Bis beim gegenwärtigen Tempo der Gender-Pay-Gap in Deutschland geschlossen ist, dauert es noch über 100 Jahre. Klingt ausgedacht, ist aber leider wahr. Drei Expertinnen zeigen, mit welchen Strategien wir die Beschleunigungstaste drücken können.
1. Systematische Frauenförderung
"Wer befördert wen? Die Antwort auf diese Frage wird oft verschleiert. Und solange es in Unternehmen an Transparenz mangelt, scheitern Frauenkarrieren. Es muss also eine Professionalisierung und Objektivierung des Personalmanagements geben, damit nicht mehr diejenigen aufsteigen oder überdurchschnittlich mehr Geld bekommen, die best friends mit dem Vorstand sind. Solche grundlegenden und möglichst nachhaltigen Veränderungen bedürfen eines systematischen Vorgehens. Am Anfang des Prozesses sollte eine umfassende Analyse stehen: Wie viele Frauen mit welchem Bildungsstand arbeiten auf welchen Ebenen? Wie hoch ist die Beförderungsrate wirklich (echtes Commitment zur Gleichberechtigung oder nur hohle 'Frauenpower-Statements')? Wie sind die Rahmenbedingungen für Mitarbeiter:innen (von flexibler Zeiteinteilung bis zu Kinderbetreuungsprogrammen)? Wie viele Männer arbeiten in Teilzeit? Denn sind es überwiegend Frauen, wird Teilzeit oft zur Karrierebremse. Das Gute: Immer mehr Unternehmen beschließen, monotone Strukturen aufzubrechen. Denn sie wissen: Diversität ist vor allem ein wirtschaftlicher Erfolgsfaktor." Barbara Lutz, Geschäftsführende Gesellschafterin des Frauen-Karriere-Index (FKI).
2. Gesetze und Gerichte
"Solange es freiwillig keine gleiche Bezahlung von Männern und Frauen gibt, sind juristische Maßnahmen unverzichtbar. Die Basis bilden das Entgelttransparenzgesetz von 2017, nach dem Beschäftigte Auskunft über die Gehaltsstrukturen verlangen dürfen. Und das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, das seit 2006 verbietet, Mitarbeiter:innen zu benachteiligen, etwa aufgrund des Geschlechts oder der Hautfarbe. Trotzdem scheiterten zunächst viele Klägerinnen. Anfang 2021 gelang ein Durchbruch: Eine Versicherungsmitarbeiterin hatte geklagt, weil sie erheblich weniger verdiente als ihre männlichen Kollegen mit vergleichbarer Tätigkeit und Qualifizierung. Das Bundesarbeitsgericht erkannte die ungleiche Bezahlung als Diskriminierung an. Dieses Urteil ist für Arbeitsgerichte bindend und wird weitere Urteile zugunsten von Kläger:innen nach sich ziehen. Das dürfte ein Umdenken auf Arbeitgeberseite beschleunigen und Frauen Mut machen, sich juristische Unterstützung zu holen." Dr. Julia Friemel, Fachanwältin für Arbeitsrecht
3. Gehaltsmonitoring
"Chancengleichheit ist als Wert in unserer Firmenkultur verankert. Daher muss auch der Grundsatz 'gleicher Lohn für gleiche Arbeit' gelten. Damit es keine Gehaltsunterschiede aufgrund von Geschlecht oder Ethnie gibt, überprüfen wir seit 2015 bei Salesforce regelmäßig alle Gehälter. Dabei analysieren wir unsere Mitarbeiterpopulation auf der Grundlage objektiver Faktoren, die die Vergütung bestimmen, wie etwa Funktion, Ebene und Standort. In die Bewertung gehen auch Boni, Beförderungen und Aktien ein. Um Unterschiede auszugleichen, haben wir bisher mehr als 16 Millionen US-Dollar investiert. Dieses Jahr haben wir weltweit die Gehälter von 3,5 Prozent unserer Mitarbeiter:innen angepasst; 81 Prozent davon bezogen sich auf das Geschlecht. So sinken die Zahlen jedes Jahr – Ziel ist die 100-prozentige Chancengleichheit. Eine Kultur der Gleichberechtigung halten wir für richtig und auch für klug: Nur so können wir die besten Talente für uns begeistern, innovativ und erfolgreich sein." Nina Keim, Director Government Affairs bei Salesforce in Deutschland
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