Roadtrip auf Teneriffa: Unsere Autorin entdeckt mit dem VW-Bus die größte kanarische Insel Teneriffa und deren verborgene Schönheiten.
Roadtrip auf Teneriffa: verborgene Schönheiten entdecken
Teneriffa ist eine öde Tourist:inneneninsel? Nicht, wenn man sie im Hippie-Bus ganz neu erfahren kann. EMOTION-Autorin Lea Birke macht sich mit Fotografin Evelyn Dragan im Wohnmobil auf die Reise und entdeckt die verborgenen Schönheiten der Natur.
Mit dem VW-Bus über die kanarische Insel
Er heißt Wendy. Er sieht aus wie einem Bilderbuch entsprungen. Und mit diesem hellblauen VW-Bus, Baujahr 1972, soll ich nun auf Teneriffa herumfahren! Die Insel war gar nicht auf meiner Wunschliste. Wenn ich an sie dachte, sah ich nur verbrannte Wüstenlandschaften vor mir und ebenso verbrannte deutsche Pauschalurlauber:innen. Das Bild bestätigt sich zunächst. Wendys Besitzer Fabio, der den Bulli über ein Online-Portal vermietet, holt Reise-Fotografin Evelyn und mich vom Flughafen ab. Die Autobahn schlängelt sich durch ein dürres Industriegebiet, bunte Hausklötze kleben wie Legosteine an braunen Hügeln. Vor uns liegt der Hotspot Los Cristianos. Wir aber wollen die Massen meiden, freuen uns auf einen Roadtrip.
Die erste Probefahrt im VW-Bus
Mit 23 Grad ist es angenehm warm. Doch die Berge im Nationalpark El Teide, der wie eine Festung inmitten all der Küstenstädtchen liegt, halten dunkle Wolken gefangen. "Es sieht nach Regen aus", sage ich und denke: Puh. Karge Landschaft, viele Deutsche UND Regen. Fabio lacht. Dann erzählt er uns von den Mikroklimazonen auf der Insel: "Wenn euch das Wetter nicht gefällt, fahrt einfach ein paar Kilometer weiter!" Gut also, dass wir unser Ferienhäuschen immer dabeihaben. Kurze Zeit später sitze ich schon auf Wendys abgewetztem Fahrersitz, und nach einer Proberunde ist sich Fabio sicher: Das läuft. Ich bin nicht überzeugt. Es gibt einen gewöhnungsbedürftigen Schaltknüppel und ein riesiges Lenkrad. Die neu eingebauten USB-Anschlüsse wirken im Kontrast geradezu absurd.
Mit Liebe zum Detail: Das Wohnmobil von innen
Auf den Buckelpisten zu unserem ersten Campingplatz in San Miguel de Tajao im Südosten hat Wendy ganz schön zu kämpfen. Wir werden mit einem Platz am Meer belohnt. Hier inspizieren wir den Bulli erst mal genauer. Der Autohimmel ist mit liebevollen Häkelarbeiten verziert, die holzvertäfelten Wände bieten Staufläche für Handtücher und Küchenutensilien. Im Regal liegt ein Gästebuch, das Reisegeschichten erzählt, auf Spanisch, Englisch, Italienisch. Wir finden eine Lichterkette, und ich bin ganz aus dem Häuschen, als ich plötzlich genau das Gefühl von Gemütlichkeit habe, das ich mir erhofft hatte. Wir kochen das erste Mal auf dem kleinen Gasherd. Pinkeln kann man entweder im Schweinwerferlicht des Wohnmobils neben uns oder im Totalschatten hinter einer Mauer. Zum Gesichtwaschen gießen wir uns aus einem Kanister gegenseitig Wasser in die Hände. Der Bulli ist mit einer Außendusche ausgestattet, aber abends ist es kühl und unser Wassertank klein. Alles geht langsamer hier. Aber dafür genießen wir es umso mehr.
Wir haben kein bestimmtes Ziel, sondern beschließen, einfach dort zu halten, wo es uns gefällt.
Lea Birke, RedakteurinTweet
Planlos auf Teneriffa: Der Weg ist das Ziel
Die erste Nacht ist die härteste. Die Matratze ist schmal und meine Arme landen ständig in Evelyns Gesicht. Doch dann finde ich über das Rauschen der Gischt absoluten Frieden und träume von Schulferien im Zeltlager. Frierend wache ich auf. Evelyn hockt schon am Fuß des Bettes und späht erwartungsvoll aufs Meer. Da lugt die Sonne hinter dem Horizont hervor, und eine unglaubliche Weite begrüßt uns. Wir haben keine Pläne, keine Ahnung, was der Tag bringen wird, wir sind frei. Mit frischem Kaffee zelebrieren wir einen langsamen Morgen. Weil uns die sanitären Anlagen des Campingplatzes nicht einladend vorkommen, fahren wir los und machen uns an einer Tankstelle frisch. Anschließend essen wir in einer Markthalle in Guaza frisch gepflückte Mandarinen und feurige Salsa. Dann fahren wir die Ostküste entlang Richtung Norden. Wir haben kein bestimmtes Ziel, sondern beschließen, einfach dort zu halten, wo es uns gefällt.
Die Schönheiten der Natur
In der Hauptstadt Santa Cruz de Tenerife prasseln Regentropfen auf Wendys Windschutzscheibe. Die Stadt ist grün und die breite Hauptstraße gesäumt von Palmen. Aber uns zieht es weiter in die Natur. Wir fahren Serpentinen hinauf, die aus der Ferne wie Reißverschlüsse aussehen. Zur Belohnung für die Zuckelei blicken wir auf den glitzernden Atlantik, auf Strände, die sich an den Fuß der Berge schmiegen, und die vielen bunten Menschenpunkte, die sich dort tummeln. Immer wieder sehe ich im Rückspiegel Leute mit gezückten Kameras aus Autofenstern hängen. Sie fotografieren nicht das Panorama, sondern Wendy. "Die halten uns sicher für richtige Hippies", sagt Evelyn und lacht. Das Leben als Nomadin gefällt mir. Auch dass wir unser Hab und Gut stets dabeihaben (so kann man schon mal nichts im Hotel vergessen).
Wir haben keine Pläne, keine Ahnung, was der Tag bringen wird, wir sind frei.
Lea Birke, EMOTION-AutorinTweet
Playa de Benijo, Buenavista, Garachico, Punta de Abona
Am schwarzen Vulkanstrand Playa de Benijo schauen wir bei einem Picknick den Surfer:innen zu. In der nächsten Nacht wollen wir im Freien übernachten, in Buenavista del Norte. Auch hier zaubert Wendy den Menschen ein Lächeln ins Gesicht, sie rufen: "Bonito! Bonito!" Auf einem Erkundungsspaziergang finden wir ein Schwimmbad – und damit die perfekte Dusche für den nächsten Tag. Nach einem Abstecher zu den natürlichen Lava Pools in Garachico juchzen wir beim Anblick jeder Palme im tropischen Masca-Tal. Von den saftig grünen Hügeln haben wir einen tollen Blick auf die Nachbarinsel La Gomera. Nur die Straßen jagen mir Angst ein. Die alte Wendy kommt kaum um die steilen Kurven, mehrmals bleiben wir am Hang stehen. An diesem Abend bin ich erschöpft. Ein starker Ostwind spielt in Punta de Abona mit der Plane unseres Wagens, beim Zähneputzen weht uns die Zahnpasta zurück ins Gesicht. Mehrmals rüttelt es so laut an den Türen, dass wir denken, es stünde jemand davor. Dies ist kein Platz zum Campen, doch gerade das macht ihn besonders. Orte, die nicht zum Verweilen gemacht sind, werden unser Zuhause.
Romantischer Abschied von Teneriffa
Auf dem Weg zum Nationalpark El Teide werden wir durch Nebelschwaden in Pinienwäldern geradewegs in eine andere Welt katapultiert. Auf über 3000 Metern könnte ich nicht mehr sagen, ob wir auf dem Mond sind oder im Grand Canyon. Wie gemalt sieht der Vulkan aus, dort vor strahlend blauer Himmelskulisse. Die Farben verschlagen mir die Sprache – und dann verabschiedet sich die Insel auch noch mit einem fast kitschigen Sonnenuntergang von uns. Als wir Wendy von unseren Krümeln befreien und ein letztes Mal ihr Dach zusammenklappen, habe ich plötzlich Ed Sheerans "Tenerife Sea" im Ohr. Selbst als mich mein breites Hamburger Bett wiederhat, summe ich noch.
Reise-Tipps für Teneriffa
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Teneriffa ist ein Paradies für Outdoor-Fans, die abseits der Hotelanlagen campen, surfen oder wandern möchten. Die Vielfalt der Kanaren-Insel erlebt man am besten auf einem Roadtrip. VW-Busse mieten kann man z. B. über Yescapa (ab 79 € pro Nacht).
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Wildcampen ist in Spanien offiziell nicht erlaubt, über Nacht parken aber schon. Mit der App CaraMaps lassen sich geeignete Park- und Campingplätze finden.
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Der Nationalpark El Teide ist unbedingt sehenswert. Eine Seilbahn fährt fast bis zum Gipfel. Der Vulkan steht unter Naturschutz, wer ganz nach oben will, muss sich vorher auf Volcano Teide registrieren.
Dieser Artikel erschien zuerst in der EMOTION 03/2020.