Mütter und Väter, wir stecken wieder ganz tief drin. Es ist HOMESCHOOLING, und diesmal fühlt es sich fast noch schlimmer an als letztes Jahr. Was wir jetzt tun können.
Homeschooling, die zweite…
Eigentlich leistet die Erinnnerung unserer Psyche gute Dienste. Sie legt sich nämlich wie ein Schleier über fordernde Erlebnisse, damit wir Kraft finden, weiterzumachen. Bei Geburten funktioniert das zum Beispiel. Schmerzen sehen Mütter rückblickend schon kurze Zeit später als nicht mehr so dramatisch an.
Bei der ersten großen Homeoffice-Homeschooling-Periode 2020 hat das mit dem Verdrängen und Verklären nicht so gut geklappt. Die hat sich bei den meisten Eltern ins Hirn gebrannt und zwar so tief, dass schon das Wort Homeschooling bei den meisten von uns einen ordentlichen Cortisolausstoß produziert. Und jetzt ist es wieder so weit. Die Schulen setzen die Präsenzpflicht aus - was so viel heißt wie „wer kann, bleibt zuhause und lernt mit den Eltern“. Das klappt - je nach Beschäftigungslage, Nervenkostüm, individueller Familienaufstellung - recht unterschiedlich. Und dennoch muss es irgendwie gehen, denn Ende Januar müssen Lehrpläne erfüllt, Zeugnisse vergeben, Abiturklausuren geschrieben werden.
#coronaeltern: Was diesmal anders ist
Während im vergangenen Jahr Fassungslosigkeit die Lehrer lähmte, hat die Digitalisierung 2021 in den Schulen zumindest ansatzweise Einzug gehalten. Heißt: Auch Grundschüler*innen sitzen jetzt in Zoom-Calls, bekommen Aufgaben auf digitale Padlets hochgeladen, sehen Videos, in denen Lehrer*innen Aufgaben erklären.
Ob das Eltern wirklich entlastet, oder den Druck noch weiter erhöht (wenn sich zum Beispiel der Klassenzoom der 2c mit dem eigenen Zoom-Termin überschneidet), sei mal dahingestellt. Aber da es ja hierbei nicht primär um die Entlastung der Eltern, sondern um kindgerechte Wissensvermittlung geht, bringt das enorme digitale Engagement der Lehrer definitiv Struktur in den Lernalltag, so dass wir zumindest das Gefühl haben, gemeinsam die Ziele im Zebraheft zu erarbeiten.
Wenn das Home beim Schooling nicht mehr geht…
2020 waren wir mit einer rigorosen Schulschließung konfrontiert, lediglich Kinder von Eltern mit systemrelevanten Berufen durften eine Notbetreuung in Anspruch nehmen. In dieser Phase sind wir bei einem scheinbar freiwilligen Modell des Homeschoolings. Was auch dazu führt, dass Eltern ihre Schulkinder vermehrt in der Schule zur ‚Notbetreuung‘ anmelden. Laut Lehrkräften ist die Zahl der Schüler*innen übrigens in Woche zwei fast doppelt so hoch wie in Woche eins des Jahres. Nicht unbedingt Sinn der Sache, denn es geht ja darum, die Fallzahlen zu senken. Zumal eine Schweizer Studie gerade bewiesen hat, dass Schulschließungen zu den effektivsten Anti-Corona-Maßnahmen gehören, weil sie die Mobilität insgesamt stark verringern.
Aber: Wer keine Lösung im heimischen Beschulen mehr sieht, muss abwägen. Stehen also nicht ohnehin alle Zeichen wieder auf Hybridunterricht? Und wann naht eigentlich endlich echte Hilfe für überlastete Eltern?
Die Lösung: das Corona-Kinderkrankengeld?
Die Unvereinbarkeit von Homeschooling und Homeoffice ist bewiesen. Zeit, die Notbremse zu ziehen, und das vom Staat neu konzipierte erweiterte Corona-Kinderkrankengeld zu nutzen? Eltern sollen bis zu zehn zusätzliche Tage und Alleinerziehende bis zu 20 zusätzliche Tage Kinderkrankengeld (immerhin 90% des Nettolohns) in Anspruch nehmen können. Dies soll ausdrücklich auch dann gelten, wenn wegen der Schließung von Schulen und Kitas eine Betreuung des Kindes zu Hause erforderlich wird. Die genauen Regelungen sollen am Mittwoch vom Bundeskabinett beschlossen werden. Ob es allerdings sinnhaft ist, die Kinderkrankentage bei Betreuungsproblemen im Lockdown zu nutzen, ist fragwürdig.
Und wer macht eigentlich die Arbeit, wenn Eltern sie gesammelt niederlegen?
Langfristig für die Rechte von Eltern kämpfen: mit der Pro Parents Initiative
Kurzfristig Lösungen zu finden, ist eine Herausforderung, die nicht wirklich gelungen scheint. 20 Millionen Eltern gibt es in Deutschland, von denen 80% erwerbstätig sind. Die Initiative Pro Parents fordert seit vergangenem Jahr die Aufnahme des Diskriminierungsmerkmals »Elternschaft« in § 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) bzw. eine Ergänzung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes, so dass Eltern durch eine klare gesetzliche Grundlage vor Benachteiligungen geschützt werden, Anspruch auf Schadensersatz geltend machen und sich im Diskriminierungsfall auf eine Beweislastumkehr stützen könnten. Die Initiative will vor allem langfristig Eltern schützen und endlich gesetzliche Rahmenbedingungen für Gleichstellung schaffen. Auch die Initiative Eltern in der Krise will Familien mit betreuungsbedürftigen Kindern eine Stimme in Deutschland geben. Sie bietet auf Facebook eine Gruppe, in der sich Eltern austauschen und unterstützen können. Fast 15.000 Mitglieder posten Beiträge, kommentieren und informieren sich hier.
Was wir versuchen können, wenn die Politik uns kurzfristig keine Lösung bietet
Die Ein-Freund*in-Regel für ein Lernkonzept Pas-de-deux zu nutzen. Ein Tag das Kind bei dem/der Lieblingsfreund*in aus der Schule zum Lernen zu verabreden. Schafft zumindest ein paar Stunden Luft (in denen man sich auf die Arbeit oder die Luxus-Kombination Arbeit + 1 Kind weniger konzentrieren kann). Zweiter Vorteil: Der Tag, an dem das andere Kind dann zu einem selbst zum Lernen kommt, ist das eigene Kind viel motivierter.
Resturlaub oder gut investierte Urlaubstage 2021: Ja, wir würden unseren Urlaub alle lieber an der portugiesischen Küste statt mit dem Zirkel in der Hand am Esstisch verbringen. Aber mal ehrlich, darüber sind wir doch schon hinaus, oder? Jetzt den Urlaub einzusetzen, kann eine gute Idee sein, um sich tageweise wenigstens ein wenig Luft zu schaffen.
Stundenplan einführen: Schnell kehrt der Pyjama-Schlendrian ein, die Kinder sitzen mit Schlafi und verfilzten Haaren bis mittags in der Wohnung. Zeit für einen Tagesplan. Der aber richtig viele schöne Pausen vorsieht. Die darf man vorher schon gedanklich füllen. Eine Stoppuhr hilft, die Lernzeiten einzuhalten.
Digitaler Support erlaubt! Wer im Alltag darauf achtet, die Kinder nicht ins Beschallungsdelirium zu setzen, darf jetzt auch mal das Tablet nutzen. Denn es gibt reichlich Lern-Apps, gut gemachte Videos, Lehrfilme, Podcasts für Kinder, Hörbücher und Lesungen. Thematisch passend zum Schulstoff findet sich immer was. Minimiert auch das schlechte Gewissen.
Frischluft-Verabredungen und Pausen: Open-air-Dates auf den (noch) geöffneten Spielplätzen sind eine gute Idee. Ältere Kinder können auch eine gemeinsame Fahrradtour machen, da kommt sich niemand zu nah. Damit auch Mama und Papa mal rauskommen, ist ein schneller Spaziergang in der Mittagspause eine gute Idee. Die 15 Minuten müssen drin sein!
Gut schlafen ist die halbe Miete! Jetzt unbedingt auf eine gute Schlafhygiene achten. Auch wenn es manchmal nicht anders geht, als abends noch abzuarbeiten, was morgens liegengeblieben ist, eine Stunde vor dem Schlafengehen sollten wir nur noch das tun, was uns runterbringt. Viele Kinder klagen jetzt über Einschlafprobleme, weil sie nicht genug Bewegung bekommen und ihr Tagesablauf nicht so ist, wie sie ihn brauchen. Massagen, Meditationen oder Phantasiereisen sind eine gute Idee für alle, um abends abzuschalten.
Kleine Ziele setzen: Nur noch diese und nächste Woche und dann… sieht alles anders aus. Nie den Riesenberg sehen, sondern nach dem Prinzip "Der Tag, die Sorge" agieren. Kleine Einheiten schaffen, im Moment leben.
Die Ein-Minuten-Pause: Im größten Wahnsinn hilft die kurze Pause. Jetzt darf nur geatmet werden. Und an was Schönes gedacht werden.
Du bist nicht allein… Auch wenn die Coronakrise die Unterschiede familiärer Situationen schmerzhaft deutlich gemacht hat, es gibt viele, denen es ähnlich geht. Ein kurzer Austausch mit befreundeten Eltern hilft (bitte nicht unbedingt mit denen, die diese Zwangspause als "Time of my life" bezeichnen, weil endlich das Gartenhaus steht und man aufgrund einer Jobfreistellung bei vollem Gehalt endlich Zeit für einen Investmentplan hatte).
Liebe Eltern, haltet durch. Und seid nicht so streng zu euch. Wir schaffen das. Schreibt mir gern an online@emotion.de, wie es bei euch läuft…
Über die Autorin…
EMOTION.digital-Chefredakteurin Sabine beschult gerade eine Erst- und eine Viertklässlerin zuhause. Natürlich neben dem Job. Was sie gelernt hat in der Zeit? 1. Atmen nicht vergessen. Und zwar ruhig und gleichmäßig. 2. Vergleichen macht unglücklich. 3. Ordnung wird überbewertet.