2020 feiert die Anti-Baby-Pille ihren 60. Geburtstag. Die Verhütung mit Pille galt als sexuelle Revolution. Heute ist sie aufgrund der Nebenwirkungen umstritten. Das solltest du wissen!
Verhütung mit Pille: Das solltest du wissen!
Meine Frauenärztin wirft mir einen skeptischen Blick zu, als ich ihr eröffne, dass ich die Pille absetzen möchte. Nicht, weil ich einen Kinderwunsch habe, sondern weil ich keine Hormone mehr zu mir nehmen will. „Eurer jungen Generation steht alles zur Verfügung und ihr lehnt euch gegen alles auf. Zu meiner Zeit war es eine Revolution, als die Pille auf den Markt kam," wirft sie mir seufzend vor. Sind wir nicht dankbar genug für den Fortschritt, frage ich mich, oder wollen wir es bewusst besser machen als die Generationen vor uns?
Die Anti-Baby-Pille wird 60
Verhütung selbst in die Hand zu nehmen, das war für Frauen in den 1960er Jahren revolutionär. Mit der Markteinführung der Anti-Baby-Pille zuerst in den USA und dann in Deutschland erlebten Frauen ein Gefühl von sexueller Freiheit und Selbstbestimmung. Die Angst davor, ungewollt schwanger zu werden, schien mit ein Ende zu haben. So begannen gesunde Frauen freiwillig ein Medikament mit synthetischen Hormonen einzunehmen, ohne es zu hinterfragen. Aufklärungen über die Wirkung und die Risiken des Hormonpräparates gab es damals nicht, weder von der Pharmaindustrie noch von Frauenärzt*innen.
Kann man als Frau also selbstbestimmt sein, während der komplette Zyklus fremdbestimmt wird?
Isabel Morelli, AutorinTweet
Fakten über die Geschichte der Pille
- Eine ausgepresste Zitrone als Diaphragma, der Blinddarm von Lämmern als Kondom oder Krokodilkot zur Abtötung von Spermien - die ersten Verhütungsversuche waren kreativ, aber kaum wirksam.
- 1957 wurde die Pille unter dem Namen „Enovid" zur Behandlung von Menstruationsschmerzen zugelassen. Auf der Verpackungsrückseite stand die verhütende Wirkung nur im Kleingedruckten.
- Die Feministin und Aktivistin, Margaret Sanger, setzte sich als Pionierin für die Aufklärung über ungewollte Schwangerschaften und Empfängnisverhütung ein.
- Die erste Pille in Deutschland wurde von der Firma „Schering", einem Vorgängerunternehmen von Bayer, 1961 auf den Markt gebracht.
Kleine Pille, große Folgen
60 Jahre später hat die kleine Pille bereits große Schlagzeilen hinter sich. Wissenschaftliche Studien bestätigen diverse Risiken und Nebenwirkungen wie depressive Verstimmungen, Übelkeit, Libidoverlust, Gewichtszunahme oder Kopfschmerzen. Ein erhöhtes Thromboserisiko kann sogar lebensbedrohlich sein. Immer mehr Frauen entscheiden sich heute dafür, die Pille abzusetzen. Brauchen wir bei der Auswahl an alternativen Verhütungsmethoden überhaupt noch die Pille, um zu verhüten? Antworten darauf gibt die Autorin, Isabel Morelli, in ihrem Buch „Kleine Pille, große Folgen - Was dir keiner über die Anti-Baby-Pille erzählt."
Sichere Verhütung ist schon seit Jahren auch völlig ohne Hormone möglich.
Isabel Morelli, AutorinTweet
Wie das orale Kontrazeptivum im Körper wirkt
Die meisten Frauen gehen davon aus, dass die Pille dem Körper eine Scheinschwangerschaft vortäuscht. Dem ist nicht so, sagt Isabel Morelli. Die Pille besteht aus syntetischen, also künstlich hergestellten Hormonen, die sich zwar von den körpereigenen Sexualhormonen Östrogen und Progesteron unterscheiden, aber wie Ersatzstoffe im Gehirn wirken. „Wird die Pille geschluckt und die Hormonersatzstoffe gelangen in den Blutkreislauf, reagiert die Hypophyse im Gehirn sofort. Sie kann aufgrund der Ähnlichkeit in der chemischen Struktur unser körpereigenes Progesteron nicht von den synthetischen Progestinen unterscheiden. [...] das Gehirn geht dann davon aus, dass bereits ein Eisprung stattgefunden haben muss, und schaltet sofort alle weiteren Vorgänge ab."
Unbeliebt? Die Pille hat mehr und mehr als Verhütungsmittel ausgedient. Laut Studie der Krankenkasse AOK verhüten nur noch 31 Prozent der gesetzlich versicherten Mädchen und Frauen mit der Pille, 2010 waren es noch 46 Prozent.
Risiken und Nebenwirkungen der Pille
Die Folge: unser Körper wird von den Hormonersatzstoffen fremdbestimmt. „Diese beeinflussen nicht nur unsere Fruchtbarkeit, sondern unser ganzes Hormonsystem und somit auch viele körperliche, mentale, emotionale und seelische Prozesse," erklärt die Expertin. Neben den bekannten gesundheitlichen Folgen, die auf dem Beipackzettel erwähnt werden, gibt es laut Morelli weitere Nebenwirkungen, über die niemand spricht. Eine Beeinträchtigung durch die Pille, der bisher nur wenig Beachtung geschenkt wurde, ist das Risiko für eine Schilddrüsenfunktionsstörung. Auch die Partnerwahl kann von der Pille beeinflusst werden. Denn ob man sich riechen kann oder nicht, hängt vom Geruchssinn ab - und dieser verändert sich unter Einnahme des hormonellen Verhütungsmittels.
Verantwortung in Sachen Verhütung
Die Pille abzusetzen ist keine Lösung, wenn man sich nicht mit Alternativen beschäftigt. Auch wenn inzwischen an Verhütungsmethoden für Männer geforscht wird, die über Kondome und Vasektomie hinausgehen, liegt die Verantwortung in Sachen Verhütung größtenteils bei der Frau. „Aus dem ganz einfachen Grund, dass wir die größeren Konsequenzen tragen, wenn bei der Verhütung etwas schief geht," sagt Isabel Morelli. Ob bei der Anti-Baby-Pille eine selbstbestimmte Sexualität möglich ist, wo sie nachweislich Stimmung, Körper und Partnerwahl beeinflusst? „Jede Frau sollte sich diese Fragen selbst stellen, sich mit der ganzen Thematik eingehend beschäftigen und dann ihre individuelle Antwort darauf finden."
Wie viele ihrer Generation bekam Isabel Morelli ihre erste Pille bereits mit 13 Jahren verschrieben. Mit 21 beschloss sie, die hormonelle Verhütung an den Nagel zu hängen. Ihr Körper spielte anschließend völlig verrückt, und sie war Stammgast in den Praxen diverser Fachärzte. Aus ihren Erfahrungen ist der Blog generation-pille.com entstanden. Die Neuauflage ihres Buches „Kleine Pille, große Folgen" erscheint am 17.08.2020.