Sex ist nicht alles. Doch wenn er fehlt, überschattet das die ganze Beziehung. Marianne ist 41, lebt in Berlin und möchte anonym bleiben. Die Marketing-Expertin erzählt in Teil 3 unserer Reihe "Geht Liebe ohne Sex?", wie sie glücklich wurde – mit zwei Männern.
"Was für ein interessanter Mann", dachte ich sofort. Doch Simon hat mich erst nach einem Jahr so richtig wahrgenommen. Wir sind 2002 ein Paar geworden, da war ich 21 Jahre alt. Wir waren uns von Anfang an sehr nahe, hatten eine ganz besondere Verbindung. Nur leider nicht erotisch.
Ich hatte immer mehr Lust als er. Da das in meiner früheren Beziehung aber auch schon so gewesen ist, dachte ich, das sei normal. Ich habe dann immer wieder mit anderen Männern geknutscht. Heimlich, denn es waren reine "Körpergeschichten", die nichts mit der tiefen Verbindung von Simon und mir zu tun hatten.
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2007 habe ich mich von Simon getrennt. Ohne Sex hat es für mich doch nicht funktioniert und ich wollte frei sein. Wir sind jedoch schnell wieder zusammengekommen, weil ich gemerkt habe: "Ich will nicht 'frei' sein, ich will mit ihm sein." Was ich an Simon so liebe, ist, dass er mich so sein lässt, wie ich bin. Er ist ein grundliberaler Mensch, Freiheit sein höchster Wert. Er unterstützt mich in allem, lässt mir alle Freiheiten, will, dass es mir gut geht. Das ist so ein großer Liebesbeweis.
2009 sind wir Eltern geworden. Simon ist der tollste Vater für unseren Sohn. Unfassbar, wie er ihm Freiheit vorlebt. Dank ihm ist Paul ein Freigeist, der sein Ding macht, keine Bestätigung von außen braucht, sondern emotional ganz stark, autark und gesund ist.
Eine Erleuchtung
So weit, so gut ... Bis David kam. Wir kannten uns schon lange, waren sogar mal WG-Mitbewohner, doch plötzlich hat es Zoom gemacht, wie in dem Song. Ihn zu küssen, war wie nach Hause zu kommen. Wie eine Erleuchtung. Mir war sofort klar: Das ist keine "Körpergeschichte", das ist viel mehr. Ich habe es Simon erzählt und wir haben probiert, ob es zu dritt geht.
Für Simon war wichtig, dass ich nicht schwanger werde. Ansonsten war auch er erleichtert, weil mein Verlangen nun woanders befriedigt wurde und uns nicht mehr belastete. Drei Jahre ging es gut, doch ich merkte, dass ich immer erschöpfter wurde. Ich wollte, dass alle drei Männer, also auch unser Sohn, gleichberechtigt Zeit und Zuwendung von mir bekommen. Dabei verlor ich mich selbst und fühlte mich nur noch hin- und hergerissen.
Also trennte ich mich von David und machte mit Simon eine Paartherapie. Wir lernten, völlig neu zu kommunizieren und gingen auch unser Sex-Thema an, leider zündete es nicht richtig. Ich entschloss, mich auch von Simon zu trennen. Als ich bereits auf Wohnungssuche war, merkte ich, wie ich immer unglücklicher wurde. Schließlich ging mir ein Licht auf: 1. Simon und ich haben eine so starke Verbindung, wir brauchen keinen Sex. 2. Meine Familie hat oberste Priorität, das ist in Stein gemeißelt und steht nicht zur Disposition. Ich bin also doch bei Simon geblieben und habe es nicht bereut.
Beziehungsstatus: Ich bin glücklich!
Mit David bin ich vor zwei Jahren wieder zusammengekommen. Ich habe ihm sofort gesagt: Meine Familie steht über allem. Danach war alles entspannt. Für mich gibt es keine Definition für das, was ich jetzt lebe. Ich will meine Lebensweise auch in keine Schublade stecken, mich weder erklären noch verteidigen. Ich liebe beide Männer, beide sollen Teil meines Lebens sein. Das ist das Fundament, an dem ich nicht rüttle. Wie es funktioniert, ist hingegen stetige Verhandlungssache.
Was ich gelernt habe? Ich bin das Wichtigste. Ich muss genau das tun, was mir guttut. Wenn ich nicht übernachten will, weil ich Zeit für mich brauche, dann gehe ich. Selbst wenn der andere traurig ist. Denn wenn ich mich in dieser Konstellation verliere, dann wird es für alle kompliziert.
Hier geht es zu Teil 1: "Wann wird es Zeit, zu gehen?" und hier zu Teil 2: "Lohnt es sich, zu bleiben?". Dieser Artikel erschien zuerst in EMOTION 10/22.
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