Schonmal was vom Lucky-Girl-Syndrome gehört? Dieses Phänomen kursiert aktuell auf Tiktok und verspricht ein erfülltes und super glückliches Leben für jede von uns. Klappt das im Ernst oder gibt es vielleicht sogar Risiken?
Wir haben doch alle diese eine Freundin, der einfach alles Glück der Welt zuzufliegen scheint: die Gehaltserhöhung, eine märchenhafte neue Romanze oder sie findet zufällig einfach Geld auf der Straße? Große und kleine Zufälle – egal, was es ist, alles scheint für sie bestimmt zu sein.
Kann aber nicht theoretisch jede von uns sich ihre Traumwelt so bauen? Der aktuelle Manifestier-Tiktok-Trend soll es möglich machen.
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Wie werde ich ein Lucky Girl?
Das Lucky-Girl-Syndrome ist quasi der Weg zum Erfolg. Es handelt sich dabei um ein Tool zum Manifestieren und einen totalen Bewusstseinsshift. Du musst verinnerlichen, dass du die glücklichste Person auf der ganzen Welt bist – also das Luckiest Girl Alive. Du hast tagtäglich so viel Glück, dass du mit tollen Möglichkeiten überschüttet wirst und alle Türen für dich offen sind. Dir als Lucky Girl steht nichts Weg und du kannst alles erreichen.
Videos, die zum Affirmieren animieren, boomen aktuell auf Tiktok wie nichts anderes. Mit zusammen über 390 Millionen Klicks unter #luckygirlsyndrome und #luckygirl auf Tiktok schlägt der Trend gerade überall Wellen. "Things are always working out for me, no matter how it looks." oder "Everything works out for me. I’m so excited for how great today is going to be. I’m so lucky!" sind Beispiele für Affirmationen und Mantren. Tiktok-User:innen setzen darauf, Sätze wie diese mehrmals am Tag mündlich zu wiederholen, aufzuschreiben, Vision-Boards zu gestalten oder welche Manifestationstechnik auch immer präferiert wird – wichtig scheint hier: consistency is key! Denn das menschliche Gehirn braucht eine Routine, um sich gewisse Glaubenssätze einzuprägen und diese zu automatisieren. Nach und nach sollst du dann laut Trend das Syndrome und eine neue Positivity-Denke entwickeln und kannst dich angeblich vor Glück gar nicht mehr retten. User:innen sprechen von ersten Ergebnissen nach etwa einem Monat. Trotzdem aufgepasst: Negative Denkmuster und Erlebnisse lassen sich selbstverständlich nicht wegzaubern.
Was für einen Einfluss hat der Trend auf uns?
Positive Denkmuster in unseren Alltag zu integrieren ist auf jeden Fall äußerst gesund, denn wir fangen an viel mehr Wert auch auf die kleinen Dinge, die uns zum Strahlen bringen, zu legen. Dadurch erweitern wir unser Sichtfeld für viel mehr positive Dinge – und ziehen sie laut Trend auch somit leichter an. Außerdem ist es keine schlechte Methode, um sein Selbstwertgefühl zu steigern. Denn es ist bewiesen, dass das Motto "Fake it until you make it" tatsächlich dabei hilft, selbstbewusster zu werden. Das Unterbewusstsein gewöhnt sich nämlich mit der Zeit an neue Verhaltensweisen und Denken, um sie später von alleine auszusenden. Um das Luckiest Girl Alive zu sein, musst du dich also deines eigenen Glückes und Wohlergehens würdig fühlen und keine Zweifel an deinem Wert haben. Und selbst wenn doch nicht alles, was du dir wünscht, bei dir ankommt, hast du bestimmt auf dem Weg zum Lucky Girl vielleicht mehr Selbstsicherheit entwickelt.
Was ist dran am Trend?
Ob man wirklich mehr Glück anzieht, wenn man davon ausgeht und das Gesetz der Annahme benutzt, ist nicht wissenschaftlich bewiesen. Allerdings steckt zumindest eine kleine Wahrheit auf datenbasierter Grundlage dahinter.
Das menschliche Gehirn besitzt das sogenannte Retikuläre Aktivierungssystem, kurz RAS. Es funktioniert quasi wie ein Mail-Spam-Filter und gibt nur verständliche und wichtige Informationen an uns weiter. Da es aber von unseren tiefsten Denkmustern, Prägung und Überzeugungen beeinflusst wird, nehmen wir dadurch meistens nur die Infos auf, auf denen unser Fokus liegt. Sprich, wenn wir uns nur auf das Schlechte im Leben konzentrieren, scheint schnell die ganze Welt für uns trist. Du wirst dir also unterbewusst alles rauspicken, was deine Annahmen bestätigt. Umgekehrt heißt das aber, dass wir in gewisser Weise unser RAS steuern können, um somit unsere Lebensqualität zu steigern. Je mehr positive Einstellungen wir also in unseren Alltag integrieren, desto mehr wird uns das Gute im Leben ins Auge springen.
Ist der Trend problematisch?
Der Trend bekommt zum einen großen Zuspruch, zum anderen aber auch viel Kritik, die berechtigt ist. Natürlich ist das Leben eines Lucky Girls gefüllt mit guter Laune und Glück, aber das ist so einfach nicht für jede zu erreichen. Denn in der Thematik werden psychische Probleme, Privilegien-Unterschiede oder körperliche Einschränkungen außer Acht gelassen. Nicht jede kann "einfach glücklich sein", damit ihr sich gute Gelegenheiten offenbaren. Es kann auch sehr respektlos sein, davon auszugehen, dass das Leben ja immer so einfach sei. Für viele Menschen ist es enorm schwierig, von alten Gedanken loszulassen und Perspektivwechsel vorzunehmen. Denn aus Depressionen oder Armut etwa kann man sich selbstverständlich nicht so easy glücklich herausdenken.
Außerdem kann die Social-Media-Strömung auch ein Aufhänger für Self-Blaming sein. Das Leben wird auch einem Lucky Girl nicht nur Glück bringen. Das liegt aber viel mehr am Lauf des Lebens als an deinen Manifestiermethoden. Zudem solltest du aufpassen, nicht deine gesamte Energie in das Positive im Leben zu investieren und somit alle negativen Emotionen zu verdrängen. So eine Toxic Positivity ist nämlich alles andere als gesund. Wir müssen uns erlauben, alle unsere Gefühle auch wirklich zu spüren: Trauer, Wut, Frust, Fröhlichkeit, Liebe … Wenn wir das nicht tun, schaden wir uns.
Wie sollten wir nun mit dem Trend umgehen?
Mehr positive Energie in unserem Leben kann wahrscheinlich jede:r von uns vertragen – meistens haben wir ja doch eher zu wenig als zu viel davon. Daher sollten wir diesen Trend wunderbar als Inspiration nutzen, um uns für Gutes zu öffnen und uns freier von ungesunden und schlechten Denkmustern zu machen, solange der Optimismus in einem gesunden Rahmen bleibt.
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