens wie eine wunderbare Pflegelotion für dein Herz.
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