"Es fühlt sich an wie ein Horrorfilm." So begrüßte Sängerin Mogli kürzlich bei einem Online-Live-Konzert ihr Publikum. Was folgte, war eine Rede über die Black-Lives-Matter-Bewegung, über Rassismus und Verantwortung, die uns sehr berührt hat. Hier könnt ihr Moglis Appell nachlesen.
Dieses Jahr ist alles anders. Keine Großkonzerte, keine Tour, keine Gewissheit, wann das Warten ein Ende hat. Die Krise ist auch eine Krise der Künstler*innen, klar, sagt Sängerin und Songwriterin Mogli, doch richtet sie sich in einem ihrer Live-Streams mit einem ganz anderen Anliegen an alle Zuhörenden und macht klar: Das Rassismus-Problem, das, was 2020 und all die Jahre davor in der ganzen Welt mit George Floyd und all den anderen passiert ist, geht uns alle etwas an. Mogli, die bereits auf dem Titel unseres SLOW-Magazins war, zählt auch zu unseren SLOW-Mates - und mit ihrer Erlaubnis dürfen wir hier die Abschrift ihrer Rede, übersetzt aus dem Englischen, veröffentlichen:
Klare Worte von Sängerin Mogli: Lasst uns immer wieder unsere Privilegien überprüfen
"Es fühlt sich so an, als befänden wir uns mitten in einem Horrorfilm, und damit meine ich nicht die Pandemie. Es fühlt sich so an, als seien wir machtlos, wenn links und rechts so viel Diskriminierung passiert. Doch wir haben in der Hand, wir alle zusammen, wie wir auf die Diskriminierung unschuldiger Menschen auf der ganzen Welt reagieren. Es liegt in unseren kollektiven Händen, wie wir auf die Diskriminierung unschuldiger Menschen auf der ganzen Welt reagieren.
Lasst uns einen Teil unserer Zeit damit verbringen, um nachzudenken, was wir tun können. Ich habe keine Antworten, aber lasst uns nicht aufhören, Fragen zu stellen!
Bevor ich mit dem Konzert beginne: Ich hoffe, dass dieses Konzert ein Moment des Friedens inmitten der schrecklichen Angst sein wird.
"Mit Diskriminierung bin ich vertraut"
Meine Mutter ist Deutsche, mein Vater kommt aus Nordafrika. Zusätzlich habe ich Brüste statt Eier, mit Diskriminierung bin ich vertraut. Ich kenne Ungerechtigkeiten. Unsere gesamte Gesellschaft ist darauf aufgebaut. Das bedeutet aber nicht, dass ich den Schmerz von meinen schwarzen Brüdern und Schwestern kenne. Ich kann ihn nur nachvollziehen, aber genau das ist der essentielle Unterschied. Dieser Stream ist ihnen gewidmet. Ich sehe euren Schmerz, ich sehe eure Traurigkeit. Ich sehe, dass ihr müde seid. Ich sehe, dass ihr Angst habt.
Ich habe einen Sponsor gesucht, sodass ich meinen Gehalt für den guten Zweck spenden kann. Obwohl ich die letzten Jahre mit vielen Brands zusammengearbeitet habe, hat es ziemlich lange gedauert, einen passenden Partner zu finden, erst nach zwei Wochen hatte die Suche ein Ende. 4000 Euro kann ich mit diesem Auftritt an die Initiative "Schwarze Menschen in Deutschland" spenden. Eine Initiative, die einen sehr bedeutsamen Beitrag zur Aufklärung und Bekämpfung von Rassismus leistet, indem sie beispielsweise einen geschützten Raum und diverse Aktivitäten für schwarze Kinder bietet. Außerdem finanzieren sie politische Projekte zur Bekämpfung von Rassismus.
"Endlich ist der weltweite Aufschrei da"
Seit wir denken können, ist die systematische Misshandlung von Schwarzen rund um den Globus eine der größten Ungerechtigkeiten. Auf der einen Seite bin ich zwar traurig, dass es so lange gedauert hat, aber jetzt ziemlich froh, dass der weltweite Aufschrei endlich da ist.
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Klar müssen wir auch Solidarität gegenüber anderen Menschen und ihrem Leid zeigen. Doch zu wünschen, dass dieser Aufschrei auch andere Ungerechtigkeiten aufgedeckt hätte, muss nicht bedeuten, dass man sich jetzt nicht der Bewegung anschließen kann!
Liebe weiße Mitmenschen (und ich sage Mitmenschen, obwohl ich genau genommen nicht weiß bin. Meine Haut ist nur so hell, dass ich zu 100 Prozent vom Privileg der Weißen profitiere) - bitte erkennt, wenn ihr all diese schrecklichen Videos und Nachrichten mitverfolgt, dass ihr immer noch selbst die Wahl habt. Ihr könnt euch dafür entscheiden, die Videos anzusehen und ihr könnt euch dafür entscheiden, es zu lassen und euren Tag normal weiterzuleben.
"Liebe weiße Mitmenschen, bitte übernehmt Verantwortung!"
Ich weiß, wie schwer es ist, diese Dinge anzusehen oder sich gar richtig mit dem Thema auseinanderzusetzen. Ich bin selbst sehr sensibel und wenn ich mich mit diesen Themen beschäftige, kann mich das ziemlich belasten. Aber stellt euch vor, wie erdrückend es wäre, wenn ihr Rassismus jeden Tag selbst erfahren würdet!
Unser Recht ist es, dass wir entscheiden können, über diese Dinge nachzudenken. Lasst uns gemeinsam entscheiden, dass wir das tun wollen, auch wenn es uns schwerfällt. Selbst wenn der erste Aufschrei vorbei ist, müssen wir solidarisch sein. Wir müssen lernen, die Vorurteile in uns und vor allem das rassistische System zu bekämpfen. Unsere schwarzen Schwestern und Brüder haben es satt, die Einzigen zu sein, die aufklären und kämpfen. Wir müssen das Ruder übernehmen, damit sie endlich zurücktreten und sich entspannen können.
Porträt: Hier erfahrt ihr mehr über die Sängerin Mogli
Liebe weiße Mitmenschen, bitte übernehmt Verantwortung, selbst wenn es nicht um euch selbst geht. Bitte spendet, falls ihr etwas geben könnt, an blacklivesmatter.com, die weltweite Organisation. Bitte hört auf, die Situation mit anderen problematischen Situationen zu vergleichen. Es ist nicht die richtige Zeit dafür. Wenn ihr noch nie über Rassismus gesprochen habt, macht euch keine Sorgen über Verurteilung. Jeder fängt irgendwo an, Verstehen ist ein Prozess, Probleme beheben erst recht. Aber bitte – fangt einfach an.
Liebe People of Colour, ich hoffe, ihr findet einen Moment des Friedens in diesen schrecklichen Zeiten. Ich hoffe, dass ich viele Spenden für die Initiative sammeln kann. Und ich hoffe, dass ihr, wenn ich singe, die Liebe, die ich für euch empfinde, in meiner Stimme spüren könnt. Dieses Konzert ist für euch."
Hinweis: Diese Rede wurde aus dem Englischen übersetzt.
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