Endometriose und Schwangerschaft ist oft ein heikles Thema. Die Krankheit ist nicht selten die Ursache für ungewollte Kinderlosigkeit. Wie Frauen die Krankheit behandeln und trotzdem schwanger werden können, darüber haben wir mit der Endometriose-Expertin Prof. Dr. Mechsner und Anna Wilken, Autorin, Model, Influencerin und Betroffene, gesprochen.
- Endometriose ist die häufigste Unterleibserkrankung bei Frauen
- Endometriose geht oft mit starken Schmerzen während der Periode einher
- Etwa jede 10. Frau in Deutschland leidet an Endometriose
Endometriose ist eine gutartige, chronische Krankheit, bei der sich gebärmutterähnliches Gewebe außerhalb der Gebärmutter im Bauchraum befindet. Diese “Mini-Gebärmütter” reagieren bei jeder Menstruationsblutung mit, was häufig zu starken, geburtsähnlichen Schmerzen führt. Da die Symptome meist unspezifisch sind und Regelschmerzen oft als “normal” abgetan werden, dauert die Diagnosefindung meist zwischen 6-10 Jahren. Oft wird Endometriose erst im Zuge der Kinderwunschbehandlung festgestellt.
EMOTION: Schmerzen während der Periode sind keine Seltenheit. Woran erkenne ich, ob ich an Endometriose leide?
Frau Prof. Dr. Mechsner: Sicher diagnostizieren lässt sich Endometriose nur durch eine sogenannte Bauchspiegelung. Dies ist jedoch ein operativer Eingriff, der gut überlegt werden sollte. Da die Symptome von Endometriose recht unspezifisch sind, ist es wichtig, ein ausführliches Gespräch mit der Patient:in zu führen. Es geht vor allem darum, die Intensität und den Ort der Schmerzen festzustellen. In einer aktuellen Befragung von jungen australischen Frauen bis 24 Jahren geben 92% Regelschmerzen an. Das große Dilemma ist zu differenzieren: Welche Schmerzen sind normal und welche nicht? Ich arbeite mit einer visuellen Analogskala. 10 ist der schlimmste vorstellbare Schmerz, wie eine Geburt oder eine Operation im wachen Zustand. 0 bedeutet keine Schmerzen und ab 3 besteht der Wunsch nach Schmerzmitteln. Von Endometriosepatient:innen wird der Schmerz meist zwischen 6 und 9 eingestuft.
Da Schmerz jedoch etwas Subjektives ist, gibt es noch weitere Kriterien, die bei der Diagnose in Betracht gezogen werden müssen:
- Muss die betroffene Person ihr Leben einschränken? Kann sie noch zur Schule oder Arbeit gehen?
- Einnahme von Schmerzmitteln: Verschwinden die Schmerzen beispielsweise durch das krampflösende Mittel Buscupan, so ist der Schmerz meist nicht pathologisch. Werden aber beispielsweise 3 mal täglich 600mg Ibuprofen eingenommen und die Schmerzen liegen trotzdem noch bei 3-4, dann deutet das auf Endometriose hin.
- Die vegetativen Mitreaktionen: Kommen Übelkeit, Erbrechen, Schwindel und Durchfall hinzu, kann auch das ein Zeichen für Endometriose sein.
- Ist Wasserlassen oder der Stuhlgang mit Schmerzen verbunden?
- Gibt es zyklische Darmbeschwerden?
- Bestehen Schmerzen beim Geschlechtsverkehr?
- Wurde zuvor die Pille genommen und es bestanden auch unter der Pillenabbruchblutung Schmerzen?
- Beginn der Schmerzen: Fangen die Schmerzen mit Eintreten der Blutung an oder schon Tage vorher?
Oft wird Endometriose mit ungewollter Kinderlosigkeit in Verbindung gebracht. Gleichzeitig kann die Schwangerschaft und die Stillzeit die Beschwerden lindern. Zumindest teilweise. Was empfehlen Sie Frauen*, die schwanger werden möchten?
Menschen mit Endometriose können und sollen Kinder bekommen. Viele Frauen* mit Endometriose werden schwanger. Aber andersherum: 25 bis 50% der Frauen*, die nicht schwanger werden können, haben Endometriose. Auch dafür ist es wichtig, Endometriose frühzeitig zu erkennen. Ich empfehle meinen Patient:innen, sich früh mit dem Thema Kinderwunsch zu beschäftigen. Es sollte nicht bis Ende 30 gewartet werden, um mit der Familienplanung zu starten. Denn ab 35 nimmt die Qualität und Quantität der Eizellen auf natürliche Weise ab. Kommt dann noch Endometriose hinzu, wird die natürliche Befruchtung erschwert. Da haben viele Patient:innen ein schweres Schicksal. Das muss offen kommuniziert werden. Hier spielen auch unsere Gesellschaft und die Medien eine große Rolle: Uns wird suggeriert, dass wir auch noch spät schwanger werden können. Aber ab 35 können nur 50% der Frauen, die sich ein Kind wünschen, auch eines bekommen. Ich finde es wichtig, dass offen mit den Betroffenen zu besprechen.
Wie wird Endometriose behandelt?
Die Behandlung von Endometriose ist von Frau* zu Frau* unterschiedlich. Es hängt von vielen Faktoren ab, wie Alter, Stärke der Beschwerden und dem Status der Familienplanung. Da Endometriose eine hormonabhängige Erkrankung ist, beginnen wir oft mit der Einleitung einer Hormontherapie. Jeder Menstruationszyklus hat das Ziel, die Gebärmutterschleimhaut aufzubauen, damit sich das Ei darin einnisten kann. Dadurch kommt es zu einem erhöhten Östrogenspiegel. Geben wir Hormone, gaukeln wir dem Körper eine Schwangerschaft vor, weshalb der Östrogenspiegel niedrig bleibt und sich die Gebärmutterschleimhaut nicht aufbaut. Dadurch verursachen die Endometrioseherde keine Schmerzen. Das ist eine sehr effektive Therapie. Zur Hormonbehandlung bevorzugen wir eine östrogenfreie Therapie mit Gestagen Monopräparaten, den sogenannten “Progesteron only Pills” (POP). (Anmerkung der Redaktion: Progesteron ist ein weibliches Sexualhormon und wird, wenn es synthetisch hergestellt wird, Gestagen genannt). Die POP sind sehr gut verträglich und effektiv. Das Dilemma ist, dass es mitunter zu Schmierblutungen kommen kann. In diesem Fall kann die Dosierung angepasst werden, so dass die Patient:in blutungsfrei ist. Wenn die Frau* durch POP keine Blutung und keine Schmerzen hat, können damit sogar Zysten behandelt werden. Sie bleiben stabil, oder schrumpfen sogar. Dadurch kann Zeit gewonnen werden, bis ein Kinderwunsch besteht.
Was sind die Risiken und Nebenwirkungen einer Hormontherapie?
Das Risiko für Eierstockkrebs und Gebärmutterschleimhautkrebs wird reduziert, das Brustkrebsrisiko bleibt unbeeinflusst. Die POP verursachen kein gesteigertes Thromboserisiko, können jedoch Stimmungsschwankungen auslösen und die Libido beeinflussen. Nicht außer Acht lassen dürfen wir, dass die Hormontherapie bei diesen Nebenwirkungen immer nur ein Faktor von vielen ist.
Welche Dinge kann die betroffen Frau* selbst tun um die Beschwerden der Endometriose zu lindern?
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Früher war ein operativer Eingriff, in welchem die Endometrioseherde entfernt werden, eine der ersten Maßnahmen bei Endometriose. Wann raten Sie einer Frau heute zu einer Operation?
Im Laufe eine Endometriose-Erkrankung kommt meist irgendwann die Operation. Doch es ist wichtig, nicht einfach drauflos zu operieren, sondern immer ein Konzept zu verfolgen. Die Indikation zur Operation ist gegeben, wenn die Patient:in unter der Hormontherapie weiter Schmerzen hat oder schwanger werden möchte.
Bei unerfülltem Kinderwunsch muss abgewogen werde, ob operiert werden oder direkt die künstliche Befruchtung erfolgen soll. Nicht jede Frau muss operiert werden. Es kommt immer auf die Gesamtsituation an: Wie jung ist die Frau, wie lange versucht sie schon schwanger zu werden, wie ist die Qualität der Spermien, welche Endometriosebefunde liegen vor, wie sehen die Eierstöcke aus, gibt es Zysten oder nicht, wie ist die Eizellreserve. Dies sind sehr komplexe Situationen und es muss für jeden Menschen ein individuelles Konzept aufgestellt werden.
Wird operiert, so werden alle Endometrioseherde im Bauchraum entfernt und die Eileiterdurchgängigkeit geprüft. Bei unkomplizierter Endometriose erreichen wir so in 60%, bei komplexer Endometriose in 40% der Fälle eine Schwangerschaft.
Prof. Dr. Sylvia Mechnser, Professorin für Endometrioseforschung
Prof. Dr. med. Sylvia Mechnser studierte Humanmedizin an der Freien Universität Berlin und promovierte 2001. Seitdem arbeitet sie in der Klinik für Gynäkologie an der Berliner Charité, wo sie derzeit am Campus Virchow-Klinikum als Oberärztin tätig ist. Seit 2005 leitet Mechnser das Endometriose-Forschungslabor der Charité, seit 2014 das Endometriose-Zentrum. 2019 wurde sie zur Professorin für Endometrioseforschung berufen. Mechnser leitet Forschungsprojekte und klinische Studien rund um die Pathogenese und Schmerzmechanismen von Endometriose.
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Anna Wilken, Autorin, Model und Influencerin
Anna Wilken hat seit dem Einsetzen ihrer Periode im elften Lebensjahr starke Regelschmerzen und mit 19 Jahren wurde bei ihr Endometriose diagnostiziert. Seit vier Jahren befindet sie sich in der Kinderwunschbehandlung. Im November gab sie ihre Schwangerschaft bekannt, einen Monat später verlor sie das Kind. Auf Instagram gibt sie unter @anna.wilken Einblicke in das Leben mit Endometriose. Zudem hat sie ein Buch über die chronische Krankheit und eines über das Thema Kinderwunsch geschrieben. Mit ihr haben wir über die Krankheit, den Umgang mit ihr, der Gesellschaft und den Wunsch, schwanger zu werden, gesprochen.
EMOTION: Wie war dein Weg, von den ersten Symptomen bis zur Diagnose?
Anna Wilken: Ich habe mit elf meine Periode bekommen, sie war von Anfang an unglaublich schmerzhaft. Mit 13 kam zum ersten Mal der Verdacht auf, dass es Endometriose sein könnte. Aber ich wurde als zu jung eingestuft und dem wurde nicht weiter nachgegangen. Obwohl mein Leben durch die Schmerzen stark eingeschränkt war und ich deshalb viel in der Schule gefehlt habe, wurde ich nicht ernstgenommen. Mir wurde vorgeworfen, als Scheidungskind nur Aufmerksamkeit zu wollen. Meine Schmerzen und die daraus resultierende psychische Belastung hat mir meine Jugend genommen. Zur Verhütung habe ich für einige Zeit die Pille genommen, doch die Schmerzen wurden dadurch nicht wirklich besser. Als ich mit 18 Jahren in Berlin lebte und mich die Schmerzen eines Nachts wieder in den Wahnsinn trieben, habe ich “Endometriose, Arzt, Berlin” in die Suchmaschine eingegeben und bin so auf Frau Mechsner gestoßen. Sie hat meine Vermutung bestätigt: Meine starken Schmerzen kommen von der Endometriose. Zu dem Zeitpunkt der Diagnose war ich 19 Jahre alt. Daraufhin ging es mir psychisch schlecht, ich litt unter Depressionen, hatte eine Angststörung sowie Panikattacken.
Wie verlief die ärztliche Begleitung von nun an?
Es gibt leider keine allgemeine Nachbetreuung für Betroffene. Das ist ein Teil des Problems. Ich war dankbar, dass meine Schmerzen nun eine Ursache hatten und auch mein Umfeld wusste, dass ich mir die Schmerzen nicht nur einbilde. Es folgte die erste Operation, danach wurden meine Schmerzen allerdings schlimmer. Zwei Jahre später folgte die nächste Operation, diesmal allerdings nicht in Berlin. Abermals ohne Erfolg. Der dritte operative Eingriff fand 2020 im Rahmen der Kinderwunschbehandlung statt. Diesmal wieder in Berlin bei Frau Mechsner.
Wann wurdest du zum ersten Mal mit dem Thema Schwangerschaft konfrontiert?
Nach meiner ersten Operation wurde mir gesagt, dass meine Eileiter durchgängig seien, ich also gute Voraussetzungen habe, später auf natürlichem Wege schwanger zu werden. Ich war damals 19 und auch wenn ich wusste, das ich in Zukunft eigene Kinder bekommen möchte, lag die Familienplanung noch in weiter Ferne.
Nach meiner zweiten Operation habe ich ein paar Wochen in einer auf Endometriose spezialisieren Reha verbracht. Mit meinen 21 Jahren war ich die mit Abstand Jüngste, viele meiner Mitpatient:innen waren in Vorbereitung auf eine Kinderwunschbehandlung dort. Von ihnen habe ich erfahren, dass die Eileiter nur einer von vielen Faktoren sind, ob gute Chancen auf eine natürliche Schwangerschaft bestehen. Da ich ein sehr neugieriger Mensch bin, habe ich daraufhin in einer Kinderwunschklinik meinen AMH-Wert bestimmen lassen. Mithilfe diesen Wertes lässt sich die Eizellreserve ermitteln. Mein Wert war unterirdisch. Ich wurde mit 21 Jahren vor die Tatsache gestellt, dass ich mich schnellstmöglich einer künstlichen Befruchtung unterziehen müsse, um eigene Kinder bekommen zu können. Das fühlte sich für mich wie eine Hiobsbotschaft an. Ich habe mich ein Jahr lang gesträubt, über das Thema nachzudenken oder zu sprechen. Ich hatte Angst vor einer künstlichen Befruchtung.
Wie können wir als Gesellschaft Frauen mit Endometriose und Kinderwunsch am besten unterstützen?
Unerfüllter Kinderwunsch ist ein großes Thema. Leider ist es in unserer Gesellschaft sehr tabuisiert, obwohl es viele Menschen betrifft. Ganz allgemein gilt: Empathie hilft! Kinderwunsch, ob da oder nicht, ob erfüllt oder unerfüllt, ist Privatsache. Gut gemeinte Tipps kommen oft nicht so gut an und verletzen mehr, als dass sie helfen.
Welche Tipps hast du für Frauen mit Endometriose und unerfülltem Kinderwunsch?
Ich kann nur jeder Frau einen offenen Umgang mit dem Thema ans Herz legen, denn ungefragte Tipps und blöde Fragen kommen immer. Egal, ob mit dem Thema offen umgegangen wird oder nicht. Man muss es ja nicht in die Welt hinaus posaunen, aber ich würde es engen Bezugspersonen anvertrauen. Wie soll das Umfeld auch emphatisch mit einem umgehen, wenn es gar nichts von der Problematik weiß?
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