Arbeitszeiten flexibilisieren und in die Abendstunden verlegen – der Großteil der Beschäftigten findet das keine gute Idee, wie eine neue Studie jetzt eindeutig belegt. Um 18 Uhr soll allerspätestens Schluss sein. Frauen wollen gern eine Stunde früher Feierabend machen als Männer.
Arbeitszeit in den Abend verlegen, um tagsüber flexibler zu sein – ist das die schöne neue Arbeitswelt, in der wir uns alle freier fühlen? Können so auch Eltern die Kinderbetreuung besser organisieren, indem sie nachmittags für die Familie da sind und in den Abendstunden ihrer Arbeit nachgehen? Eine neue Studie gibt eine eindeutige Antwort: Das ist ein Mythos! So gut wie niemand will nach 18 Uhr arbeiten, ganz gleich ob Eltern oder kinderlos.
In die Studie des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung flossen die Ergebnisse einer Befragung von mehr als 2300 sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten ein, die im November 2022 durchgeführt wurde.
Demnach will der größte Teil der Beschäftigten je nach Arbeitsbeginn zwischen 14 Uhr und 17 Uhr Feierabend machen, wobei Frauen häufiger etwas kürzer arbeiten wollen (eher bis 16 Uhr) und Männer häufiger etwas länger (bis 17 Uhr). Auch der Großteil der Eltern möchte bis spätestens 17 Uhr Feierabend machen. Nur ein Bruchteil würde gern von diesem Zeitrahmen abweichen. Auch das gilt für Eltern genauso wie für andere Beschäftigte.
Sozial wertvolle Zeiten
Die neue Untersuchung zeigt: Die Idee, dass flexiblere Arbeitszeiten und eine Aufweichung der gesetzlichen Arbeitszeitregeln Beschäftigten sogar entgegenkommen könnten, um Beruf und Privatleben besser unter einen Hut zu bringen, geht an der Realität ganz offensichtlich vorbei. Für die Soziologin und Studienautorin Yvonne Lott keine Überraschung: Aus ihrer Sicht stehen die aktuellen Befragungsergebnisse im Einklang mit dem Stand der Forschung. Lott verweist auf zahlreiche empirische Studien, die gezeigt haben, dass Arbeit am Abend die Work-Life-Balance beeinträchtigen kann. Denn sie sei nicht vereinbar mit dem Rhythmus des sozialen Lebens. Yvonne Lott sagt: Die moderne Erwerbsgesellschaft sei als "Abend- und Wochenendgesellschaft" strukturiert, "in der die Zeit am Abend und am Wochenende als sozial besonders wertvoll eingeschätzt wird".
Hier gibt es die Studie zum Nachlesen als PDF:
- Yvonne Lott: Wann Eltern Feierabend machen wollen
Die Forscherin sieht das so: Beschäftigte, die am Abend oder in ihrer Freizeit arbeiten, etwa indem sie noch berufliche E-Mails beantworten, haben eine schlechtere Work-Life-Balance, Gesundheit und ein geringeres Wohlbefinden. Denn die "Arbeit zu sozial wertvollen Zeiten" sorgt für Alltagsstress, geht zu Lasten der Familie, der Partnerschaft und des Soziallebens. Letztlich, so die Erkenntnisse von Yvonne Lott, kann die Arbeit am Abend sogar die Stabilität einer Partnerschaft beeinträchtigen.
Arbeit am Abend als Stressfaktor und Beziehungskiller
Wer also abends arbeitet, weil er oder sie sich nachmittags um die Kinder kümmert, wünscht sich das ganz und gar nicht, sondern steht offensichtlich unter Druck. Er oder sie weicht nicht aus freien Stücken auf die Abendstunden aus. Laut Forscherin Yvonne Lott ist die Arbeit nach Feierabend eher "Symptom einer Vereinbarkeitsproblematik", die eine Flexibilisierung bestehender gesetzlicher Arbeitszeitregelungen nicht lösen, sondern vermutlich noch verstärken würde. Sie sieht die Gefahr, dass sich die Arbeitszeitanforderungen dadurch noch erhöhen könnten und die zeitlichen Spielräume für Privatleben und Familie weiter einschränken.
Die Lösung: Vier-Tage-Woche
Es gibt aber auch einen Ausweg. Für Studienautorin Yvonne Lott liegt die Lösung auf der Hand: die Einführung der Vier-Tage-Woche. Auf diese Weise könnten Vereinbarkeitsprobleme tatsächlich entschärft und die Work-Life-Balance verbessert werden. Für familiäre und private Verpflichtungen würden endlich ausreichend zeitliche Spielräume entstehen, schreibt die Soziologin. Auch Arbeitgeber müssten vor der Arbeitszeitverkürzung durch eine Vier-Tage-Woche nicht zurückschrecken. Die Forschung habe gezeigt, dass Beschäftigte dann produktiver sind und damit auch Unternehmen von der Vier-Tage-Woche profitieren.
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