Immer weniger junge Frauen nehmen die Antibabypille. Was sind die Gründe? Und gibt es heute eigentlich genug Alternativen?
Immer weniger Mädchen und Frauen nehmen die Antibabypille
Eine aktuelle Studie der Techniker Krankenkasse zeigt, dass immer weniger Mädchen und junge Frauen die Pille nehmen. Demnach habe sich 2020 nur noch ein Drittel der 14- bis 19-jährigen Frauen die Antibabypille verschreiben lassen. Noch 2015 habe dieser Wert bei 44 Prozent gelegen. Besonders stark ist der Rückgang den Angaben zufolge bei den 18- und 19-Jährigen – der Altersgruppe, die am häufigsten die Pille nutzt. Bekamen 2015 noch 67 Prozent der 18-Jährigen mindestens eine Pillenverordnung, waren es 2020 nur noch 50 Prozent. Die Anzahl der 19-Jährigen sank von 72 auf 53 Prozent. Der Anteil der Verordnungen bei allen gesetzlich versicherten Mädchen und Frauen zusammen sank laut Deutschem Ärzteblatt zwischen 2009 und 2019 von 46 auf 31 Prozent.
60 Jahre Hormone
Seit die erste Antibabypille 1961 in der BRD und 1965 in der DDR auf den Markt kam, hat sich das Produkt erheblich verändert. Die heutigen Pillen unterscheiden sich deutlich in ihrer Sicherheit und der Dosierung der Hormone, ihr Wirkprinzip ist jedoch gleichgeblieben. Die meisten Präparate wirken durch die Kombination zweier künstlich hergestellter Hormone, die den körpereigenen Hormonen Östrogen und Gestagen ähneln. Sie bewirken, dass im Körper kein Ei heranreift und der Gebärmuttermund mit Schleim verschlossen wird, sodass keine Spermien eindringen können und sich die Gebärmutterschleimhaut nicht neu aufbaut.
Gründe für die Entscheidung gegen die Pille
Dass die Pille eine Menge mögliche Nebenwirkungen mit sich bringt, ist bekannt. Dazu gehören unter anderem Kopfschmerzen bis hin zu Migräne, Wassereinlagerungen, Zwischenblutungen, depressive Verstimmungen, Libidoverlust und Gewichtszunahme.
Einige Nebenwirkungen werden von vielen Frauen wissentlich in Kauf genommen, da sie sich von der Pille zum Beispiel reinere Haut versprechen. Viele Frauen bemerken Nebenwirkungen auch erst dann aktiv, wenn sie sie schon nicht mehr haben, darunter Auswirkungen sowohl auf den Körper als auch auf die Psyche. Das kommt häufig vor, weil es vielen an Wissen über den eigenen Körper, den Zyklus und die Wirkung von Hormonen fehlt. Doch das ändert sich gerade.
Während noch vor zehn Jahren fast allen Mädchen und Frauen direkt die Pille verschrieben wurde, raten Frauenärzt:innen heute auch oft zu anderen Methoden. Laut Techniker Krankenkasse gehen die Verordnungen seit einigen Jahren kontinuierlich zurück. Die Aufmerksamkeit für das Thema sei höher als noch vor ein paar Jahren. Viele Frauen möchten sich nicht mehr der stetigen, hohen Hormonzufuhr aussetzen und in den natürlichen Rhythmus ihres Körpers künstlich eingreifen. Manche finden es schlicht unfair, hormonelle Verhütung zu nutzen, nur weil es eben diese für Männer noch nicht gibt.
Ein neues Bewusstsein
Die Debatte über die Sicherheit ist keineswegs eine neue, doch der aktuelle Rückgang könnte auch mit der Berichterstattung zu Pillen der sogenannten neueren Generation zusammenhängen, die ein höheres Embolie- und Thromboserisiko aufweisen. Laut AOK Bundesverband bekommen mehr als die Hälfte der Frauen heute diese Art Pille.
Allgemein wird die Einstellung zu hormonellen Verhütungsmethoden also kritischer und das Bewusstsein für Körper und Psyche steigt. Vielen jungen Menschen ist heute ein bewussteres, ökologisches Leben wichtig. Auch neue Methoden und Technologien, die durch die Bestimmung des Eisprungs bei der Verhütung helfen sollen, die es vor einigen Jahren noch nicht gab, tragen dazu bei, dass weniger Frauen die Pille nehmen. In den Kosten liegt die Entscheidung gegen die Pille bei jungen Frauen wohl weniger begründet: Die Antibabypille wird für gesetzlich versicherte Frauen bis zum vollendeten 22. Lebensjahr von den Krankenkassen übernommen. Danach kostet sie etwa fünf bis 15 Euro pro Monat.
Ist die Pille erstmal abgesetzt, verändert sich so einiges
Viele beobachten nach dem Absetzen der Pille einige Veränderungen, sowohl physisch als auch psychisch. Viele der Veränderungen, die Frauen zunächst als negativ wahrnehmen, gleichen sich mit der Zeit selbst aus, wenn der Hormonhaushalt des Körpers wieder auf dem Normalniveau ist. Dazu gehören etwa Haarausfall, Hautunreinheiten, Gewichtschwankungen und der Zyklus – dieser wird bei vielen zunächst deutlich unregelmäßiger, pendelt sich dann aber ein und folgt schließlich dem natürlichen – aber immer noch individuellen – Rhythmus. Viele Frauen haben nach dem Absetzen aber auch wieder stärkere Regelschmerzen und PMS.
Mögliche positive Veränderungen:
- Du spürst deinen Körper wieder mehr, nimmst unterschiedliche Gefühle und Zyklusphasen stärker wahr.
- Dein Lustempfinden steigt.
- Deine Stimmung und deine Emotionen können sich verändern. Einige Frauen empfinden die Pille als Schleier, der sich über ihre Gefühle legt, und sie immer ähnlich fühlen lässt. Andere berichten von depressionsähnlichen Phasen. Diese verschwinden nach dem Absetzen nach einer Weile, wodurch sich viele befreiter und deutlich ausgeglichener fühlen.
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Was sind die Alternativen?
Hormonelle Verhütungsmethoden:
- Hormonspirale: wird von der Frauenärztin/dem Frauenarzt in die Gebärmutter eingesetzt, sehr hoher Schutz, wirkt drei bis fünf Jahre, zwischen 300 und 400 Euro
- Verhütungsing: verschreibungspflichtig, flexibler Kunststoffring, der in die Vagina eingeführt wird (21 Tage tragen, sieben Tage Pause), ca. 50 Euro für drei Monate
- Hormonstäbchen: verschreibungspflichtig, Kunststoffstäbchen, das von der Frauenärztin/dem Frauenarzt direkt unter die Haut am Oberarm eingesetzt wird, hält bis zu drei Jahre, ab 300 Euro
- Dreimonatsspritze: wird von der Frauenärztin/dem Frauenarzt gespritzt, pro Spritze ca. 30 Euro
- Hormonpflaster: wird auf die Haut geklebt und gibt Hormone in den Blutkreislauf ab, die eine Schwangerschaft verhindern, Dreimonatspackung etwa 40 Euro
Hormonelle Verhütungsmittel sind verschreibungspflichtig und können ähnliche Nebenwirkungen haben wie die Pille. Viele Frauen möchten ihrem Körper aber gar keine Hormone mehr zuführen. Sie greifen deshalb zu Verhütungsmitteln, die nicht auf Hormonen basieren.
Hormonfreie Verhütungsmethoden:
- Kondom: Der Klassiker, ca. 60 Cent pro Stück, schützt auch vor Geschlechtskrankheiten
- "Femidom": Ähnlich wie ein herkömmliches Kondom, das aber mit einem Ende in der Vagina und mit dem anderen auf den Vulvalippen platziert wird. Braucht etwas Übung, ähnliche Kosten wie ein Kondom
- Diaphragma: Flexibler Federring aus Silikon, der von der Frauenärztin/dem Frauenarzt genau angepasst und vor dem Sex selbst in die Vagina eingesetzt wird. 30 bis 50 Euro, etwas mehr mit Sperma-abtötender Creme dazu. Um Sicherheit zu gewährleisten, muss das Diaphragma nach dem Geschlechtsverkehr noch mindestens 8 bis maximal 24 Stunden in der Vagina verbleiben.
- Kupferspirale, Kupferkette, Kupferball: Verschreibungspflichtig, wird von der Frauenärztin/dem Frauenarzt in die Gebärmutter eingesetzt und gibt dort in ständigen, kleinen Mengen Kupfer ab, was die Spermien oder auch eine befruchtete Eizelle abtötet. Die T-förmige Kupferspirale entfaltet sich nach dem Einführen in der Gebärmutter, während die Kupferkette und der Kupferball in der Gebärmutterschleimhaut angenäht sind. Sie wirken drei bis sieben Jahre, je nach Modell 120 bis 500 Euro.
- Kalendermethode: Periode wird in einem Zyklustagebuch dokumentiert, die fruchtbaren Tage errechnet, kostenfrei, aber unsicher – als alleinige Verhütungsmethode nicht empfehlenswert
- Verhütungscomputer: Misst die Östrogen- und LH-Konzentration im Morgenurin und bestimmt so die fruchtbaren Tage. Einfach anzuwenden, aber an den fruchtbaren Tagen muss zusätzlich verhütet werden. Einige Modelle sind sehr unsicher. 125 bis 600 Euro
- Temperaturmessung: Morgens vor dem Aufstehen wird die Basaltemperatur gemessen. 2 bis 20 Euro für Thermometer (unbedingt mit zwei Stellen nach dem Komma), teurer wird es ggf. mit dazugehöriger App. Doch aufgepasst: Viele Apps verwenden einen Algorithmus, welcher sich an Durchschnittswerten orientiert, weshalb keine sicheren, individuellen Angaben gemacht werden können.
- Billings-Methode: Zum Einen wird der Zervixschleim wird mit den Fingern auf seine Konsistenz geprüft und zum Anderen das Gefühl in der Scheide (feucht, trocken, juckend, etc.) bewertet. So lässt sich die Zyklusphase bestimmen. Als alleinige Verhütungsmethode sehr unsicher.
- Muttermund-Methode: Einmal am Tag wird die Lage (hoch, mittel oder tief) sowie die Festigkeit (hart oder weich) des Muttermundes ertastet. Diese Methode sollte immer in Verbindung mit der Temperaturmethode angewandt werden, damit sie sicheren Schutz bietet.
- Symptothermale Methode: Kombination aus Temperatur- und Billings-Methode oder Temperatur- und Muttermund-Methode. Richtig angewendet ist sie sehr zuverlässig. Lässt sich gezielt auch für den Kinderwunsch einsetzen, deshalb wird sie auch als "natürliche Familienplanung" bezeichnet. Zyklus-Apps helfen dabei, die Symptome zu dokumentieren und alles im Blick zu behalten. Während der fruchtbaren Tage muss zusätzlich verhütet werden.
- Sterilisation: Beide Eileiter werden verschlossen oder durchtrennt. Je nach Methode zwischen 600 und 1000 Euro. Kann nur durch eine mikrochirurgische Operation wieder rückgängig gemacht werden; die Chancen auf Refertilisation sind aber gering und sinken mit dem Alter. Beim Mann (Vasektomie) werden die Samenleiter im Hodensack durchtrennt und die losen Enden anschließend verschlossen. Dadurch können keine Spermien mehr in die Samenflüssigkeit gelangen, 450 und 500 Euro
Welche Verhütungsmethode ist denn nun die richtige für mich?
Zu welchem Verhütungsmittel wir greifen sollten, ist vollkommen individuell und von Faktoren wie Wohlbefinden, Kosten oder auch der Regelmäßigkeit des Zyklus abhängig. Nach wie vor gilt Verhütung in unserer Gesellschaft leider überwiegend als Frauensache. Alternativen zur Pille gibt es zahlreiche, doch viele sind entweder ebenfalls hormonell, weniger sicher oder deutlich teurer. Dass die Pille vollständig durch andere Methoden ersetzt und abgelöst werden könnte, ist zurzeit nicht abzusehen. Insbesondere die Forschung für die Pille für den Mann sowie andere innovative Verhütungsmethoden für Männer ist noch immer nicht weit genug fortgeschritten und nicht so bald zu erwarten. Viele Hersteller fokussieren sich auf andere Forschungsbereiche, da sie für die Pille für den Mann keinen Markt sehen.
Egal für welche Methode wir uns entscheiden: Wichtig ist, dass wir selbst uns damit wohlfühlen, es nicht lediglich Partner:innen zuliebe tun und aus einem gesunden Körperbewusstsein heraus eine informierte Entscheidung treffen.
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